Lüneburg. In unserer Sommerserie stellen die Regionalausgaben des Hamburger Abendblatts Tagestouren um Hamburg vor. Heute geht es in die Salzstadt.
Die Hansestadt Lüneburg, in der Vergangenheit reich geworden durch Salzgewinnung und Handel mit dem „weißen Gold“, von Kriegsschäden verschont und heute lebendige Universitätsstadt, gilt zu Recht als einer der schönsten Orte Deutschlands. Mir fallen spontan ein halbes Dutzend Ziele ein, die ich in Lüneburg ansteuern möchte. Und dann noch etliche weitere.
Gar nicht so einfach mit der Qual der Wahl. Auto- oder Bahnanreise? Beschränkung auf den Stadtkern oder Einbeziehung der Peripherie? Erkundung zu Fuß oder per Rad? Museumsbesuch oder nicht? Stadtführung ja oder nein? Und schließlich: In welchem der zahllosen Cafés, Bistros, Restaurants einkehren?
Erste Weg führt zur Tourist-Information am historischen Rathaus
Ich entscheide mich, das Fahrrad mitzunehmen und in „Anna‘s Café“ zu frühstücken. Es gibt selbst gekochte Marmelade und delikaten Frischkäse, es ist gemütlich und das Lokal liegt schön in der „Salzstraße Am Wasser“. Ich sitze am Ufer der Ilmenau in Lüneburgs altem Hafen. Vom Ende des 14. bis zum Anfang des 20. Jahrhunderts transportierten Schiffe das kostbare Salz über Ilmenau, Elbe und Stecknitz-Kanal nach Lübeck und Hamburg. Heute hat der Hafen nur noch Bedeutung als romantische Kulisse. Nachgebaute Salzewer und ein historischer Kran erinnern an die Zeit regen Handels. Am Stintmarkt reiht sich ein Lokal ans andere.
Mein erster Weg führt mich zum Rathaus in die Touristeninformation. Ich brauche einen Stadtplan, die Orientierung mit Handy klappt in Lüneburg nicht besonders gut. Der Marktplatz ist heute leer, nur mittwochs und sonnabends stehen hier bunte Stände mit vielfältigem Angebot dicht an dicht. Jetzt verstellt nichts den Blick aufs imposante historische Gebäude mit Türmchen und Glockenspiel. Man kann das Innere besichtigen, aber ich entscheide mich dagegen. Auch auf eine Stadtführung glaube ich verzichten zu können. Denn kaum aus der Info-Tür, entdecke ich in der Waagestraße gegenüber vom lauschigen Rathausgarten schon eine Sehenswürdigkeit: Das „Schwangere Haus“. Die bauchige Wand entstand durch einen mittelalterlichen Baufehler. Anstatt Mörtel verwandte man Material vom Kalkberg, das Wasser zog und aufquoll.
Der Kalkberg lohnt als Ziel für Naturfreunde
Der Kalkberg ist mein nächstes Ziel, denn der Ausblick soll sehr schön sein. Ich kenne bereits den fantastischen Blick vom Wasserturm. Dessen Aussichtsplattform in 56 Metern Höhe kann man per Aufzug erreichen. Auf den Kalkberg führen nur Treppen, ziemlich viele sogar. Auf halbem Wege treffe ich „Moppel“ und „Anke“ bei der Arbeit. Die Ziegen leisten im Auftrag des NABU Landschaftspflege, indem sie die Vegetation auf dem Berg kurz halten, erzählt mir die ehrenamtliche Ziegenhüterin Josefine Grimm. Der Kalkberg ist schon seit den 1950er Jahren Naturschutzgebiet.
Wo findet sich bloß das berühmte „Tor zur Unterwelt“?
Wieder unten angekommen, suche ich vergeblich das „Tor in die Unterwelt“, ein halb in der Erde versunkenes Gartentor, das besonders eindrücklich das Ausmaß der Erdbewegungen am Fuße des Kalkbergs demonstrieren soll. Die beiden Frauen, die ich nach dem Weg frage, geben sich als Stadtführerinnen zu erkennen. Ich schließe mich spontan ihrer Gruppe an, denn im Fokus der Tour liegen auch die Folgen der jahrhundertelangen Sole-Entnahme: In einem etwa einen Quadratkilometer großen Gebiet der Altstadt sackt der Boden immer weiter ab. Viel historische Bausubstanz musste bereits abgerissen werden, andere versucht man mit hohem Sanierungsaufwand zu erhalten. Wie die St. Michaelis-Kirche, deren Orgel-Prospekt deutlich schräg hängt, deren gewaltige Säulen an den schiefen Turm von Pisa erinnern und deren Gewölbe durch Holzbalken gestützt wird.
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„Genaueres zur Senkung erfahren Sie im Salzmuseum, dort bin ich auch Führerin“, sagt Marianne Peterson, als die Tour nach eineinhalb Stunden beim „Tor zur Unterwelt“ in der abgesackten und deshalb gesperrten Frommestraße endet. Kreuz und quer haben wir die engen Gassen durchstreift. Ich konnte mich nicht satt sehen an Spitzdächern und Treppengiebeln, verzierten Wänden, Erkern und Türen, wuchernden Rosenstöcken. Konnte nicht genug hören von Fakten und Anekdoten. Ohne Führung hätte ich nur einen Bruchteil wahr genommen und erfahren.
In der Fußgängerzone finden sich zahlreiche Cafés und Restaurants
Ich radle zur Innenstadt, um eine Kleinigkeit zu essen. In den Fußgängerzonen darf das Rad zwischen 10 und 18 Uhr nur geschoben werden. Eine der autofreien Zonen ist die Schröderstraße. Dort gibt es besonders viele Lokale. Ich kehre im „Dreiteiler“ in der Unteren Schrangenstraße 2 ein. Zwar habe ich dort nur die Wahl zwischen Quiche und Kuchen. Aber mir gefällt das ausgefallene Konzept: Unten Boutique, im ersten Stock Café, dazu ein bisschen Kunst und Kram. Nach dem Essen bummele ich durch die belebten Einkaufsstraßen, das Rad lasse ich angeschlossen.
Jetzt wäre Entspannung im Grünen gut. Und schon wieder habe ich die Wahl: Kurpark oder Ilmenau-Ufer? Der Kurpark, 1907 nach englischem Vorbild im Süden der Stadt erbaut, bietet hohe Bäume, weite Rasenflächen, schöne Beete, Wassertretbecken und Gradierwerk. Von der haushohen künstlichen Hecke aus trockenem Geäst tropft Sole und sättigt die Luft mit kühler, salziger Feuchtigkeit. Die Ilmenau mit Bootsverleih und Natur scheint mir heute verlockender. „Schröders Garten“ (vor dem Roten Tore 72 b, beim Stadtring) offeriert Tretboote, Kanus und Kajaks.
Nur zwei Kilometer außerhalb erstreckt sich eine wunderbares Naturschutzgebiet
„Ab hier muss man erst einmal flussaufwärts fahren, denn flussab liegt das Mühlenwehr an der Ilmenau und der Lösegraben ist gesperrt“, erklärt die junge Frau an der Kasse. Da radle ich lieber in den Wilschenbruch. 1,6 Kilometer führt der Weg zunächst durch Kleingärten und ein Stück an der breiten Willy-Brandt-Straße entlang, dann taucht linker Hand der Amselweg auf. Ich passiere die hölzerne Brücke über die Ilmenau und bin plötzlich raus aus der Stadt, mitten im Naturschutzgebiet. Durch Wald und Wiesen geht es durch die Ilmenau-Aue. Nahe des Gedenksteins „Loreley“ lasse ich von einem Steg aus die Beine baumeln. Hier und an zwei weiteren Stellen darf gebadet werden. Radler, Spaziergänger, Paddler, kommen vorbei.
Über die sogenannte „Teufelsbrücke“ gelange ich zum Düvelsbrooker Weg und der Beschilderung folgend binnen 15 Minuten (4 Kilometer) wieder in die Innenstadt. Ich genieße den großartigen Rundum-Blick, den „Am Sande“ bietet. Historische Häuser säumen wie Perlen das langgezogene Geviert. Flankiert wird Lüneburgs ehemals wichtigster Warenumschlagplatz im Westen vom prächtigen Gebäude der heutigen Industrie- und Handelskammer. Im Osten ragt die St. Johanniskirche auf. Von hier sind es nur ein paar Schritte zum letzten Ziel: „Mälzer“ (Heiligengeiststraße 43), das urige Brau- und Tafelhaus.
Am Ende des Tage bei Pannfisch und Bier die Erlebnisse Revue passieren lassen
Ich lasse mir Pannfisch und ein frisch gezapftes Pilsener schmecken und ziehe meine persönliche Tagesbilanz: Einige angestrebte Ziele habe ich nicht angesteuert. Darunter das Salzmuseum, Kloster Lüne und das vom Stararchitekten Daniel Libeskind entworfene Gebäude der Leuphana-Universität. Dafür habe ich Ungeplantes erlebt wie die Stadtführung und den Ausflug in den Wilschenbruch. Lüneburg ist überraschend und vielfältig. Hier kann man mehr als einen schönen Tag verbringen.