Architekten stellten sich der Herausforderung, auf kompakten Flächen extravagante Wohnlösungen zu schaffen.
Im Nachhinein kann sie es selbst kaum fassen: Alexandra Bub schaut sicherheitshalber noch einmal in die Unterlagen: Tatsächlich – das Haus, das die Hamburger Architektin für eine Familie in Blankenese entworfen hat, steht auf einem nur 650 Quadratmeter großem Grundstück. „Das war mir gar nicht mehr bewusst“, sagt sie. Dann erinnert sich die 44-Jährige, dass sie ja auch Außenlamellen für die Ostseite des Hauses vorgeschlagen hat, damit dort ungewollte Einblicke durch die Nachbarschaft verhindert werden. Außerdem ordnete sie die Fenster an einer Seite des Hauses so an, dass die Bauherren nicht auf die knallrote Wand einer Turnhalle schauen mussten. „In solchen Fällen weiche ich auch gern auf Oberlichter aus – mit ihnen lassen sich Räume gut belichten.“
Offenbar hat die Architektin alles richtig gemacht. Denn nicht nur die Bauherren fühlen sich in dem 192 Quadratmeter großen Haus mit weiteren 117 Quadratmeter Nutzfläche im Keller wohl, es wurde auch beim Architektenwettbewerb „Häuser des Jahres 2015“, ausgelobt vom Callwey Verlag, mit einer Anerkennung gewürdigt – als eines der besten 50 Häuser in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Bei dem Haus in Blankenese galt es, nicht nur einen Wohn-, sondern auch einen Arbeitsort für die Bauherren zu schaffen. Eine Thematik, auf die sie sich versteht, fand doch auch ein von ihr realisiertes Loft in Hessen in dem Buch „Das Landhaus: 33 ausgezeichnete Villen, Sommerhäuser und Refugien; Architektur-Preis Reiners Stiftung“ lobende Erwähnung.
„So sind auch die Bauherren in Hamburg auf mich aufmerksam geworden“, erzählt die Architektin. Als sie 2011 von Hessen nach Hamburg umzog, bekam sie wenig später den Auftrag, das Haus in Blankenese zu bauen. „Es sollte scharfkantig geschnitten sein, wie die Häuser aus dem Monopoly-Spiel, und es sollte die Atmosphäre eines Arbeitslofts transportiert werden“, erzählt Bub. So entwarf sie ein Haus, das mit seiner rustikalen Klinkerfassade und den typisch loftartig gegliederten, dunklen Stahlfenstern bewusst an eine Schmiede erinnert.
Für den Innenbereich wurden passend dazu raumhohe, profillose Schiebetüren im Erdgeschoss eingebaut. „Analog zur Assoziation Werkbüro ist der Arbeitsbereich zwar optisch Teil dieses Bereichs, kann aber durch Schließen der Glas-Stahlschiebelemente akustisch abgetrennt werden“, erläutert Bub. Ein robuster Kaminblock mit Sitznische hilft, den weiträumig und mit breiten, offenporigen Eichendielen gestalteten Raum zu unterteilen.
Viele Einbauten hat die Architektin für das Haus entworfen. So beispielsweise ein multifunktionales, vier Meter langes Brüstungsmöbel, das im Dachgeschoss als Staufläche dient und den breiten Flur mittels ausziehbarer Tischelemente in einen Bastel- und Kreativbereich verwandelt. Auch die massive Betonarbeitsplatte in der Küche wirkt wie eine robuste Werkbank. Sie unterstreicht den gewünschten Eindruck eines zeitlosen Wohnhauses, in dem gern gelebt und gearbeitet wird.
Allen Wohnräumen ist eigen, dass sie ausgesprochen hell und großzügig, gleichzeitig archaisch und geerdet wirken. „Diese Beschränkung auf Weniges, auf sorgfältig ausgearbeitete Details und die bewusste Arbeit mit natürlichem und künstlichem Licht – das sind meine Werkzeuge“, sagt Bub.
Entrüstung vor dem Glaspalast
Weniger schön empfindet hingegen so mancher Betrachter das von Boris Egli . „Die Bevölkerung reagiert entweder“ Der Architekt vom Schweizer Büro L3P entworfene Wohnhaus für eine Familie. Die Bauherren berichten, dass viele Passanten empört und entrüstet vor dem Glaspalast in einem Schweizer Ort stehen bleiben. Es liegt wohl daran, dass keines der 58 Elemente dem anderen gleicht. Doch auch dieses Gebäude findet eine lobende Erwähnung in dem Buch des Callwey Verlags, denn für die Jury ist es ein Beispiel für moderne Architektur, die sich perfekt in die Fläche einpasst, die dem Bau zur Verfügung steht.
Dieses Gebäude hat nämlich nur eine Grundfläche von fünf mal neun Meter. Mehr Platz hatte der Architekt nicht, nachdem er die gesetzlichen Grenzabstände zum Nachbargrundstück abzog. Die Parzelle galt daher lange als nicht bebaubar. „Das klassische Wohnhaus mit dicken Außenwänden, konventionellen Erschließungstreppen und Verkehrsflächen hatte hier keine Chance“, sagt Egli. Und so entwarf er ein Raumwunder, in dem jeder verfügbare Zentimeter auf der Grundfläche genutzt wird und erkerartige Vorsprünge die Fläche oberhalb erweitern.
Der Clou: In das Gebäude gelangt man über ein betoniertes Carport im Hang, das zu einer 5,44 Meter hohen Eingangshalle im Haus führt. Daran gliedern sich der Keller und der Haustechnikraum. Auch ein Doppelzimmer mit Bad ist in den Hang hineingebaut. Erhellt wird diese Fläche durch ein Oberlicht. Die Fenster des eigentlichen Glasteils sind hingegen nur vorgehängt und haben keine statische Wirkung. Dafür gibt es im Inneren ein Tragwerk aus Stahlbeton, das Decken, Wände und Böden bildet. Selbst das Bücherregal ist Teil dieser Konstruktion.
Egli vergleicht den Aufbau mit dem einer Weinrebe: „Die tragende Mittelwand, die daraus hervorgehenden Podeste und Vorsprünge wirken statisch wie ein Stamm und das Geäst, die Fenster, wie die daran hängenden Trauben. Und das im Hang liegende Untergeschoss verhält sich wie der Wurzelballen des Rebstocks im Erdreich.“ Das passt in die Umgebung: In Sichtweite gibt es einen großen Rebhang und auch die Parzelle selbst war mal Teil eines Weinbergs.
Klassisch eingeteilt sind auch nicht die Stockwerke: Die Zimmer reihen sich mittels einzelner Stufen und Podeste aneinander. Es scheint, als ende der Gang durch das Haus nicht, denn immer wieder schließt sich eine Nische oder ein Raum an. Das Haus bietet ein unglaubliches Raumerlebnis.
Natürlich sind solche Bauten nicht überall möglich, zum einen weil Bebauungspläne strikte Vorgaben zur Optik der Siedlung haben können. Aber auch, weil die zustimmenden Organe nichts damit anfangen können. „Oft scheitern avantgardistische Ideen, weil im Gemeinderat keine Fachleute sitzen. Diese finden dann oft im Hausinneren statt“, weiß Buchautor Wolfgang Bachmann. Doch So sind fließende Grundrisse etwa mit offenen Wohnküchen im Neubaubereich schon Standard. Gebäude wie der Weinstockbau - so ungewöhnlich avantgardistisch er auf die meisten wirken mag -könnten für viele Bauherren und die Kommunen künftig interessant sein. Denn sie zeigen, dass eigentlich jedes kleine, noch so ungünstig erscheinende, Grundstück bebaubar ist – mit den richtigen Entwürfen. Das ist besonders interessant in Ballungszentren, wo sich selbst kleinste Lücken so noch nutzen lassen oder Ganz abgesehen davon, dass kleinere Grundstücke in besseren Lagen natürlich auch eher zu bezahlen sind.Grundstücksteilungen möglich werden.
Bestes Beispiel dafür: Ein Pavillon, der im Garten einer alten Villa errichtet wurde. Auch dieser Bau musste mit wenig Platz auskommen; er besteht im Grunde aus zwei übereinander liegenden Fünfecken. Das untere ist kleiner, wodurch dem Garten so wenig Fläche wie möglich genommen wird. „Die Aufgabe, einen möglichst kleinen Fußabdruck zu hinterlassen, war eine Herausforderung“, sagt Christian Brunner vom ausführenden Architektenbüro Oliv Brunner Volk. „Aber deswegen kamen wir auf das pilzförmige Haus.“
Auch dieses Gebäude fügt sich perfekt in die bestehende Landschaft und vor allem den Baumbestand ein. Das Besondere: Die durchgängigen Glasflächen lassen den Bewohner so fühlen, als lebe, koche, arbeite und bade er in einem Baumhaus mitten im Wald. An allen fünf Ecken können die Schiebefenster auch komplett geöffnet werden. Hier wurde ebenfalls mit einem Kern im Inneren gearbeitet: Es gibt eine einzige Wand in dem Pavillon, an der sich etwa eine Zelle mit Toilette, das Badezimmer und die Haustechnik befinden. Die Fenster hängen nur daran ohne statische, dafür aber mit optischer Wirkung