Hamburg. Dr. Harald Hayek, Oberarzt der Unfallchirurgie am AK Barmbek, sagt, wann das Kribbeln in den Füßen ein Fall für den Arzt ist.
„Im allerschlimmsten Fall kommt es zu einer Blutvergiftung und die Sache geht für den Betroffenen auch heute noch tödlich aus“, sagt Dr. Harald Hayek. In einer neuen Folge der „Digitalen Sprechstunde“, dem Podcast von Hamburger Abendblatt und Asklepios, klärt der Oberarzt der Unfall- und Wiederherstellungschirurgie von der Asklepios Klinik Barmbek über die Gefahren des sogenannten Diabetischen Fußes auf.
Das Syndrom zählt zu den häufigsten Folgen der Zuckerkrankheit, mindestens zehn Prozent der bundesweit insgesamt sieben Millionen Diabetiker sind davon betroffen. „Es ist immer gut, wenn dieses Syndrom möglichst früh erkannt wird“, sagt der Mediziner und berichtet von Patienten, die erst sehr spät, also schon mit starken Entzündungen am Fuß, den Arzt aufsuchen. „Dann wird es schwierig, die Extremität zu retten und eine Amputation ist das letzte Mittel der Wahl. Aber das wollen wir natürlich möglichst verhindern.“
Diabetischer Fuß: Zunächst fällt ein Kribbeln und Brennen auf
Doch woran erkennt man überhaupt, dass man erkrankt ist? Zunächst falle das auf, was die Mediziner Neuropathie nennen. „Das ist eine Gefühlsstörung. Der Betroffene spürt seine Füße nicht mehr. Vielleicht kribbeln oder brennen die Füße, manchmal verformen sich auch Zehen oder der ganze Fuß“, so der vierfache Vater.
Bei diesen Warnsignalen sollte der Hausarzt aufgesucht werden, beziehungsweise eine spezielle diabetologische Praxis, wie es sie in fast jedem Stadtteil gebe. „Allerdings wissen einige Betroffene bis zu diesen Symptomen noch gar nicht, dass sie Diabetes haben. Das wird oft dann erst festgestellt.“
Kassen zahlen professionelle Fußpflege bei Diabetikern
Der Diabetologe führe turnusmäßig eine Fußkontrolle durch, die genau wie die Blutzuckerwerte in einem Heft dokumentiert würden. Zusätzlich sollte aber jeder Diabetiker selbst täglich mit einem kleinen Spiegel seine Füße auf Veränderungen wie Verletzungen oder Hornhautschwielen untersuchen, rät der Experte.
„Prävention ist das A und O. Deshalb empfehle ich Diabetikern auch, alle vier bis sechs Wochen die professionelle Fußpflege in Anspruch zu nehmen, die von den Kassen gezahlt wird.“ Das Tückische sei nämlich, dass die Betroffenen eben wegen der Gefühlsstörung Verletzungen selbst gar nicht bemerkten.
„Sie laufen barfuß durch den Garten, verletzen sich an einem Stein, Bakterien dringen ein und eine Entzündung entsteht, von der die Betroffenen gar nichts mitbekommen. Mangelnde Durchblutung verhindert dann die Wundheilung.“
Für die Durchblutung werden Gefäße aufgedehnt
Bei der Behandlung setze man zunächst auf eine konservative Methode, die Druckentlastung. „Der Patient darf schlicht den Fuß nicht belasten, bis nach einigen Wochen alles abgeheilt ist.“ Für den Heilungsprozess sei eine gute Durchblutung wichtig, die gegebenenfalls chirurgisch durch das Aufdehnen von Gefäßen gesichert werde.
„Denn eines ist klar: Wenn kein Blut ankommt, kann nichts heilen“, sagt Dr. Harald Hayek, der als kleiner Junge eigentlich Tischler werden wollte, dann aber doch wie der Vater, ein mittlerweile pensionierter Radiologe, den Arztberuf ergriff. „Aber ich bin eben Chirurg geworden, weil das Fach sehr viel mit Handwerk zu tun hat.“
Spezialgebiet: Rekonstruktion der Füße
Und genau dieses handwerkliches Geschick braucht der Mediziner, der die Freizeit am liebsten mit seiner Familie verbringt, auch auf seinem Spezialgebiet: bei der Rekonstruktion des Fußes.
„Leider wird in Deutschland immer noch zu schnell und zu viel amputiert.“ Von den rund 60.000 Amputationen jährlich entfielen 70 Prozent auf Diabetiker. „Dabei gibt es andere Verfahren, die den Fuß retten können“, sagt der Unfallchirurg, der als Spezialist für septische Chirurgie gilt und einen Kassensitz hat, was bedeutet, dass er seine Patienten ambulant vor- und nachbehandeln kann. „So bleibt alles in einer Hand.“
Amputation? Es gibt gute Chancen, den Fuß zu retten
Bei einem Eingriff, den er selbst derzeit bis zu zehn Mal im Jahr durchführe, werde ein „Ring-Fixateur“ über den entzündeten Knochen gespannt, dann – ähnlich wie bei einem Tumor – die betroffene Partie radikal entfernt und zur Infektberuhigung eine sogenannte Antibiotika-Kette gelegt.
Nach vier bis sechs Wochen werde dann mit dem Wiederaufbau des Knochens begonnen, der dann nach weiteren vier bis sechs Monaten wieder vollständig integriert sei. „Auch wenn der Fixateur weg ist, gilt: einmal Diabetischer Fuß, immer Diabetischer Fuß.“
Die Patienten seien ihr Leben lang auf maßgefertigtes orthopädisches Schuhwerk angewiesen und sollten unbedingt weiterhin zur Kontrolle gehen. „Denn man hat ja in der Regel eben auch noch einen zweiten Fuß.“
Dass auch Ärzte nicht unverwundbar sind, hat der Mediziner vor zwei Jahren feststellen müssen, als ihn eine schwere Grippe über Wochen außer Gefecht setzte, er sogar als Patient in seine Klinik kam. „Seither bin ich ein großer Freund der Grippe-Impfung und empfehle sie auch all meinen Patienten – nicht nur jenen, die wegen des Diabetischen Fußes kommen.“
Gesundheits-Podcast mit Asklepios
Die "Digitale Sprechstunde“ ist die Gesundheitsgesprächsreihe von Hamburger Abendblatt und Asklepios. Jede Woche beantwortet ein Experte die Fragen von Vanessa Seifert.
Nächste Folge: Professor Dr. Stephan Willems, Chefarzt der Kardiologie und Nachfolger von Professor Kuck an der Asklepios Klinik St. Georg, über die Volkskrankheit Vorhofflimmern und neue Herzschrittmacher-Verfahren.
Haben Sie Anregungen? Schreiben Sie uns gern eine E-Mail an sprechstunde@abendblatt.de