Tourismus-Chef Albedyll hatte die Bodenhaftung verloren
Manche Menschen könnte man um ihre Unbekümmertheit fast schon beneiden. Oder um ihre Abgebrühtheit. Wie kann es sein, dass ein mit mehr als 220.000 Euro Jahressalär bestens dotierter städtischer Spitzenmanager glaubt, er könne ungestraft ohne Erlaubnis nebenbei ein privates Unternehmen in derselben Branche gründen und führen? Der Fall des langjährigen und verdienten Tourismus-Managers Dietrich von Albedyll offenbart einmal mehr, wie groß der Realitätsverlust bei Menschen sein kann, die lange in herausgehobener Position arbeiten. Offenbar entsteht da irgendwann das Gefühl, man selbst sei nicht an Regeln gebunden. Oder man verliert die Bodenhaftung, weil man nur von Menschen umgeben ist, die sich nicht trauen, Kritik anzubringen. Oder man meint, durch über Jahre geknüpfte Netzwerke unantastbar zu sein.
Ganz gleich aber, was den Tourismus-Manager bewogen haben mag, sich dermaßen unklug zu verhalten und noch während seiner Zeit bei der Stadt eine private Firma mit einem langjährigen Auftragnehmer der von ihm geführten Hamburg Tourismus GmbH zu gründen – auch der Senat muss sich ein paar Fragen gefallen lassen. Schließlich hatte Albedyll offen gesagt, dass er nach dem Ausscheiden bei der Stadt Ende März mit eigenen Unternehmen operieren wolle, auch mit einer Hotelbetriebsgesellschaft. Da lagen mögliche Interessenkonflikte offen zutage. Dass man ihn dennoch mit dem Hotel-Entwicklungsplan der Stadt beauftragte, erscheint da, gelinde gesagt, überraschend. Es ist ja ohnedies schon problematisch genug, wenn städtische Spitzenmanager mit Insiderwissen und Geschäftsgeheimnissen von einem Tag auf den anderen in die freie Wirtschaft wechseln. Wieso aber muss man den Mann, der morgen Hotels betreiben will, heute noch den städtischen Hotel-Bedarfsplan erarbeiten lassen? Vielleicht kann der Senat das gelegentlich einmal erläutern.
Große öffentliche Unternehmen mit Geschäftsführern, die Jahrzehnte im Amt sind, das ist eine weitere Lehre, tendieren dazu, sich zu verselbstständigen. Damit um sie herum kein Filz entsteht, müssen die von der Stadt entsandten Aufsichtsräte auch wirklich tun, was ihr Job ist: Aufsicht führen.