Lüneburg. Stress? Burn-out? Sina Knöll gründet in Lüneburg ein Studio für Gelassenheit und Resilienz. Was lernen Menschen von ihr?
Als sie merkte, dass sie nicht so weiterleben will wie sie es während ihres vergangenen halben Lebens getan hat, war Sina Knöll 30 Jahre alt. Sie hatte Betriebswirtschaftslehre studiert und anschließend diverse Anstellungen, die nach einem tollen Job klingen: als Modeeinkäuferin, in einer Branding- und einer Trend-Agentur, später in einer Unternehmensberatung. Aber: „Ich war total gestresst und kaputt“, erzählt sie heute, fünf Jahre später. Was ihr damals geholfen hat, das will sie jetzt auch anderen vermitteln. Sina Knöll eröffnet in Lüneburg das „My Mind Studio“, einen Raum für Geist und Seele.
Aufgewachsen als Tochter eines Arztes in Lüneburg, legte Sina Knöll ihr Abitur an der Herderschule ab. Als wohl behütet und glücklich beschreibt sie ihre Kindheit an der Hindenburgstraße, nach der Schule ergatterte sie einen Platz für ein Duales Studium der Betriebswirtschaftslehre in Hamburg. Eigentlich super. Aber: „Ich habe das gemacht, weil es alle machten“, lautet ihr Fazit heute. „Weil man damit ,etwas werden kann‘. Und weil mir klar war: Ich muss etwas leisten, ich will Karriere machen.“ Oder muss? Ganz sicher ist sie da selbst nicht.
Höher, schneller, weiter: Sina Knöll war Teil der Leistungsgesellschaft
Höher, schneller, weiter: Sina Knöll war Teil der Leistungsgesellschaft. Strengte sich an, rackerte sich ab. Machte alles gut, was von ihr gefordert wurde. Und belohnte sich für ihren Bachelor-Abschluss des Dualen Studiums mit einem weiteren Jahr Studium – allerdings in Italien.
Danach schloss sie einen Masterabschluss in Hamburg an, weil sie hörte, dass Konzerne mehr zahlen, wenn jemand mit einem Master kommt anstelle eines Bachelors. „Ich habe mich unheimlich unter Druck gesetzt, die ganze Zeit“, erzählt Sina Knöll. „Immer wieder wollte ich mich beweisen. Und eigentlich nur, weil ich unsicher war und unachtsam mir selbst gegenüber.“ Letzteres freilich ist ihr erst heute klar.
Vier Monate reiste sie, allein: Finnland, nach Spanien, Costa Rica, Mexiko, Kolumbien
2018 nahm sich Sina Knöll die Auszeit, nach der sie ihr Leben änderte. Sie begann mit einem Sabbatical als Sonderurlaub der Unternehmensberatung, bei der sie damals arbeitete, kündigte ihre Hamburger Wohnung, stellte ihre Sachen bei ihren Eltern unter. Vier Monate lang reiste sie, allein, nach Finnland, nach Spanien, Costa Rica, Mexiko und Kolumbien. Die Reise selbst war bereits der erste Schritt, die weiteren waren Coachings und Seminare zur Persönlichkeitsentwicklung.
„Allein die Gespräche mit anderen Menschen im Ausland haben mir total geholfen“, erzählt sie. „In Costa Rica sagte mir jemand: Ihr Deutschen wisst, wie man arbeitet. Er meinte das total positiv und anerkennend. Ich aber dachte: Ja, wir können gut arbeiten. Aber wir wissen nicht, wie man lebt. Ich jedenfalls wusste es damals nicht.“
Privilegiert aufgewachsen, sehr gut ausgebildet – und trotzdem unzufrieden
Privilegiert aufgewachsen, sehr gut ausgebildet – und trotzdem unzufrieden: Das kann doch wohl nicht wahr sein, dachte sie sich. Da stimmt doch etwas nicht. Überzeugt von der Wirkung der Seminare, die sie besuchte, ließ sie sich nach ihrer Reise selbst zur Trainerin ausbilden. Zog zurück nach Lüneburg und machte sich 2019 als Coach selbstständig.
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Ab dem 4. September geht sie noch einen Schritt weiter: Da eröffnet ihr Studio. „Im Fitnessstudio geht es um den Körper, in meinem Studio geht es um das Innere“, sagt Sina Knöll. „Wir brauchen die Einheit von Geist, Seele und Körper. Unsere Gedanken und Gefühle bestimmen unser Wohlbefinden und haben einen massiven Einfluss auf unsere Gesundheit – und unser Aussehen.“
Gelassenheit – und immer wieder Resilienz: „All das brauchen wir alle.“ Eines ist Sina Knöll aber dennoch wichtig zu sagen: „Es geht mir nicht darum, dass wir alle nicht weiterhin fleißig sein sollen. Aber dieser Fleiß darf uns nicht krank machen.“