Winsen. Landrat möchte am 9. Oktober wiedergewählt werden. Wie das gelingen soll und was er von seinem Konkurrenten hält
Das Kreishaus in Winsen, erster Stock, im Konferenzraum neben seinen Amtszimmer: Landrat Rainer Rempe hat knapp eine Stunde Zeit und es war schon schwierig, überhaupt einen Termin in seinem dicht gedrängten Terminkalender zu finden.
An diesem Tag eilt er von einem Treffen mit den Bürgermeistern der Region schnell in den Konferenzraum, um dann weiter zu einer Aufsichtsratssitzung der KWG, der Kommunalen Wohnungsbaugesellschaft, zu fahren. Obwohl die Corona-Fallzahlen wieder steigen, gebe es derzeit sehr viele Veranstaltungen, viele holten nach, was lange nicht ging. „Deshalb ist mein Terminkalender derzeit sehr voll“, berichtet Rempe.
Noch keine feste Strategie in Sachen Wahlkampf
Und daher verwundert es wohl auch nicht, dass er auch in Sachen Wahlkampf, noch keine Strategie verraten kann – dabei ist der Termin bereits am 9. Oktober parallel zu den Landtagswahlen in Niedersachsen. Podiumsdiskussionen, vielleicht sogar ein digitales Format oder Wahlkampf an der Haustür? „Das ist noch nicht abschließend entschieden“, so Rempe, der von den Christdemokraten unterstützt wird und als CDU-Kandidat antreten wird, wie bei der vergangenen Wahl. „Ich darf oder muss den Wahlkampf aus dem Amt heraus machen“, formuliert er es. Das hat Vorteile, aber eben auch Nachteile. „Für mich hat es Priorität, dass meine beruflichen Pflichten nicht unter dem Wahlkampf leiden. Und das bis zum letzten Tag.“
Das ist typisch Rainer Rempe. Viele Wegbegleiter beschreiben ihn als zuverlässig. Verlässlichkeit ist ihm sehr wichtig. Er kann zudem mit einer jahrzehntelangen Erfahrung in der Kommunalverwaltung punkten. Spricht er von seiner Aufgabe als Landrat, also als Chef der Kreisverwaltung in Winsen mit ihren 1260 Mitarbeitern und den vielen Fachbereichen wie Gesundheitswesen, Bauabteilung oder Wirtschaftsförderung, dann betont er: „Es handelt sich hier um eine extrem verantwortungsvolle Position, dieser Verantwortung muss man sich bewusst sein.“
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Seit September 2014 ist der in Cloppenburg geborene Jurist, der vor Kurzem bei seinem Sohn in Madrid seinen 60 Geburtstag feierte, nun Landrat im Landkreis Harburg. Blickt er auf die Zeit in Harburg zurück, sei sie durch viele Krisen geprägt gewesen, die es zu bewältigen galt. Flüchtlingskrise, Corona-Pandemie und nun der Krieg in der Ukraine samt den schwerwiegenden Folgen.
Vielleicht ist es auch so zu erklären, warum Rempe dann im Gespräch doch einmal aus seiner sonst so sachlichen und beherrschten Rolle fällt. Und zwar als sein bislang einziger Konkurrenten zur Sprache kommt – und seine Ideen von einer bürgernaheren und transparenteren Kreisverwaltung.
Rempe hält manche Aussagen für eine Zumutung
Wie Michael Cramm, Sozialdemokrat und Bürgermeister in Tespe, im Abendblatt-Gespräch sagte, wäre seine erste Amtshandlung als neuer Landrat eine Mitarbeiterversammlung, auf der er sein Leitbild einer im Sinne des Bürgers lösungsorientierten Verwaltung gleich allen vermitteln würde. Rempe sagt dazu: „Eine solche Aussage ist eine Zumutung. Wir sind seit Jahrzehnten in der Harburger Kreisverwaltung Dienstleister für den Bürger. Wäre ich Mitarbeiter würde ich das als völlig unangemessen empfinden.“ Cramm hatte auch von Ermessensspielräumen gesprochen, die er mehr im Sinne des Bürgers nutzen wolle. „Das zeugt davon, dass hier jemand keine Ahnung davon hat, wie eine Kreisverwaltung funktioniert“, kritisiert Rempe. Zudem müsse man schon lange suchen, um eine so gut aufgestellte Verwaltung wie die im Landkreis Harburg zu finden.
Zu seinen Verdiensten zählt er die Schaffung eines guten Klimas für Unternehmen. Es gebe viele Neuansiedlungen, eine starke Gründerszene und großes Interesse am Standort im Landkreis Harburg. Dazu habe die Wirtschaftsförderung des Landkreises einen großen Teil beigetragen, so Rempe.
150 Millionen Euro für die Schulen an Investitionen nötig
In den Jahren 2011 bis 2020 seien laut Statistik fast 20.000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden. „In den gewerbeflächenabhängigen Wirtschaftszweigen können wir einen Beschäftigtenzuwachs von 22 Prozent seit 2014 verzeichnen“, berichtet Rempe. Im Vergleich: Der Bundesdurchschnitt liege bei 7,7 Prozent. Für Rempe muss der Fokus auf eine weiterhin so positive wirtschaftliche Entwicklung gerichtet bleiben. „Das ist die Grundlage, um die notwendigen Investitionen für alle anderen Themen zu leisten“, wie er mehrmals betont.
Denn mit Blick in die Zukunft ist sich der amtierende Kreishaus-Chef sicher, dass es noch sehr viel zu tun gibt und das kostet vor allem eins: sehr viel Geld. Allein in den Bereich Schule müssten in den kommenden fünf bis zehn Jahre rund 150 Millionen Euro investiert werden, schätzt Rempe. Steigende Schülerzahlen, Neubau- und Sanierungsbedarf sowie energetische Maßnahmen machten dies nötig.
Landkreis Harburg steht vor zahlreichen Herausforderungen
Hinzukommen Themen wie der demografische Wandel, der den Landkreis Harburg mit einem hohen Durchschnittsalter besonders betreffen würde, sowie der immer intensivere Wettbewerb um Fach- beziehungsweise eigentlich nur noch Arbeitskräfte sowie der damit zusammenhängende Punkt, wie man bezahlbaren Wohnraum in der Region schaffen kann, und das große Thema Klimaschutz samt den jetzt noch mehr in den Fokus gerückten Punkten Energieeinsparung beziehungsweise Energiewende.
In Sachen Klimaschutz hat die Kreisverwaltung einen Fahrplan erarbeitet und kürzlich den Kommunalpolitikern präsentiert. Daraus ist zu entnehmen, dass die Energiekosten für die kreiseigenen Gebäuden 2023 voraussichtlich bei bis zu sechs Millionen Euro liegen könnten, eine Verdopplung zu 2019. Daher wurden nun sämtliche kreiseigenen Gebäude bewertet und ein Plan erarbeitet, welches wann energetisch sinnvoll saniert werden kann und welche weiteren Maßnahmen wie der Einbau von Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung und der Einsatz von Wärmepumpen sinnvoll ist.
Landrat sieht Optimierungsbedarf beim ÖPNV
Auch in Sachen ÖPNV sieht Rempe Potenzial. Zum einen ökologisch gesehen – derzeit fährt nicht ein Bus durch die Region, der über elektrischen oder Wasserstoffantrieb verfügt. Das Problem: Es fehlt schlicht die nötige Infrastruktur also eine Tankstelle für solch einen Bus. Laut Rempe ist auch hier die Frage, wer zahlt das. Der amtierende Landrat sieht da den Bund und das Land mehr in der Pflicht, den Kommunen mit Fördermöglichkeiten unter die Arme zu greifen. Zum anderen sieht Rempe beim ÖPNV Optimierungsbedarf. Mit intelligenten Lösungen müsse man Angebote schaffen, um den Individualverkehr zu reduzieren und gleichzeitig leere Busse zu vermeiden. Man müsse über flexiblere Angebote wie On-Demand-Verkehre, Anrufsammeltaxis und anderes zusammen mit den Gemeinden nachdenken.
„Am Ende ist alles auch eine Frage des Geldes“, sagt Rempe. „Wir sind auf einem guten Weg, aber es bleibt noch viel zu tun.“