Berlin. Das „Jüngste Gericht“ ist eine der berühmtesten Fresken der Welt. In einer abgelegenen Ecke wurde jetzt eine unerwartete Figur entdeckt.

Über eine doch ganz wichtige Persönlichkeit wird im Neuen Testament nicht viel berichtet. Die Evangelisten erwähnen Maria Magdalena als Begleiterin Jesu und Zeugin seiner Kreuzigung und Auferstehung. Ihre Figur, eine der geheimnisvollsten und faszinierendsten Charaktere in den Evangelien, wurde erst später mit Legenden ausgeschmückt.

Sie wurde unter anderem als Sünderin, Prostituierte oder als Geliebte von Jesus dargestellt. Laut dem Johannes-Evangelium soll sie dem wiederauferstandenen Jesus sogar als erste begegnet sein soll. Heute wird sie von der katholischen und anderen christlichen Konfessionen weitgehend als Heilige angesehen.

Forscher fahnden seit Jahrhunderten nach Maria Magdalena

Nach einer jahrhundertelangen Suche könnte Maria Magdalena jetzt auch unter den 300 verschlungenen Figuren in Michelangelos berühmtem Meisterwerk „Das Jüngste Gericht“ in der Sixtinischen Kapelle im Vatikan identifiziert worden sein. Die italienische Kunstrestauratorin Sara Penco ist fest davon überzeugt, dass sie Maria Magdalena entdeckt und damit dem Rätsel ein Ende gesetzt hat.

In Michelangelos weitläufiger Darstellung des „Jüngsten Gerichts“ in der berühmten Kapelle sind 300 Figuren abgebildet, aber bis jetzt konnte Maria Magdalena unter ihnen nicht identifiziert werden. Penco sagte bei einer Pressekonferenz in Rom, ihre Nachforschungen deuteten darauf hin, dass es sich auf dem riesigen Kunstwerk bei der blonden Frau, die ein Holzkreuz küsst, um die berühmte weibliche Figur aus den Evangelien handelt.

Michelangelo „(...) hätte Maria Magdalena niemals vergessen können“

Die Resultate von Pencos Forschungen werden diese Woche in dem 240-seitigen Buch „Mary Magdalene in Michelangelos Judgement“ präsentiert, das in italienischer und englischer Sprache veröffentlicht wurde. Im Vorwort des Buches bestätigt Yvonne Dohna Schlobitten von der Abteilung für Geschichte und kulturelles Erbe der Gregorianischen Universität in Rom die These der Kunstrestauratorin.

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„Ich bin fest davon überzeugt, dass es sich bei der Figur um Maria Magdalena handelt (...) Die Nähe zum Kreuz, das gelbe Kleid und das blonde Haar, aber auch der gesamte Kontext, in den Michelangelo diese Figur stellt, bezeugen das. Michelangelo war ein erfahrener Maler, er war äußerst kultiviert, er war jemand, der die Dynamik der Kirche sehr gut überschaute. Er hatte eine profunde Kenntnis der Evangelien und daher hätte er Maria Magdalena niemals vergessen können“, sagte Penco, die auf Kunst der Renaissance und des Barocks spezialisiert ist, vor Journalisten in Rom.

Scripta Maneant Editore Michelangelo
Maria Magdalena ist als blonde Frau dargestellt, die das Holzkreuz küsst. © Scripta Maneant Editore | Scripta Maneant Editore

Maria Magdalena galt als Sünderin

„Das jüngste Gericht“, für dessen Vollendung Michelangelo Buonarroti vier Jahre benötigte, zieht jedes Jahr mehr als fünf Millionen Besucher in die Sixtinische Kapelle. Es wurde zwischen 1537 und 1541 gemalt.

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Der Vatikan hat zuletzt den Gedenktag der Heiligen Maria Magdalena aufgewertet. Der Gedenktag der Heiligen am 22. Juli wird in der römisch-katholischen Kirche seit 2016 als „Fest“ eingestuft. Dies sei auf Wunsch des Papstes erfolgt, verlautete es im Vatikan. Laut Bibel gehörte Maria Magdalena neben den Jüngern zum engeren Kreis um Jesus. Ihr Beiname „Magdalena“ soll von ihrem Heimatort „Magdala“ abgeleitet worden sein.

Gemäß den Evangelien wohnte Maria Magdalena der Kreuzigung Jesu und seiner Kreuzabnahme bei und blieb nach seiner Grablegung weinend am Grab. Sie war es demnach auch, die das Grab später leer vorfand und dem auferstandenen Jesus begegnete. Maria Magdalena wird in der weiteren Tradition mit der namenlosen Sünderin, die Jesus die Füße salbte, gleichgesetzt. 

The Last Judgment (Fresco of the Sistine Chapel in the Vatican), 1536-1541. Creator: Buonarroti, Michelangelo (1475-1564).
Auf dem „Jüngsten Gericht“ von Michelangelo sind rund 300 Personen zu sehen. © picture alliance / © Fine Art Images/Heritage Imag | © Fine Art Images/Heritage Images