Hamburg. Michael Otremba spricht im Podcast über fehlende Touristen, die Zukunft der Branche in Hamburg und über seine Hut-Sammlung.

Es ist noch gar nicht so lange her, dass Michael Otremba einen Rekord an touristischen Übernachtungen in Hamburg verkünden konnte – den 19. in Folge. Das war im Februar, der Chef der Hamburg Tourismus GmbH beendete seine Pressekonferenz damals mit den Worten, dass im nächsten Jahr wohl Gästerekord Nummer 20 folgen werde.

Dann kam Corona, im April wurden nur noch 80.000 statt sonst 1,3 Millionen Übernachtungen registriert – und Hamburg merkte auf die brutalstmögliche Art, wie wichtig Touristen für die Stadt sind. Abendblatt-Chefredakteur Lars Haider spricht in einer neuen Folge von „Entscheider treffen Haider“ mit Otremba über die Touristen, die auf einmal fehlen, über die Zukunft der Hotels – und über Hüte.

Das sagt Michael Otremba über…

…Touristen, die in Hamburg erst kritisiert wurden und jetzt vermisst werden:

„In der Zeit vor Corona gab es kaum einen Vortrag, bei dem ich nicht auch Stellung zu dem Vorwurf beziehen musste, dass es in Hamburg zu viele Gäste gibt, dass uns das alles zu viel wird. Ich habe damals schon eine deutliche Meinung dazu gehabt: Der Tourismus ist wichtig für die Lebensqualität in Hamburg, wir brauchen ihn, um die Stadt voranzubringen. Dass das wirklich so ist, haben wir alle in den vergangenen Monaten gemerkt, in denen so gut wie keine Gäste in Hamburg waren. Der Tourismus ist wichtig für die Stimmung in der Stadt, er steht pro Jahr für einen Umsatz von acht Milliarden Euro und für 90.000 Arbeitsplätze. Die Branche kam von heute auf morgen zum Stillstand, da spielten und spielen sich zum Teil immer noch wirtschaftliche Dramen ab. Der Tourismus hat eine so anstrengende Situation noch nicht erlebt.“

… die aktuelle Stimmung bei Hamburgs Hoteliers:

„Wenn ich jetzt mit Menschen aus der Tourismusbranche spreche, höre ich auch Zuversicht und Optimismus. Es ist mehr Bewegung in der Stadt, und die Leute, die kommen, geben oft auch mehr Geld pro Kopf aus als früher. Es gibt Hoteliers, die bereits wieder Auslastungszahlen haben, die nahezu an das Vorjahr anknüpfen. Ich höre von Gastronomen, dass der Juli über dem Vorjahr lag. Aber ich höre auch von Hoteliers, die eine Auslastung von zehn bis 15 Prozent haben. Die stehen natürlich vor einer schweren Situation, wenn Instrumente wie Kurzarbeit nicht mehr greifen. Wir müssen damit rechnen, dass das einige touristische Partner in Hamburg wirtschaftlich nicht überleben werden. Und wir müssen genau gucken, wie wir vor allem denen helfen können, die relevant für die Identität dieser Stadt sind. Ich rede nicht nur von Unternehmen wie dem Miniatur Wunderland, sondern auch und gerade von kleineren Anbietern, die vielleicht keine großen finanziellen Reserven haben.“

Mehr Entscheider:

… die Zukunft des Tourismus in Hamburg und Norddeutschland:

„Wenn der Tourismus eine Aktie wäre, würde ich jetzt investieren. Es wird definitiv wieder aufwärtsgehen, aber es ist eher ein Marathonlauf und kein Sprint. Für Hamburg liegt eine Chance darin, dass wir im deutschsprachigen Raum und in Skandinavien gut positioniert sind. Wir glauben, dass sich der Tourismus erst einmal lokal und national entwickeln wird, und davon wird Hamburg profitieren. Was aber nicht heißt, dass wir schnell wieder die Zahlen von 2019 erreichen. Aber wir werden besser sein als andere Städte. In der aktuellen Corona-Zeit sind wir, was die Nachfrage beispielsweise bei booking.com angeht, eine der führenden Destinationen in Europa – aber wir sind gleichzeitig mit durchschnittlich 28 Prozent Auslastung immer noch weit weg von den Auslastungszahlen des vergangenen Jahres, die bei 80 Prozent lagen.“

… neue Hotels in Hamburg:

„In Hamburg ein Hotel zu bauen, war in der Vergangenheit wie eine Lizenz zum Gelddrucken, das Interesse daran entsprechend groß. Das hat sich geändert. Was bereits geplante Hotelneubauten angeht: Ich höre von Verschiebungen, aber nicht von Absagen.“

… all die abgesagten Großveranstaltungen:

„Mir fehlen die total, weil sie Leben in diese schöne Stadt bringen. Der Bürgermeister hat einmal gesagt, dass Hamburg nicht Bad Hamburg ist, es ist gut, dass hier etwas passiert.“

… Geschäftsreisende:

„Es gibt Hotels, die vorwiegend auf Geschäftsreisende setzen. Die leiden gerade massiv. Der Geschäftstourismus wird deutlich länger brauchen als der Freizeittourismus, bis er wieder losgeht. Das liegt zum einen daran, dass viele Unternehmen ihren Mitarbeitern verbieten, überhaupt zu reisen. Zum anderen haben sich Videokonferenzen etabliert, die teure Dienstreisen überflüssig machen können. Was mich positiv stimmt ist, dass es uns zusammen mit der Messe und dem CCH gelungen ist, über 20 neue Veranstaltungen ab 2021 zu akquirieren. Daran sieht man, dass das Interesse an Hamburg ungebrochen groß ist.“

… den HSV:

„Aus Tourismus- und Marketing-Sicht hätte ich in Hamburg am liebsten einen Verein, der in der Champions League spielt. Mir hilft aus dieser Perspektive selbst ein Verein nicht, der zwar in der Ersten Liga ist, aber dort 14. oder 10. wird. Der HSV war und ist darüber hinaus auch wichtig für das Selbstbewusstsein dieser Stadt, das Gleiche gilt für den FC St. Pauli. Hamburg und zwei Zweit­liga-Clubs, das passt nicht zusammen.“

… seine Hüte:

„Ich habe mehr als 30 Hüte, und ich setze sie sehr gern auf. Bei einer der ersten Veranstaltungen, die ich in Hamburg hatte, war ich der Einzige, der einen Hut trug. Und was passiert? Der damalige Bürgermeister Olaf Scholz kommt auf mich zu und sagt: „Finde ich gut mit dem Hut.“ Damit hatte ich die Absolution von ganz oben. Aber tatsächlich sind die Hüte immer wieder ein Thema, und sie haben auch einen Vorteil: Wenn man bei einer Abendveranstaltung mit 300 Männern in dunklen Anzügen der Einzige ist, der einen Hut trägt, bleibt man im Gedächtnis.“