Berlin. Ist es verboten, sich mit einem Kollegen einzulassen? Wann muss man eine Liebelei dem Chef melden? Welche Konsequenzen drohen? Ein Anwalt klärt auf.
Mit der Liebe und Beziehungen ist es manchmal durchaus verzwickt. Rund ein Drittel der Deutschen etwa haben sich laut verschiedenen Studien schon mindestens einmal auf der Arbeit verliebt oder einen Kollegen geküsst. Nicht immer entsteht daraus auch eine feste Liebesbeziehung, manchmal ist eine Liebelei am Arbeitsplatz auch nur eine kurzfristige Sache – oder endet in einer Affäre. So oder so: Muss der Chef darüber Bescheid wissen? Welche Regeln gelten für Verliebte am Arbeitsplatz? Und darf der Vorgesetzte eine Beziehung verbieten? Diese und mehr Fragen beantwortet der Kölner Arbeitsrechtsanwalt Daniel Mantel.
Gibt es einen rechtlichen Unterschied, ob man eine Affäre am Arbeitsplatz hat oder eine Liebesbeziehung führt?
Daniel Mantel: Rechtlich gibt es da keinen Unterschied. Ob das verbindlich oder unverbindlich ist, fest oder lockerer, das macht arbeitsrechtlich keinen Unterschied.
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Und ist es verboten, sich mit einem Kollegen einzulassen?
Mantel: Grundsätzlich gilt: Wo die Liebe hinfällt – auch beruflich. Das heißt, es ist nicht verboten, mit einem Kollegen eine Beziehung oder Affäre zu führen.
Und wie sieht es bei Liebschaften zwischen Vorgesetzen und Mitarbeitern aus?
Mantel: Hier besteht die Gefahr, dass es ein Machtgefälle beziehungsweise Interessenskonflikte gibt. Das darf natürlich nicht passieren. Konkret: Der Vorgesetzte darf nicht seine Partnerin oder seinen Partner unberechtigterweise befördern oder eine Gehaltserhöhung aussprechen. Zwar kann man so eine Beziehung auch nicht untersagen. Aber man sollte diese Beziehung offenlegen, sodass Lösungen gefunden werden. Zum Beispiel, dass ein Dritter dann über die Beförderung oder Gehaltserhöhung entscheidet.
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Fremdgehen mit Kollege: Wann der Chef sich in die Beziehung einmischen darf
Muss man dem Arbeitgeber eine Affäre oder eine Liebesbeziehung melden?
Mantel: Das kann in Ausnahmefällen passieren. Und zwar dann, wenn es ein begründetes Interesse gibt. Konkretes Beispiel: Banken. Hier gibt es Regularien und EU-Richtlinien, dass es nicht zu Insiderhandel mit Aktien kommen darf. Wenn der Partner oder die Affäre aber Zugang zu solchen Insiderinformationen hat, dann besteht das berechtigte Interesse daran, dass das vermieden werden muss – und im Ausnahmefall bedeutet das dann eben, dass man so eine Beziehung melden muss.
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Und unter welchen Umständen darf ein Chef eine romantische Beziehung untersagen?
Mantel: Ganz untersagen darf der Chef die Beziehung grundsätzlich nicht. Es gab dazu 2005 einen Fall, als die amerikanische Supermarktkette Walmart nach Deutschland expandierte. Walmart wollte eine Ethikrichtlinie erlassen, in der beispielsweise geregelt war, dass es keine Beziehung unter Kollegen geben darf. Diese Richtlinie ist vor dem Landesarbeitsgericht Düsseldorf gelandet (Beschl. v. 14.11.2005 – 10 TaBV 46/05), da der Gesamtbetriebsrat sein Mitbestimmungsrecht geltend gemacht hat. Damals hat das Gericht entschieden, dass die von Walmart geplante Richtlinie unwirksam ist.
Die Richter begründeten ihre Entscheidung unter anderem damit, dass die Vorgabe gegen Artikel 1 und Artikel 2 des Grundgesetzes, also gegen die Menschenwürde, verstoße. Die Richter sahen die selbstbestimmte Entscheidung über die eigenen Liebesbeziehungen also als Teil der Menschenwürde. Und sie fanden, dass diesbezüglich jeder seine Persönlichkeit frei entfalten darf – auch am Arbeitsplatz.
In diesen Fällen wird die Beziehung unter Kollegen zum Problem
Bedeutet das auch, dass man seine Liebe am Arbeitsplatz ganz ungeniert ausleben darf?
Mantel: Ja und Nein. Der Vorgesetzte darf eine Beziehung zwar nicht grundsätzlich untersagen, durchaus aber unter Umständen störendes Verhalten. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn eine Beziehung, egal ob fest oder Affäre, Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis hat, wenn sie eine Spannung reinbringt, dazu führt, dass der Betriebsfrieden gestört ist oder dass die Arbeit nicht mehr ordentlich gemacht wird.
Welches Verhalten genau gilt als störend?
Mantel: Wenn sich das Liebespaar beispielsweise andauernd umarmt oder küsst. Stellen Sie sich vor: Die beiden arbeiten in der Produktion am Fließband und können die Hände nicht voneinander lassen. Dann wird die bezahlte Arbeitsleistung nicht mehr erbracht, weil die Zwei sich andauernd liebkosen. Oder wenn sich ein Paar ununterbrochen auf dienstlichen Chat-Kanälen oder via E-Mail Liebesnachrichten schickt. Dann wird in dieser Zeit eben keine bezahlte Arbeit verrichtet.
Kann eine Beziehung zum Kündigungsgrund werden?
Mantel: Die Beziehung alleine kann nie ein Kündigungsgrund sein. Kritisch wird es nur dann, wenn sie negative Auswirkungen auf das Arbeitsverhältnis hat – etwa wie eben im Beispiel genannt. Wenn man sich ununterbrochen liebkost und es deshalb zu einer Abmahnung gekommen ist und wenn man dann trotzdem nicht damit aufhört und den Arbeitsablauf stört, dann kann es unter Umständen zur Kündigung kommen.
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Wenn die Zuneigung zwischen den Kollegen plötzlich erlischt und es kommt zum öffentlichen Streit, welche Eingriffsmöglichkeiten hat dann der Chef?
Mantel: Da gibt es verschiedene Möglichkeiten: Wenn das ehemalige Liebespaar in der gleichen Abteilung arbeitet und sich dort nun streitet und anzickt, dann kann das ein Abmahnungsgrund sein – und bei einem hartnäckigen und dauerhaften Verstoß sogar ein Kündigungsgrund. Der Arbeitgeber kann hier zuvor aber auch eine Versetzung in eine andere Abteilung aussprechen. Für eine solche Versetzung ist grundsätzlich ein berechtigtes Interesse erforderlich – aber wenn es andauernd Streit gibt, besteht ein solches.
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