Hollenstedt. Bundesweit einmaliges Hauskonzept soll helfen, die Wohnungsnot zu entschärfen. Ministerin lobt das Konzept öffentlich bei Markus Lanz.

Für 7,50 Euro Miete pro Quadratmeter wohnen – und das auch noch ausgesprochen schön. Wo geht das noch? Mit einem bundesweit neuen Konzept für den sozialen Wohnungsbau soll das jetzt an möglichst vielen Orten in Deutschland möglich werden. In Hollenstedt wurde am vergangenen Donnerstag das erste Gebäude eingeweiht, das nach diesem innovativen Hausbau-Entwurf entstand. Er soll helfen, die Wohnungsnot in Deutschland zu bekämpfen.

Mit dem „Power Townhaus“ gegen die Wohnugsnot

Das erste „Power Townhouse“ der Firma Viebrockhaus hat nur fünf Wohneinheiten und steht mitten in einem Dorf in der Hamburger Peripherie. Dennoch sorgt das Gebäudes seit Baubeginn vor gut zwei Monaten deutschlandweit für großes Interesse. Der Grund: Kommunen hoffen, mit der Erfindung der Viebrockhaus AG eine Möglichkeit an die Hand zu bekommen, dem hohen Bedarf an geförderten Wohnraum schnell und effizient etwas entgegensetzen zu können.

Dirk und Lars Viebrock (von links) mit Gästen bei der feierlichen Eröffnung des „Power Townhouses“ in Hollenstedt.
Dirk und Lars Viebrock (von links) mit Gästen bei der feierlichen Eröffnung des „Power Townhouses“ in Hollenstedt. © Viebrockhaus AG | Viebrockhaus AG

Wohnen wird für immer mehr Menschen unbezahlbar

Denn immer mehr Menschen in Deutschland können sich das Wohnen nicht mehr leisten. Nicht nur Sozialhilfeempfänger, sondern auch Normalverdiener wie die Busfahrerin oder der Krankenpfleger haben zunehmend einen Förderanspruch. Die Städte und Gemeinde stellt dies vor große Herausforderungen. Besonders in Ballungsräumen wie in der Metropolregion Hamburg hat sich der Mangel an Sozialen Wohnraum in den vergangenen Jahren dramatisch verschärft.

20 Minuten bis Hamburg: Pilotprojekt steht in Hollenstedt

Deshalb schickten viele Gemeinden und Städte ihre Vertreter aus Verwaltung und Politik nach Hollenstedt, wo sie das innovative „Power Townhouse“ besichtigen konnten. Was sie zu sehen bekamen, gefiel: Ein modernes Mehrfamilienhaus mit fünf nebeneinander liegenden Wohneinheiten und eigenen Gärten, das sich nahtlos in das Ortsbild einfügt. Das Gebäude mit einer Gesamtwohnfläche von 370 Quadratmetern ermöglicht Flexibilität bei den Grundrissen: Die hellen Wohnungen mit Wohnflächen von 50 bis 95 Quadratmetern bieten Singles bis hin zum Fünf-Personen-Haushalt hohen Komfort inklusive Einbauküchen, schicken Fußböden und modernen Bädern. Selbst die Außenanlagen sind fertig, und die Gärten blühen so üppig, als seien sie schon vor Jahren angelegt worden. „Es ist wirklich erstaunlich, wie Viebrockhaus das alles in nicht einmal zweieinhalb Monaten fertiggestellt hat“, zeigte sich der CDU-Landtagsabgeornete Jan Bauer beeindruckt von der Leistung des Harsefelder Unternehmens.

Jede Wohnung verfügt über eine Terrasse und einen kleinen Garten.
Jede Wohnung verfügt über eine Terrasse und einen kleinen Garten. © Viebrockhaus AG | Viebrockhaus AG

Das innovative Gebäude entstand in nur 73 Tagen

Genau 73 Tage von der Grundsteinlegung bis zur Fertigstellung – das nötigte nicht nur Bauer Respekt ab. Für den enormen Geschwindigkeitsvorteil des Konzepts, das bereits viele Interessenten in ganz Deutschland auf den Plan gerufen hat, sorgt seine Serienzertifizierung. Das „Power Townhouse“ ist das erste Haus im sozialen Wohnungsbau in Deutschland, das eine solche Serienzertifizierung hat. Die entsprechende Typengenehmigung haben der Landkreis Stade in enger Kooperation mit der Stadt Stade und dem Land Niedersachsen auf den Weg gebracht.

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Das macht schnelles Bauen mit niedrigem bürokratischem Aufwand möglich“, so Dirk Viebrock, Vorstandsvorsitzender der Viebrockhaus AG. Diese Schnelligkeit solle nicht nur fürs Pilotprojekt in Hollenstedt der Maßstab sein. „Jedes Power Townhouse wird in vier Monaten gebaut“, sagte Dirk Viebrock. Jede weitere Wohneinheit benötige sogar nur einen weiteren Monat Bauzeit.

Serielle Fertigung ermöglicht günstigen Preis

Die Mietpreise für die barrierefreien Wohnungen, die bei Bedarf mit einem Treppenlift ausgestattet werden können und alle über eine Terrasse und eine eigne Wärmepumpe verfügen, bewegen sich deutlich unter den regionalen Mietspiegeln. „Wir haben schon hunderte von Anfragen“, sagt Dirk Viebrock. Vorstellbar seien ganze Siedlungen mit Häusern dieses Typs. Seniorinnen und Senioren könnten innerhalb eines solchen Quartiers in kleinere Wohnungen umziehen, ohne ihre gewohnte Umgebung verlassen zu müssen.

Ein entscheidender Baustein ist das vorgefertigte Modul für den Hausanschluss, den Lars Viebrock zeigt. Die Schnittstelle zum Versorgungsnetz wird direkt zu Beginn der Bauphase installiert.  
Ein entscheidender Baustein ist das vorgefertigte Modul für den Hausanschluss, den Lars Viebrock zeigt. Die Schnittstelle zum Versorgungsnetz wird direkt zu Beginn der Bauphase installiert.   © Sabine Lepél | Sabine Lepél

Modulare Bauweise bringt Tempo in den Bau

Mit dem neuen Konzept für sozialen Wohnungsbau will Viebrockhaus Antworten auf die Herausforderungen der Zeit geben. „In Deutschland herrscht Wohnungsnot, das ist kein Geheimnis“, sagte Dirk Viebrock. „Wir müssen vor allem beim Sozialen Wohnungsbau endlich den Fuß von der Bremse bekommen.“ Die serielle und modulare Bauweise des Power Townhouses, in die das Unternehmen viel „Gehirnschmalz“ gesteckt habe, sorge für Tempo.

Ökologischer Ausrichtung auch im Sozialen Wohnungsbau

Viebrockhaus wolle mit dem „Power Townhouse“ außerdem seine ökologischer Ausrichtung im Hausbau betonen und zeigen, was in dieser Hinsicht möglich ist, so Dirk Viebrock. „Zum Einsatz kommen ausschließlich ressourcenschonende und energieeffiziente Baustoffe, darunter auch viele recycelte Materialien.“ Das Haus wird laut Hersteller mit dem derzeit höchsten Energiestandard gebaut und verfügt über ein Satteldach, das auf einer Seite vollständig mit nahtlos integrierten Photovoltaikmodulen belegt ist. Auf der anderen Seite mindert ein Gründach die Flächenversiegelung.

Lars Viebrock in einer der Einbauküchen des „Power Townhouse“  in Hollenstedt.
Lars Viebrock in einer der Einbauküchen des „Power Townhouse“ in Hollenstedt. © Sabine Lepél | Sabine Lepél

Starkregen: Entwässerung wurde gleich auf harte Probe gestellt

Mit dem Konzept der „Schwamm-City“ aus dem ökologischen Vorzeigequartier Smart City in Harsefeld will Viebrockhaus dafür sorgen, dass das „Power Townhouse“ nicht an das öffentliche Regenwassernetz angeschlossen werden muss und es somit nicht belastet. Diese Sicherheit gegen Starkregen ist nicht nur zertifiziert, sondern wurde direkt am Tag der Einweihung unter Beweis gestellt, als am Nachmittag ein Unwetter losbrach und sintflutartige Regenfälle in Hollenstedt niedergingen. Sie wurden von dem ausgeklügelten Entwässerungssystem problemlos aufgenommen, wie ein Besuch vor Ort zeigte.

Bundesbauministerin lobt Viebrockhaus bei Markus Lanz

„Das Grundstück ist mit dem Gebäude darauf ökologisch besser bewertet als vorher“, betonte Andreas Viebrock, Aufsichtsratsmitglied der Viebrockhaus AG und Initiator des „Power Townhouses“. Nachverdichtung sei also durchaus ökologisch darstellbar. Bestätigung erhielt er von Bundesbauministerin Klara Geywitz. Sie hatte sich das Projekt bei der Grundsteinlegung im April persönlich vorstellen lassen, lobte es zudem öffentlich in der Talkshow von Markus Lanz und schickte auch zur Einweihung ein Grußwort. Viebrockhaus habe ein sehr innovatives Hauskonzept für den sozialen Wohnungsbau entwickelt und realisiert – nachhaltig, energieeffizient, flächensparend und bezahlbar, ließ die Bundesministerin wissen.

Bundesbauministerin Klara Geywitz begleitete das Projekt für den Sozialen Wohnungsbau von Anfang an.
Bundesbauministerin Klara Geywitz begleitete das Projekt für den Sozialen Wohnungsbau von Anfang an. © HA | Sabine Lepél

Förderdarlehen können für Kostenreduzierung sorgen

Für den Bau eines „Power Townhouse“ mit fünf Wohneinheiten müssen Investoren rund 1,5 Millionen Euro hinblättern. Trotzdem kann das Investment sich lohnen: „Förderdarlehen können für eine deutliche Kostenreduzierung sorgen“, sagt Dirk Viebrock. Allein die Niedersächsischen Landesbank habe im vergangenen Jahr 350 Millionen Euro an Fördergeldern zu Schaffung von bezahlbarem Wohnraum bewilligt. Auch sei die Vermietung von geförderten Wohnraum attraktiv, weil die Miteinnahmen gesichert seien. „Es haben bereits einige Investoren Interesse an unserem Konzept gezeigt“, sagte der Vorstandsvorsitzende dem Abendblatt. Bis Ende 2024 kann das „Power Townhouse“ in Hollenstedt als Musterhaus nach Terminabsprache besichtigt werden.  Dann geht es in die Vermietung.