Berlin. Vor der Küste Australiens sank vor Jahrzehnten ein vollbeladener Frachter. Das Wrack konnte nie gefunden werden – bis jetzt.
Am 25. August 1969 war der Frachter MV Noongah, bis zum Rand mit Stahl beladen, an der australischen Ostküste unterwegs, als er zwischen den Städten Newcastle und Townsville in einen Sturm geriet und in schwerer See sank.
Wo genau die letzte Ruhestätte des Frachters war, blieb jedoch bis heute – 55 Jahre nach der Tragödie – ein Rätsel. Und das, obwohl der Verlust des Küstenfrachters zu einer der größten Suchen nach Überlebenden in der australischen Seefahrtsgeschichte geführt hatte.
Australien: Ursache des Untergangs bis heute ein Rätsel
Dass die MV Noongah nun nach über einem halben Jahrhundert identifiziert werden konnte, ist der australischen Wissenschaftsagentur CSIRO zu verdanken. Dieser gelang es in Zusammenarbeit mit der lokalen Denkmalschutzbehörde und dem sogenannten „Sydney Project“, die Wracks verlorener Schiffe zu finden, zu filmen und zu dokumentieren.
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Was genau zum Untergang des Schiffes führte, ist ebenfalls bis heute ein Rätsel. Einer der Überlebenden, der Ingenieur John Wirth, sagte gegenüber dem staatlichen australischen Sender ABC einst: „Ich weiß nur, dass das Schiff auf Schlagseite war und ich nach unten gerufen wurde und wir versuchten, die Schlagseite zu korrigieren.“ Sie hätten aber keinen großen Erfolg gehabt und es sei immer schlimmer geworden.
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Schifffsunglück: Kaum jemand überlebte
Über Stunden versuchte die Besatzung an diesem schicksalshaften Tag im August 1969, das 71 Meter lange Schiff über Wasser zu halten, bevor sie es schließlich etwa 30 Minuten vor dem vollständigen Untergang aufgab. Laut ABC sendete der Funker zu diesem Zeitpunkt ein Notsignal aus, das eine der größten Such- und Rettungsaktionen auslöste, die jemals in Australien durchgeführt wurden. Marine- und Handelsschiffe, Flugzeuge, Hubschrauber und Teams an den Stränden entlang der Küste suchten nach Überlebenden.
Mehr als sechs Stunden nach dem Untergang des Schiffes rettete ein japanischer Tanker namens Koyo Maru zwei überlebende Besatzungsmitglieder aus zwei einzelnen Rettungsinseln – neben dem Ingenieur Wirth auch den stellvertretenden Steward Anwyl Durose. Später stieß ein Handelsschiff auf drei weitere Überlebende, die sich an einem Holzbrett festhielten. Ein sechstes Besatzungsmitglied wurde später tot aufgefunden. Insgesamt kamen bei dem Unglück 21 der 26 Besatzungsmitglieder ums Leben. 20 Leichen wurden jedoch nie gefunden, auch das Wrack der MV Noongah blieb verschollen.
Meister-Technologie half bei Entdeckung
Es habe letztendlich 20 Jahre gedauert, um mit Gewissheit sagen zu können, wo die MV Noongah ihre letzte Ruhestätte gefunden hat, sagte Samir Alhafith vom Sydney Project. Erst vor kurzem hätten die Technologie und das Tauchwissen es ermöglicht, Wracks in solchen Tiefen leichter zu identifizieren. „Die Entdeckung dieser bedeutenden Wracks ist nicht nur wichtig für die überlebenden Seeleute und die Familien derjenigen, die während der Tragödie umgekommen sind“, betonte Alhafith. Der Fund ermögliche es ihnen nun auch, die Hintergründe des Unglücks zu untersuchen.
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Privatpersonen hatten das Schiffswrack erstmals vor der Küste des australischen Bundesstaates New South Wales entdeckt, nördlich des Küstenortes Port Macquarie. Identifizieren konnten es aber letztendlich nur die Forscher der CSIRO, indem sie hochauflösende Bathymetriedaten – Daten zur Kartierung des Meeresbodens – und Videomaterial des Wracks sammelten.
Wrack liegt in 170 Metern Tiefe
Margot Hind, die im Juni die Forschungsreise zum Standort des Wracks vonseiten der CSIRO koordinierte, berichtete, dass das Wrack aufrecht auf dem Meeresboden liege und weitgehend intakt sei. „Wir hatten das Glück, günstige Seebedingungen für die Untersuchung zu haben.“ Die Technikteams hätten hervorragende Bathymetrie- und Videoaufnahmen vom Wrack sammeln können. Die Bathymetriedaten würden zeigen, dass sich das Wrack in einer Tiefe von 170 Metern befinde und etwa 71 Meter lang sei, wobei die Schiffsabmessungen, das Profil und die Konfiguration mit der MV Noongah übereinstimmen.
„Diese Tragödie ist vielen in der Gemeinde nach wie vor in Erinnerung“, sagte Hinds CSIRO-Kollege Matt Kimber. Er sprach den Familien und Nachkommen der ums Leben gekommenen Besatzung sein Beileid aus und betonte, dass die Gedanken der Forschenden auch bei den überlebenden Besatzungsmitgliedern der MV Noongah seien. Sie alle würden hoffen, „dass das Wissen um den Ruheort des Schiffes für alle einen Abschluss bringt“.