Berlin. Archäologen entdecken in Nordspanien Überreste einer antiken Rennstrecke. Unser Experte enthüllt den bedeutsamen Zweck der Mega-Arenen.
Im Norden Spaniens, im heutigen Álava, ist es Archäologen gelungen, Reste einer römischen Stadt aufzuspüren, welche die Zeit im Boden überdauert haben, ohne modern überbaut worden zu sein. Möglich war das Ganze durch Luftbildarchäologie und LIDAR – ein Lasersystem, das vereinfacht gesagt Strukturen auf der Bodenoberfläche sichtbar machen kann.
Dies an sich ist schon eine archäologische Sensation. Was diese Meldung noch einmal toppt: Die Forscher entdeckten dabei einen Zirkus der damaligen Zeit, welcher Platz für etwa 5000 Besucher bot.
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Der Zirkus hat eine Länge von 280 Metern und ist 72 Meter breit. Solche Arenen findet man nicht oft, in der Region gibt es nur wenige weitere Fundplätze. Im Vergleich zu dem neuen Fund aus Álava sind diese jedoch nicht vollständig erhalten. Die Größe der Anlage, die rund drei Fußballfeldern entspricht, weist auf die Bedeutung der Stadt Iruña-Veleia in römischer Zeit hin. Man geht davon aus, dass zur Blütezeit des Ortes dort etwa 10.000 Einwohner lebten.
Wagenrennen der Römer und Griechen: Arenen für die Massen
Bei einem römischen Zirkus handelt es sich um eine offene, längliche Arena in der hauptsächlich Wagenrennen stattfanden. Aber es konnten auch Gladiatorenkämpfe oder sogenannten Tierhetzen (Venationes) ausgetragen werden.
Der Circus Maximus in Rom ist wohl das bekannteste Beispiel einer solchen Anlage – nicht zu verwechseln mit dem berühmten Kolosseum. Mit seinen 621 Metern Länge und 118 Metern Breite konnten hier wohl etwa stolze 150.000 Personen den Wagenrennen beiwohnen. Im Lauf der Zeit und nach einigen Umbauten soll diese Zahl sogar auf 300.000 angestiegen sein. Dagegen wirkt der neue Fund aus Álava fast schon „zierlich“.
Genutzt wurden die Arenen in erster Linie zur Unterhaltung. Wichtig waren sie allerdings auch vor allem für politische Kundgebungen. Dies konnte im Zuge einer Veranstaltung, aber gelegentlich auch außerhalb davon geschehen.
Höhepunkt der frühen Olympischen Spiele
Im Antiken Griechenland wurden diese Anlagen nicht Zirkus, sondern Hippodrom genannt. Passend in den Kontext der vergangenen sportlichen Wochen befindet sich das wohl bekannteste Hippodrom im Ort Olympia – die dort veranstalteten Wagenrennen stellten den Höhepunkt der antiken Olympischen Spiele dar.
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Leider hat sich von diesem Bau faktisch nichts erhalten. Allerdings gibt es literarische Quellen, durch die wir heute eine gewisse Vorstellung haben, wie er ausgesehen haben könnte – nur über die Ausmaße wird immer noch viel diskutiert. Angeblich wurden die Wagenrennen erst bei der Olympiade von 680 v. Chr. eingeführt. Teile der Forschung sprechen sich jedoch für eine frühere Zeit aus. Auch in den Werken des griechischen Dichters Homer werden die Rennen erwähnt, und zwar als Lieblingssport der reichen Aristokratie.
Erste archäologische Belege für Wagenrennen stammen aus der mykenischen Zeit (grob 1600 bis 1100 v. Chr.). Wer denkt, dass diese sportlichen Events ein reines Phänomen des antiken Mittelmeerraumes war, liegt falsch. Dass frühe Eliten der Bronze- und Eisenzeit in Deutschland auf solche Wettkämpfe verzichtet haben sollen, scheint nicht naheliegend. Darstellungen auf Metallgefäßen belegen beispielsweise Wagenrennen und Faustkampf im östlichen Alpenraum, zur Zeit der sogenannten Hallstattkultur.
Welchen Zweck hatten die historischen Wagenrennen?
Die Faszination für Wettkämpfe begleitet uns folglich schon sehr lange. Im großen Stil mit entsprechenden Bauten können wir sie erst ab einer gewissen Zeit nachweisen – was nicht heißen soll, dass es zuvor keine gab. Ich persönlich denke, dass die Grundidee von Wettkämpfen, das Kräftemessen, bereits deutlich früher einsetzt.
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Es handelt sich um einen einfachen Zeitvertreib, der an sich nur mindestens zwei Personen benötigt – wenn man mal vom Vorhaben absieht, eigene Rekorde zu brechen. Andere Menschen übertreffen zu wollen, könnte man auch als eine Art Motor der menschlichen Entwicklung betrachten – im positiven Sinn. Blicken wir ins Tierreich, so würde ich behaupten, sind dort Wettkämpfe ebenfalls an der Tagesordnung – nur eben ohne Siegertreppchen und Goldmedaille.
Unser Experte
Ägyptische Pyramiden, entdeckte Schätze, der Alltag der alten Römer und Griechen: Archäologie fasziniert viele Menschen. Konstantin Kárpáty hat seine Leidenschaft zum Beruf gemacht. Der Münchener ist nach seinem Studium an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) seit Kurzem Doktor der Archäologie. Was er in seinem Job erlebt und was die wichtigsten Neuigkeiten aus der Welt der Archäologie sind, erzählt er für uns regelmäßig aus ganz persönlicher Sicht. Außerdem betreibt er die Social-Media-Kanäle „Excavation Time“ und den Podcast „Ausgegraben“.