Berlin. „Sisi“-Star Jannik Schümann tut sich schwer mit dem Älterwerden. Einer wichtigen Entscheidung jedoch fiebert der Schauspieler entgegen.
Er war in Serien wie „Sisi“ oder „Charité“ zu sehen – und nun zeigt Jannik Schümann mit seiner Rolle in dem Audible Original Hörspiel „1984“ von George Orwell, wie vielseitig er ist. Der 32-jährige Schauspieler erzählt, was dieser Dystopie-Klassiker mit ihm gemacht hat, als er ihn vor zehn Jahren das erste Mal gelesen hat.
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Jannik Schümann: Das hat mir mein Freund geschenkt, weil ich sehr gerne sehr viel lese.
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Wann haben Sie denn „1984“ zum ersten Mal gelesen?
Schümann: Das war vor zehn Jahren, und als ich die Anfrage für das Hörspiel bekam, hatte ich wahnsinnig Lust auf diese Rolle, weil einem das Buch nicht mehr aus dem Sinn geht.
Schauspieler hält Orwells „1984“ aus diesen Gründen für hoch aktuell
Worin besteht für Sie die Aktualität dieser Geschichte?
Schümann: Es gibt vor allem zwei Ebenen. Zum einen die Ebene der Überwachung – also, was macht es mit uns, wenn das Handy permanent mitläuft? Wieso bekommen wir auf einmal Werbeanzeigen geschaltet, nachdem wir über bestimmte Produkte gesprochen haben? Und die andere Ebene ist der wahnsinnige Druck von Rechts, dem wir gerade ausgesetzt sind. Wir müssen mehr denn je für unsere demokratischen Werte kämpfen.
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Sie spielen unter anderem auch in historischen Serien wie „Sisi“. Würden Sie sich in der möglicherweise gemütlicheren Vergangenheit wohler fühlen?
Schümann: Das 19. Jahrhundert war alles andere als gemütlich, wenn man nicht gerade der Kaiser von Österreich war. Es gibt Gründe, weshalb ich gerne in den 1970ern gelebt hätte, weil das eine Zeit des Aufbruchs und der Hippie-Bewegung war. Streng genommen aber doch nicht, weil ich damals als schwuler Mann vom Paragraphen 175 betroffen gewesen wäre, der homosexuelle Handlungen unter Strafe stellte.
In den 70ern war die Welt auch noch analog. Haben Sie dafür etwas übrig?
Schümann: Absolut. Ich habe eine analoge Fotokamera. Ich versuche bewusst, das Handy auszuschalten. Und ich liebe eben Bücher. Für mich gibt es nichts Schöneres als Buchläden. Wenn ich einen sehe, gehe ich immer hinein und kaufe mir eins. Ich liebe schon allein den Geruch von Büchern. Wenn ich aus dem Haus zur U-Bahn gehe, dann lese ich immer unterwegs.
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Sie fallen dabei nicht auf die Nase oder prallen gegen Hindernisse?
Schümann: Nein, ich schaffe es irgendwie, das zu vermeiden. Ich halte das Buch relativ hoch, sodass ich sehen kann, ob ich irgendwo dagegenlaufe.
Was für Bücher haben Sie zuletzt begeistert?
Schümann: Ich fand Sabin Tambreas Familiengeschichte „Vaterländer“ total berührend. Jetzt habe ich wieder mit „Harry Potter und der Stein der Weisen“ angefangen, weil ich das schon lange nicht mehr gelesen habe. Ich bin ein wahnsinniger „Harry Potter“-Nerd, habe sogar ein Tattoo. Einer meiner Lieblingsautoren ist John Boyne, ein schwuler irischer Schriftseller. Besonders sein „Das späte Geständnis des Tristan Sadler“, die Geschichte über eine verbotene queere Liebe zweier britischer Soldaten im Ersten Weltkrieg, hat mich extremst geprägt.
Jannik Schümann mag Kinder und fühlt sich selbst manchmal wie eins
Trotz aller düsteren Elemente findet sich in „1984“ auch eine Utopie von wahrer Liebe. Haben Sie selbst dafür eine Definition gefunden?
Schümann: Liebe ist das, was uns am Leben hält und was uns Energie und Kraft gibt.
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Ist es für Sie im Lauf der Jahre leichter geworden, wahre Liebe zu finden?
Schümann: In gewissem Sinne fühle ich mich noch wie ein kleines Kind. Aber über das Thema Liebe und Beziehung habe ich in der letzten Zeit viel nachgedacht. Und im Gegensatz zu früher priorisiere ich manche Dinge anders. Gerade letzte Woche habe ich mir gedacht, dass darin der Unterschied zwischen dem 32-jährigen Jannik und dem Jannik in seinen 20ern ist. Ich weiß mehr, was ich will und womit ich in Zukunft glücklich sein werde. Aus diesem Grund bin ich jetzt bereit, zu heiraten.
Sie meinten gerade, dass Sie sich aber noch wie ein kleines Kind fühlen. Wo zeigt sich das?
Schümann: Wenn ich abends allein zu Hause bin, denke ich mir immer noch: Ich kann jetzt machen, was ich will, weil mir die Eltern nichts vorschreiben können. Ich dürfte jetzt eine ganze Tafel Schokolade essen, denn ich bin offiziell erwachsen. Aber eigentlich bin ich noch ein Kind und niemand weiß es. Andererseits hat man auch eine gewisse Verantwortung, und das ist schlimm.
Wieso ist die Verantwortung schlimm?
Schümann: Weil man sich um gewisse Dinge wie Krankenversicherung kümmern muss, weil nicht mehr die Eltern das für einen regeln. Aber das Älterwerden hat natürlich auch seine Vorteile, zum Beispiel, weil man mehr in seiner Mitte ankommt.
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Inwieweit versuchen Sie sich dieses kindliche Gefühl zu erhalten?
Schümann: Indem ich spontan bin und nicht die ganze Zeit denke: „Das kann ich doch jetzt nicht machen, weil dann das und das passiert.“ Man muss manche Dinge versuchen, ohne vor den Konsequenzen Angst zu haben.
Schümann verrät, welchen Beruf er sich vorstellen könnte
Haben Sie ein Beispiel für solche spontanen Aktionen?
Schümann: Wenn ich zu Beispiel mal ein Wochenende frei habe, können wir einfach einen kleinen Trip machen und woanders schlafen. Zuletzt waren wir beispielsweise in London.
So gesehen müsste die Schauspielerei, bei der man Spontaneität und kindliche Gefühle kultivieren kann, der ideale Beruf für Sie sein.
Schümann: Ich könnte mir auch noch Grundschullehrer vorstellen.
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Warum das?
Schümann: Ich mag Kinder sehr, verbringe wahnsinnig viel Zeit mit meinen Nichten. Ich liebe es, denen Dinge beizubringen, ich liebe es, mit ihnen zu spielen.
Und die Grundschule ist nun mal die wichtigste Zeit für uns, in der wir stark geprägt werden. Zum ersten Mal haben wir mit Leuten zu tun, die uns etwas beibringen wollen und die nicht unsere Eltern sind. Es gibt viele tolle Grundschullehrerinnen, aber gerade weil es in diesem Berufsfeld viele Frauen gibt, ist es wichtig, auch ein bisschen männliche Energie hineinzubringen.
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Gibt es Fächer, die Sie am liebsten unterrichten möchten?
Schümann: Aus meiner Sicht sollte es das Schulfach „Spiele spielen“ geben. Das müsste auf jeden Fall Teil meines Programms sein. Denn durch Spiele kann man ganz viel lernen, was in der Gesellschaft nützlich ist: Verlieren können, teilen, strategisch agieren, alles ist dabei wichtig.