Berlin. Harald Krassnitzer, Ermittler im „Tatort“, ist nun als TV-Schutzengel zu sehen. Jetzt verrät er, wie er privat an seine Grenzen gerät.
Harald Krassnitzer (64) gehört den Top-Fernsehstars. Ob im „Tatort“ Wien, wo er zusammen mit Adele Neuhauser ermittelt, als „Winzerkönig“, in „Stauffenberg“ oder auf dem „Traumschiff“ – das Rollenrepertoire des österreichischen Schauspielers ist enorm. Nun ist er in „Engel mit beschränkter Haftung“ (4. Dezember, ARD, 20.15 Uhr) in der Rolle eines Schutzengels zu sehen. Im Leben brauchte er selbst die Unterstützung anderer – unter anderem eines Psychotherapeuten – und traf auf Personen, die man vielleicht als Engel bezeichnen könnte – etwa seine Schwester. Aber gerade, weil er bereit ist, seine eigenen Grenzen zu erkennen, hat er so etwas wie Glück gefunden.
Hatten Sie jemals das Gefühl, dass Sie für andere Menschen ein Schutzengel sind?
Harald Krassnitzer: Ich habe ein sehr ausgeprägtes Schutzempfinden und Verantwortungsgefühl für andere. Wenn jemand in Not ist oder aus einer Situation nicht herauskommt, muss man die Hand reichen. Aber das hat nicht die Qualität eines Schutzengels.
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Haben Sie ein Beispiel dafür, wo Sie konkret etwas bewirkt haben? Sie engagieren sich ja unter anderem für den Verein Dunkelziffer, der sich für sexuell missbrauchte Kinder einsetzt.
Krassnitzer: Über so etwas rede ich ungern. Ich hoffe, dass ich zumindest bei denen, bei denen es mir wichtig war, eine Veränderung bewirkt habe. Aber oft habe ich das Gefühl, dass es zu wenig ist.
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Hatten Sie selbst Menschen, die Ihnen entscheidend geholfen haben?
Krassnitzer: Auf jeden Fall. Das beginnt mit einem Mitschüler, der wohl die wesentlichste Frage meines Lebens gestellt hat, ohne die ich nie zu diesem Beruf gekommen wäre. Nämlich: „Du spielst doch gerne. Willst du nicht bei der Laienspielgruppe meines Bruders mitmachen?“ Es gab auch zwei Schauspiellehrer, die unbedingt an mich geglaubt und mich in diesen Beruf eingeführt haben. Sie waren wie ein zweites Elternpaar, das mich noch einmal geboren hat. Oder Intendanten, die mit mir arbeiten wollten. Es gab so viele Menschen, die dafür gesorgt haben, dass ich mir diesen Traum erfüllen konnte.
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Das war eine Unterstützung für Ihre Karriere. Aber gab es konkret Situationen, wo Sie menschliche Hilfe brauchten?
Krassnitzer: Ja. Man muss in diesem Beruf lernen, dass er nicht das Leben ist. Das habe ich eine Zeitlang nicht verstanden und mich gewundert, dass ich im Leben permanent scheitere. Immer wieder, wenn Premieren waren, habe ich festgestellt, dass ich zwei Trennungen hinter mir hatte. Und es gab zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren. Entweder sagst du, das ist mein Leben als Künstler, was wollt ihr? Oder aber man fragt sich: Sitzt da ein Schmerz, der nicht ergründet ist? In welcher Matrix befinde ich mich? – Ich habe mich für Letzteres entschieden und bin zum Psychotherapeuten gegangen. Das war eine der besten Entscheidungen meines Lebens.
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Was war für Sie eine Schlüsselerkenntnis dieser Therapie?
Krassnitzer: Dass man, wenn man diesen Beruf mit Leidenschaft ausüben will, auch lernen muss, mit Leidenschaft zu leben. Du musst in die Welt hinausschauen und Dinge lernen, die nicht nur mit deiner Geschichte und Egozentrik zu tun haben. Das hat mir sehr gutgetan und tut mir nach wie vor gut. Ich versuche mich nach diesen Prinzipien zu bewegen und das hilft mir auch in Momenten, wo ich nicht weiter weiß.
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Wann zum Beispiel?
Krassnitzer: Meine Mutter ist in eine sehr schwere Demenz verfallen und lebt in einem Pflegeheim. Da ich nicht dort wohne und beruflich viel unterwegs bin, wird sie von meiner Schwester dabei begleitet. Als ich unlängst vorbeikam und meine Schwester entlasten wollte, habe ich gemerkt, dass ich der Sache nicht wirklich gewachsen bin. Meine Schwester dagegen konnte richtig reagieren. Bis dahin war ich der festen Überzeugung, ich sei souverän und wüsste, wie die Dinge gehen. Das war eben nicht der Fall, aber ich finde es spannend, wenn man an Grenzen kommt. Genau dort lernen wir etwas über das Leben.
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In solchen Momenten dürften sich dann auch der Glamour und die Prominenz, die mit Ihrem Beruf verbunden sind, relativieren.
Krassnitzer: Das ist oft so. Rote Teppiche waren ohnehin nie mein Ding. Es gibt eben Menschen, die mit der gleichen Leidenschaft in anderen Bereichen arbeiten und nicht diese Resonanz und Öffentlichkeit bekommen.
Sie führen dieses Leben seit über 20 Jahren mit Ihrer Frau Ann-Kathrin Kramer. Ist sie vielleicht so etwas wie ein Schutzengel für Sie?
Krassnitzer: Ich würde es so formulieren: Sie ist der Mittelpunkt, um den sich mein Leben dreht.
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Vermutlich dürfte das auch Ihre offene Selbstanalyse möglich gemacht haben.
Krassnitzer: Das hat sicher auch damit zu tun. Ich habe zudem erkannt, was das Schöne an Beziehungen ist. Wenn man erkennt, das ist die Richtige, mit der man sein Leben verbringen möchte, dann lässt man sie so, wie sie ist. Man darf nicht versuchen, einen Klon von sich selbst dem anderen überzustülpen, und sagen: Du musst so sein, weil das für mich schön wäre. Wir haben die größte Freude daran, dass wir unterschiedlich sind. Das ergänzt einander und macht am meisten Spaß.
In „Engel mit beschränkter Haftung“ bekommen Sie ein Lehrlingsmädchen zur Seite gestellt. Was können real junge Menschen von Ihnen lernen?
Krassnitzer: Ich wäre für viele der Jungen vielleicht ein nerviger Mensch, weil ich dazu neigen würde, den ganzen Tag nur besserwisserische, dumme Ratschläge zu geben. (lacht). Aber im Ernst: Bei jungen Menschen muss man erkennen, dass sie eine Reise vor sich haben. Und alles, was wir tun müssen, ist, Ihnen diese Reise zu erlauben. Aber momentan nehmen wir ihnen diese Perspektive gerade.
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Inwieweit nimmt Ihre Generation der nachkommenden die Perspektive?
Krassnitzer: Junge Menschen sehen, dass es die Welt, so wie sie ist, durch den Klimawandel und die Umweltzerstörung nicht mehr geben wird. Gleichzeitig hat meine Generation so viele Schulden gemacht, dass die nachkommenden nur daran herumknabbern werden. Wir dagegen gehen in unsere wohlverdiente Rente und machen es uns nochmal gemütlich.
Das ist ein unfaires Verhältnis, und ich kann zutiefst verstehen, dass das eine gewisse Ungeduld und Hoffnungslosigkeit bei jungen Menschen erzeugt. Was willst du dann in dieser Welt noch machen? Und dann kommen wir daher, die wir unser ganzes Leben gut gelebt haben und wollen Ratschläge geben. Ich würde mir wünschen, wir würden da in einen anderen Generationenvertrag einsteigen und nicht nur an unsere kurzfristigen Einzelinteressen denken.
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