Berlin. Als Zehnjährige schmeißt Tanja eine Flaschenpost ins Meer. Eineinhalb Jahre später erhält sie eine Antwort, die zur Prophezeiung wird.
Eine Flaschenpost losschicken – das weckt bei vielen Erinnerungen an ihre Kindheit. Wer hat nicht „Pippi Langstrumpf“ gesehen, die per Flaschenpost mit ihrem Piratenvater kommunizierte. Auch Tanja Kretzschmar, die als Kind mit Nachnamen Paasch hieß, liebte die legendären Geschichten von Astrid Lindgren. Als sie 1982 – als Zehnjährige – mit ihrem Opa dann auf einem Bootsausflug auf der Ostsee unterwegs war, warf sie gleich mehrere mit Briefen bestückte Flaschen ins Meer. Einige Zeit später kam tatsächlich Antwort – ein Brief landete sogar in der ehemaligen DDR.
Schon Post aus dem „abgesperrten“ Deutschland war für das junge Mädchen aus Kiel aufregend, doch eineinhalb Jahre später konnte sie ihren Augen kaum trauen, als sie einen Luftbrief aus dem Briefkasten zog. „Da waren australische Briefmarken drauf und ich habe ihn ganz aufgeregt aufgerissen“, erinnerte sie sich. Darin fand sie eine Weihnachtskarte mit Koalas und einen auf Deutsch geschriebenen Brief, an den ihr Zettel aus der Flaschenpost als Beweis mit dran geheftet war.
Wie gelangte die Flasche nach Australien?
Absender war eine Familie aus Melbourne, die schrieb, sie habe die Flaschenpost von Freunden erhalten und würden sich freuen, bald von ihr zu hören. „Eigentlich war der Brief ziemlich kurz gehalten, sie hatten aber noch geschrieben, dass sie zwei Kinder haben – die 15 und 13 Jahre alt sind“, so Kretzschmar. Ihr Opa habe das Ganze so aufregend gefunden, dass er die „Kieler Nachrichten“ informierte, die auch prompt einen Reporter vorbeischickten, um die inzwischen Elfjährige und ihren Großvater zu interviewen.
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Schon damals vermuteten die Reporter, dass die Flaschenpost nicht per Meeresströmung bis ans andere Ende der Welt getrieben sein konnte: Dies würde Fachleuten „unmöglich“ erscheinen, schrieben sie und rätselten, ob nicht ein Seemann die Flasche gefunden und per Schiff zum fünften Kontinent transportiert haben könnte. All das wollte Tanja herausfinden und schrieb sofort an die australische Adresse. Doch obwohl sie sehnsüchtig auf eine weitere Antwort aus dem Land der Kängurus und Koalas wartete, hörte sie nie wieder von „ihrer“ Familie aus Melbourne.
Brief hatte hellsehende Wirkung
Die Jahre zogen ins Land, doch ihre Flaschenpost ging Tanja Kretzschmar nie ganz aus dem Kopf, zumal sich die unterschiedlichen Absender als Art Prophezeiung für ihr Leben herausstellen sollten. So heiratete sie später einen Mann aus Ostdeutschland (nicht den Absender der Flaschenpost) und zog mit diesem und den gemeinsamen beiden Söhnen später nach Australien.
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An ihrem neuen Heimatort Sydney – inzwischen waren über 40 Jahre ins Land gezogen – fiel ihr beim Aufräumen jedoch der Brief von damals wieder in die Hände und sie beschloss, noch einmal zu versuchen, das Rätsel zu lösen. Denn nach wie vor beschäftigte sie: Wie war die Flasche damals bis nach Australien gekommen? Was war mit der Familie geschehen? Warum hatte sie nicht noch einmal geantwortet und warum konnte die australische Familie eigentlich so gut Deutsch?
Über Radioshow gibt es den entscheidenden Hinweis
Tanja Kretzschmar postete ihr Anliegen in einer Facebookgruppe für deutsche Auswanderer in Australien und gab ein Radiointerview. Und tatsächlich meldete sich der Sohn der Familie auf eine Anfrage der Radiomoderatorin und bestätigte, dass auch er und seine Familie sich trotz der langen Zeit nach wie vor an die Flaschenpost von damals erinnern könnten.
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Nur seine Mutter, die den Brief geschrieben hat, sei inzwischen an Demenz erkrankt und habe keine Erinnerung mehr daran. „Wir haben uns alle gefragt: ‚Warum haben wir Tanja damals nicht nochmal geantwortet?‘“, sagte Peter Mitchelson. Er habe keine wirkliche Erklärung, nur, dass es ein recht ereignisreiches Jahr für sie gewesen sei.
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Mitchelson konnte nun bestätigen, dass die Flasche nicht per Meeresströmung ans andere Ende der Welt kam. Vielmehr hatten Freunde der Familie in Deutschland sie am Strand gefunden und an sie weitergeleitet, damit Tanja Post aus einem fernen Land erhalten konnte. Auch den Text müssen die deutschen Freunde vorformuliert haben, denn Mitchelson glaubt nicht, dass das Deutsch seiner Mutter – obwohl sie alle zuvor ein Jahr in Deutschland gelebt hatten – damals ausreichend gut gewesen sei.
Persönliches Treffen geplant
Inzwischen haben Peter Mitchelson, der nach wie vor in Melbourne lebt, und Tanja Kretzschmar mehrmals telefoniert und beschlossen, sich nun bald auch einmal persönlich zu treffen, um sich über die 40 Jahre alte Flaschenpost auszutauschen und all die Fragen, die sie über das Leben des jeweils anderen haben. Er könne es kaum fassen, dass Tanja mit einem Mann aus Ostdeutschland verheiratet sei und zudem selbst inzwischen auch in Australien lebe, meinte Mitchelson. Damit habe ihr Leben „zwei große Verbindungen zu den Botschaften“, die sie einst per Flaschenpost verschickt hat.