Dietrich von Albedyll,Chef der Tourismus GmbH, hat die Hansestadt in Sachen Popularität weit nach vorn gebracht. Ein Porträt.

Eines weiß er schon jetzt: Wenn er den letzten Arbeitstag hinter sich hat, dann gehören Schlips und Anzug der Vergangenheit an. „Das habe ich mir fest vorgenommen“, sagt Dietrich von Albedyll und zupft schnell noch mal die Krawatte mit den grünen Querstreifen gerade, die er an diesem Tag zum dunkelblauen Jackett mit den goldfarbenen Knöpfen trägt. Zu „Mr. Hamburg Tourismus“, wie er branchenintern auch genannt wird, gehörten Businesskluft und klare Kante in den vergangenen 26 Jahren wie die Barkassen zum Hafen.

Albedyll freut sich auf neuen „Lebensabschnitt“

Ende März des kommenden Jahres hört er also auf. Dann übergibt er seinen Job als Geschäftsführer der Tourismus GmbH seinem Nachfolger Michael Otremba, der bislang Marketingleiter des Flughafens München war. Gern hätte Dietrich von Albedyll seinen Vertrag noch einmal um zwei Jahre verlängert, doch die Aufsichtsräte beider Gesellschaften, denen er vorsteht, entschieden sich für eine Neubesetzung, berichtet das Branchenmagazin „fvw“.

Versucht man Hamburgs oberstem Touristik-Werber Worte des Bedauerns über diesen Gang der Geschichte zu entlocken, ist Scheitern an geübter Diplomatie programmiert. „Ich freue mich auf einen neuen Lebensabschnitt“, sagt von Albedyll nach kurzem Blickkontakt mit Sascha Albertsen, seinem jungen Kommunikationschef, der über ihn und die verabreichten Sätze an die Öffentlichkeit wacht. „Ich habe große Lust, weiter zu arbeiten.“

Fünf Bürgermeister und Regierungen in seinem Amt erlebt

Die Pläne dafür sind seit dieser Woche bekannt. Gemeinsam mit Wolfgang Raike, dem Chef der PR-Agentur RaikeSchwertner, wird er ein Beratungsunternehmen mit dem Schwerpunkt Touristik gründen. Auch eine Hotelbetreiber-Gesellschaft mit Partnern ist geplant. „Dass ich nach einem ausgiebigen Frühstück und Surfen im Internet auf den Golfplatz gehe, kann ich mir zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nicht vorstellen“, sagt der 65-Jährige. Und mit einem Lächeln fügt er hinzu: „Davon einmal abgesehen, dass mein Spiel noch stark verbesserungswürdig ist.“

Nun wäre genau das zwar ein Argument, das Trainieren mit dem kleinen weißen Ball auf der Driving Range, wie die Übungsanlage auf Golfplätzen heißt, zu forcieren – als Rentner wäre zudem genügend Zeit verfügbar. Doch sich vorzustellen, ein Dietrich von Albedyll könnte sich von einem Tag auf den anderen aufs Altenteil zurückziehen und nicht mehr als Strippenzieher jenen wichtigen Wirtschaftsmotor antreiben, der der Stadt mittlerweile jedes Jahr 12,6 Millionen Touristen-Übernachtungen bringt, ist schwierig. Eher sind es Kritiker, die sich so ein Mann über die Jahrzehnte in einer Spitzenposition wie dieser gemacht hat, die seinen Abgang herbeiwünschten. Denn einer, der fünf Bürgermeister und Regierungen unter wechselnden politischen Konstellationen überlebt und sich im Haifischbecken der Macht behauptet hat, muss neben dem Willen und den Ellenbogen für den Erfolg auch das Gespür für die richtige Koalition haben.

Albeyll erkannte das Potenzial des Wirtschaftsfaktors Tourismus schnell

So habe er darüber noch nie nachgedacht, sagt von Albedyll. „Wir sind sehr professionell aufgestellt“, gibt er dann zu Protokoll. „In Europa gehören wir mit unserem Unternehmen zum Benchmark.“ Auf einer Fensterbank in seinem Büro steht ein Pokal mit der Gravur „Award“ als Auszeichnung für die erfolgreichen Hamburger Bemühungen in Sachen Tourismus. Er holt ihn und stellt ihn auf den Tisch. Man habe sich unter seiner Führung von Beginn an am Kunden und dessen Wünschen orientiert, also wirtschaftlich ausgerichtet, erklärt er weiter. „Wenn sie das als Kompliment an meine Person verstanden wissen wollen, dann ist es wohl so. Diese Freiheit des Handelns habe ich mir hart erarbeitet.“

Unzweifelhaft gilt Dietrich von Albedyll als Baumeister eines sehr erfolgreichen städtischen Gebildes, entstanden aus einer klassischen Fremdenverkehrszentrale, die 1989 bei seinem Amtsantritt noch 3,78 Millionen Übernachtungen verzeichnete. Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer der Hamburg Tourismus GmbH leitet er seit 2011 auch die Geschicke der Marketing Holding, die neben der Tourismusgesellschaft auch die Wirtschaftsförderung und das Kongressmarketing vereint.

Die Konzentration in einer Hand machte in der Vergangenheit vieles auf dem kleinen Dienstweg möglich. Zudem erkannte er das Zukunftspotenzial des Wirtschaftsfaktors Tourismus zu einer Zeit, als noch abfällig von Freizeitbranche die Rede war, deren Kennzeichen Badelatschen und Bänke mit den eingravierten Namen von Sponsoren waren. Doch das ist lange vorbei. Zwar gehört Hamburg noch nicht zum Kreis der Reiseziele für die internationalen Menschenströme, aber zumindest national und in Teilen auch europaweit hat sich die Hafenstadt in Sachen Popularität nach vorn gekämpft – je nachdem, welche Parameter für das Ranking zugrunde gelegt werden.

Über eine „Second City“ hätte er sich gefreut

Es ist nicht leicht, Dietrich von Albedyll vom Wir zum Ich zu locken, auch nicht mit dem Ende der offiziellen Mission vor Augen. Private Einschätzungen erzählt er erkennbar ungern. Auf der Suche nach veröffentlichten, persönlichen Fakten ist dies zu finden: Verheiratet ist er in zweiter Ehe mit der Dehoga-Geschäftsführerin Ulrike von Albedyll. Kinder gibt es keine. Aber einen elfjährigen Mischlingshund namens Maxime – und den führt Ulrike von Albedyll aus.

Stattdessen also Geschichten, die überwiegend mit dem Erlebnis „Gastsein in Hamburg“ zu tun haben. Beispielsweise die Anekdote, wie er mal wieder mit dem Fahrrad auf eine Tasse Kaffee zu seinem Lieblingsplatz Ponton op’n Bulln in Blankenese fuhr und dort mit einem Schweizer Ehepaar ins Gespräch kam. „Stellen Sie sich vor, die kommen einmal im Jahr für vier Wochen Urlaub nach Hamburg. Weil sie sich in der Stadt so wohlfühlen.“

Dass sich Hamburg nach dem Willen seiner Bürger und entgegen allen Voraussagen nun doch nicht als Gastgeber für Olympische Sommerspiele bewirbt, hat auch den Tourismus-Chef getroffen. „Damit habe ich nicht gerechnet“, sagt er. „Ich bin sehr enttäuscht.“ Es wäre sozusagen die Krönung auch seines Schaffens gewesen, wenn sich die Hansestadt mit ihrer Vision einer nachhaltigen Stadtentwicklung in Konkurrenz mit Paris, Los Angeles und Co. dem Fokus der Weltöffentlichkeit gestellt hätte. Eine Second City eben, wie es in der Beschreibung der Olympia-Bewerbung hieß: überschaubar groß, solide im Finanzgebaren und dennoch interessiert am Mitspielen bei den Großen.

Obwohl er nun bereits im Rentenalter ist, hören die Zukunftspläne nicht auf

„Es hat sich so viel getan in den vergangenen Jahrzehnten“, sagt von Albedyll und meint nicht nur die äußerlichen Veränderungen der Stadt durch HafenCity, Elbphilharmonie, neue Kreuzfahrtterminals, jede Menge Hotels und die Weiterentwicklung von Stadtteilen. „Die Hanseaten selbst sind offener geworden. Und obwohl wir nicht unbedingt sonnenverwöhnt sind, zelebrieren wir inzwischen fast südländische Lebensweise mit unserer Außengastronomie.“

Was nicht einfach zu entwickeln war. Es ist noch nicht allzu lange her, dass im touristisch beliebten Bezirk Mitte blaue Linien auf den Gehwegen die Ausbreitung von Tischen vor Lokalen bürokratisch korrekt begrenzen sollten. „Das ist zum Glück vorbei“, sagt von Albedyll. Die Nachfrage regelt das Angebot. „Allerdings sind viele Restaurants mittlerweile so stark frequentiert, dass man ohne Reservierung keine Chance mehr hat, einen Platz zu bekommen.“ All dies freut den Touristik-Chef mehr, als es ihn stört. Wenn man in Madrid geboren ist, weil der Vater im Auftrag von Siemens dort arbeitete, dann hat man eine Portion Reiselust und südeuropäisches Flair mit in die Wiege gelegt bekommen – auch wenn es noch vor der Einschulung zurück nach Hamburg ging.

Inzwischen ist Dietrich von Albedyll fest in der Hansestadt verwurzelt. Obwohl er die erste Zeit seines Berufslebens nach dem Studium in anderen deutschen Städten verbrachte. „Ich habe mehrere Jahre für die Lufthansa in Frankfurt und Köln gearbeitet“, sagt er. „Natürlich hätte ich auch innerhalb dieses Großkonzerns Karriere machen können. Doch mich hat es gereizt, ein Unternehmen von A bis Z allein nach vorn zu bringen.“ Angebote, Job und Stadt zu wechseln, hat er abgelehnt.

Nun ist er im Rentenalter angekommen. Die letzten zehn, 15 Jahre seien an ihm vorbeigerauscht, gibt er zu. Er habe gar nicht gemerkt, wie die Zeit verging. Angst mache ihm das aber nicht. Er habe ja Zukunftspläne. Vor allem aber: „Finanziell bin ich unabhängig. Auch das ist ein Stück Freiheit.“