Neuenfelde. Immer wieder kommt es am Nincoper Deich in Neuenfelde zu tragischen Unfällen. Wird sich das nach dem Tod eines 18-Jährigen ändern?
- Wer am Wochenende Ausflüge ins Alte Land unternimmt, ist die Strecke bestimmt schon einmal gefahren
- Die Straße Nincoper Deich führt von Neuenfelde im Hamburger Süden bis in den Landkreis Harburg
- Die Anwohner fassen die Strecke schon länger unter dem Namen „Rübker Todeskurven“ zusammen
Immer wieder kommt es zu schweren und sogar tödlichen Verkehrsunfällen am Nincoper Deich. Häufig sei nicht angepasste Geschwindigkeit die Ursache, heißt es aus Polizeikreisen. Aber auch eine verdreckte Fahrbahn könnte bei einigen Unfällen ursächlich gewesen sein.
Erst vor Kurzem kam ein 18 Jahre alter Motorradfahrer bei einem tragischen Unfall ums Leben, seine 17-jährige Beifahrerin wurde schwer verletzt. Welche Lehren ziehen Polizei und Politik aus der Tragödie?
Tödlicher Unfall von 18-Jährigem Biker: Hätte der Crash verhindert werden können?
Die sogenannten „Rübker Kurven“ sind berüchtigt. Seit Kurzem erinnern zwei Holzkreuze an Marcel (18) aus Jesteburg, der am frühen Abend des 24. Juni, einem Montag, in den Kurven die Kontrolle über sein Yamaha-Motorrad verlor und frontal mit einem ihm entgegenkommenden Audi kollidierte.
Marcel verstarb noch an der Unfallstelle, vermutlich war der junge Motorradfahrer zu schnell unterwegs gewesen. In den vergangenen Jahren ist es auf dem Nincoper Deich zwischen Neuenfelde und Rübke immer wieder zu schweren Verkehrsunfällen gekommen, einige endeten sogar tödlich.
Polizei Hamburg registriert seit Anfang 2021 insgesamt 44 Verkehrsunfälle
Auf Abendblatt-Nachfrage wertete die Polizei Hamburg die letzten drei Jahre aus. Zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 30. April 2024 registrierte die Hamburger Polizei für den Nincoper Deich – im Bereich zwischen Nincoper Straße und der Landesgrenze zu Niedersachsen – insgesamt 44 Verkehrsunfälle. Auf niedersächsischer Seite wurden lediglich zwei Unfälle registriert, wie die Polizeiinspektion Harburg mitteilte.
Bei elf dieser Verkehrsunfälle lag die Hauptunfallursache in einer nicht angepassten Geschwindigkeit. Bei 17 Verkehrsunfällen ordnete die Polizei die Ursache der sogenannten Kategorie „andere Fehler beim Fahrzeugführer“ zu. Darunter fällt beispielsweise auch nicht angepasste Fahrweise bei einer durch Landwirtschaft verschmutzen Straße.
Elf verletzte Personen auf Hamburger Gebiet, keine einzige in Niedersachsen
Bei neun der 44 Verkehrsunfälle verunglückten im gleichen Zeitraum insgesamt elf Personen auf Hamburger Gebiet; dabei gab es zwei Schwer- und neun Leichtverletzte. In Niedersachsen gab es keine Personenschäden. „Dazu trägt sicherlich bei, dass der Nincoper Deich fast ausschließlich gerade und innerorts (innerhalb der Ortschaft Rübke, Anmerkung der Redaktion) verläuft und nur noch ein kurzes Stück nach der geschlossenen Bebauung bis zur Landesgrenze verbleibt“, erklärt Frank Waldhaus von der Polizeiinspektion Harburg.
Polizei Hamburg: „Derzeit keine Unfallhäufung im Verlauf des Nincoper Deiches“
„Eine Unfallhäufungsstelle befindet sich derzeit nicht im Verlauf des Nincoper Deiches“, schreibt Polizeisprecher Thilo Marxen aus Hamburg. Dennoch hat die Polizei den Nincoper Deich bereits seit Jahren im Auge und ist ständig dabei, die Unfallgefahren auf diesem Streckenabschnitt zu reduzieren. Dafür wurde in der Vergangenheit bereits ein ganzes Maßnahmenpaket umgesetzt.
Das Bündel reicht von der Geschwindigkeitsreduzierung von 60 auf 50 km/h, über den Auf- und Abbau von Verkehrsschildern bis hin zu einer Griffigkeitsanalyse des Asphalts sowie einer Überprüfung der Örtlichkeit durch die Unfallkommission, wiederholte Geschwindigkeitskontrollen und Kontrollen zur Einhaltung des Überholverbotes.
Anhand der Messergebnisse käme die Polizei nicht zu dem Ergebnis, dass es sich beim Nincoper Deich um eine „Raserstrecke“ handeln könnte, so der Polizeisprecher. Auch eine mangelnde Griffigkeit des Asphalts habe sich 2021 nicht bestätigt.
Abstimmung mit Bezirksamt: Neues Maßnahmenpaket nach schrecklichem Unfall
Im Zuge einer routinemäßigen Überprüfung und insbesondere nach dem tödlichen Verkehrsunfall des jungen Motorradfahrers im Juni 2024 hat das zuständige Polizeikommissariat in Neugraben nun erneut ein Maßnahmenpaket, in enger Abstimmung mit dem zuständigen Bezirksamt Hamburg-Harburg, in Auftrag gegeben. Dabei soll eine Prüfung der Griffigkeit des Fahrbahnbelages noch einmal durchgeführt werden und die Straßendecke auf etwaige Beschädigungen untersucht werden.
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Alle vorhandenen Verkehrszeichen werden hinsichtlich ihrer Erkennbarkeit, zum Beispiel durch Abdeckung von Pflanzen und Bäumen, überprüft. Außerdem sei die Überprüfung der Rückschnitt- und Mähintervalle für das Straßenbegleitgrün in Arbeit, damit Verkehrsteilnehmende den Gegenverkehr früher erkennen können.
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Zur Geschwindigkeitsüberwachung soll darüber hinaus die Installation eines TempoSys-Gerätes oder eines Dialogdisplays – je nach Tempo mit lächelnden oder „grimmig“ schauenden Gesichtern – mittels LED-Technik geprüft werden, erklärt die Polizei Hamburg abschließend.
Eine Investition, die sich vor allem für die Zukunft auszahlen dürfte. Aktuell befahren rund 6000 Kraftfahrzeuge die Straße Nincoper Deich, davon sind 300 pro Tag dem Schwerlastverkehr zuzuordnen. Es ist allerdings zu erwarten, dass die Menge der Fahrzeuge nach Freigabe der Autobahn A26 an der Anschlussstelle Neu Wulmstorf noch einmal deutlich ansteigt.