Warum wir Leistungen unserer Sportelite endlich besser einordnen und mehr wertschätzen sollten.

Und, wie fühlen Sie sich so als Champion? Polieren Sie jeden Tag die Goldmedaille oder ergötzen sich am Blick auf das prall gefüllte Prämienkonto? Wenn Sie nicht verstehen, worum es geht, dann haben Sie wohl am Montag nicht die „Bild“ gelesen.

„Wir sind Weltmeister!“ brüllte uns Deutschlands für ihre extremen Emotionsschwankungen berüchtigte Boulevardzeitung entgegen – und läutete damit den kollektiven Freudentaumel über den überraschenden WM-Triumph der deutschen Basketballer ein. Schon am Sonntag, kurz nach dem Finalsieg über Serbien, hatten sich Claqueure aller Couleur und sogar Bundeskanzler Olaf Scholz in Beifallsbekundungen zu überbieten versucht.

Kommentar: Leistung endlich wertschätzen

Vergessen war da längst, dass es zu Turnierbeginn bis auf echte Sportfreaks niemanden gestört hatte, dass die Spiele der neuen Helden der Nation im Nischendienst Magenta liefen anstatt im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

Und hätte im Viertelfinale gegen Lettland nicht das starke Kollektiv die schwächste WM-Leistung des nun in den Stand eines „Basketball-Gottes“ erhobenen Anführers Dennis Schröder aufgefangen, dann wären am Montag nicht „wir“ Weltmeister gewesen, sondern „die Korb-Versager“ für ihr Ausscheiden mit einer Randnotiz bedacht worden.

Viel wird in diesen Tagen, da die Bundesregierung plant, den Leistungssportetat um fast zehn Prozent von 303 auf 276 Millionen Euro jährlich zu kürzen, über den Stellenwert des Sports in unserer Gesellschaft diskutiert. Erfolge wie der unserer Basketballer können deshalb als Anschauungsunterricht dafür dienen, wie Sport in diesem Land – und damit ist das Verhalten der Mehrheit gemeint und keine Verallgemeinerung Einzelner – rezipiert wird.

Deutschland hat keine Sportkultur

Deutschland ist ein Land, das nicht den Sport an sich liebt, sondern seine Sieger. Als Michael Schumacher die Formel 1 in Grund und Boden fuhr oder Martin Schmitt und Sven Hannawald im Skispringen weiter flogen als die Konkurrenz, waren die Zuschauerzahlen exorbitant. Selbst im Fußball, unbestritten der deutschen Sportfans liebstes Kind, zeigt sich aktuell, wie schnell Hingabe abkühlt, wenn Erfolge ausbleiben.

Eine Sportkultur wie in Nordamerika, Commonwealth- und vielen europäischen Ländern, in denen einheimische Athletinnen und Athleten bedingungslos unterstützt und gerade auch Geschichten von Verlierern mit Hingabe zelebriert werden, hat hierzulande – mit Ausnahme des Schwergewichtsboxers Axel Schulz – keine Tradition.

Wahrnehmung zu selektiv

Vor allem ist in Deutschland, und daran tragen wir Medien einen Teil der Schuld, das Einordnen von Leistung in den Hintergrund gerückt. Wie sonst ist es zu erklären, dass am selben Tag, an dem die Basketballer Weltmeister wurden, der Einer-Ruderer Oliver Zeidler in Belgrad das gleiche Kunststück schaffte, dieser Erfolg aber in den meisten Medien und in der Wahrnehmung der Bevölkerung kaum durchdrang?

Oder warum waren „wir“ nicht auch Ende Januar Weltmeister, als die deutschen Hockeyherren in Indien den Titel gewannen? Und das zwar in einer Sportart, die weltweit deutlich weniger Menschen betreiben, aber in der immerhin die besten Athleten der Welt am Start waren – anders als im Basketball, wo einige Teams, allen voran die USA, auf die Superstars aus der NBA verzichten mussten.

Es ist hier mitnichten das Ansinnen, Erfolge kleinzureden oder Sportarten gegeneinander auszuspielen. Es geht darum, dass es uns endlich gelingen muss, die Leistungen, die unsere besten Athletinnen und Athleten bringen, angemessen wertzuschätzen. Darum, dass wir uns mehr Mühe geben, Rahmenbedingungen, unter denen diese Leistungen erbracht werden, richtig einzuordnen.

Neue Studie gibt zu denken

Um auch zu würdigen, dass eine deutsche Leichtathletin in einem WM-Finale Letzte wird, wenn das Erreichen desselben im Vergleich zu den Voraussetzungen der Konkurrenz eine titelwürdige Leistung darstellt.

Dass der neuen Studie der Deutschen Sporthilfe zufolge drei Viertel der Befragten den Eliteathleten eine Vorbildrolle zuschreiben, sich aber nur gut ein Drittel von diesen entsprechend wertgeschätzt fühlt, muss zu denken geben.

Es ist doch nur Sport, werden all jene sagen, die mit weltmeisterlicher Wirgefühlsduselei sowieso nichts anzufangen wissen. Aber wer die Rolle des Sports für die Gesellschaft verstanden hat, muss dafür kämpfen, dass die vielen Vorbilder gesehen werden, die er hervorbringt – und nicht nur die, die im goldenen Licht glänzen.