Hamburg. In der Hauptstadt sind die Bürger zerrissen. Mit wenig durchdachten Verbote wie dem Anwohnerparken könnte das auch Hamburg drohen.

Die Karte war bundesweit der Hingucker: die Karte der Berliner Wahlbezirke nach der Abstimmung zum neuen Abgeordnetenhaus der Hauptstadt. Diese Wahl bestätigte, was Berlin-Kenner, Politologen und Demoskopen vorhergesagt hatten: Die Stadt ist tief gespalten. Der Kern war auf dieser Karte grün eingefärbt, die Wahlbezirke in einem breiten äußeren Gürtel schwarz.

Berlin ist zerrissen, geplagt, uneins. Innen lebt, wie Meinungsforscher Manfred Güllner es ausdrückt, das eher „schmale Segment der oberen Bildungs- und Einkommensschichten“, wie es auch in anderen urbanen Metropolen zu finden ist, außerhalb der City wohnen die „ganz normalen“ Bürger, die eher wenig im Sinn haben mit Lastenrädern, Carsharing oder sperrigen Sitzmöbeln, die Parkplätze blockieren. Was das alles mit Hamburg zu tun hat? Berlin taugt ganz ausgezeichnet als negatives Beispiel. So sollte sich eine Me­tropole nicht entwickeln. Nur: Hamburg ist auf dem schlechten Weg dahin.

Leitartikel: Die Hauptstadt ist gespalten – könnte das auch Hamburgs Zukunft sein?

Jetzt mag ja jeder, der sich für ein Leben im urbanen Zentrum entschieden hat – und sich die oft horrende Miete für die Altbauwohnung im In-Viertel auch leisten kann –, die grün-rote Verkehrspolitik zukunftsweisend finden. Vor der Tür fahren gleich drei Buslinien ab, die U-Bahn-Station ist zu Fuß gut zu erreichen, die kurze Strecke zum Arbeitsplatz in der City ist auch leicht mit dem Rad zu machen. Wer überhaupt noch ein Auto hat, rührt es lieber gar nicht erst an – den Parkplatz in der Nähe gibt man ungern auf.

Wer sich aber für ein Leben am grüneren Stadtrand entschieden hat, für den taugt das Rad vielleicht noch für den kleinen Einkauf, aber kaum für die Fahrt zur Arbeit. Wer die Kinder transportieren muss, weil der Bus in Vierteln weit entfernt von Hoheluft oder Ottensen zu selten fährt, für den ist der Verzicht aufs Auto keine Alternative. Wer in einer Großsiedlung der Saga mit halbwegs erschwinglichen Mieten lebt, würde vielleicht gern aufs Auto verzichten, kann es oft aber nicht, weil die U-Bahn beim Bau der Hochhäuser vergessen wurde.

Die SPD muss auch Handwerker, Pflegepersonal und andere im Blick haben

Womit wir wieder bei den Parallelen zu Berlin wären. Bei dem grünen Kern und dem schwarzen Ring. Will Hamburg das? Die Spaltung der Stadt vorantreiben? Eine Polarisierung in gutes Rad und böses Auto? Eine Zwangsbeglückung nach dem Motto: Machen wir das Autobesitzen und -fahren nur unattraktiv genug, dann werden die Menschen schon umsteigen? Mit Blick auf die grüne Verkehrspolitik der vergangenen Jahre könnte man das annehmen. Aber will das auch die Bürgermeisterpartei?

Die SPD hat die jüngste Bürgerschaftswahl klar gewonnen – mit ihrem Versprechen, als Volkspartei „die ganze Stadt“ im Blick zu haben. Nur wenn sie das haben will, die ganze Stadt im Blick, gehören auch der Arbeiter, der zur Baustelle muss, der Handwerker mit kleinem Transporter, der Polizist im Schichtbetrieb und die Pflegerin im Nachtdienst in den Fokus.

Anwohnerparken ist keine Lösung, sondern ein Verbot ohne Weitblick

Dass die Stadt zumindest dabei ist, diese Menschen aus dem Blick zu verlieren, belegt nicht zuletzt der Brandbrief der Hamburger Wirtschaft zum Anliegerparken. Gewerbetreibende, die durch behördliches Tun keine Parkplätze mehr in der Umgebung ihrer Firma finden, werden vertrieben. Zumindest nimmt die Stadt das billigend in Kauf, wenn sie jährlich 1000 Parkplätze streicht.

Nächstes Beispiel: Beschäftigte, die in Anwohnerparkzonen (im Schichtdienst) arbeiten, werden behördlich abgezockt, wenn sie für Ausnahmegenehmigungen 250 Euro zahlen sollen. Wer Hamburg zu einer klimaneutralen Stadt machen will, der muss die Menschen überzeugen, statt sie mit Verboten zu gängeln. Oder anders ausgedrückt: Der muss die ganze Stadt im Blick haben und nicht nur den inneren Kern.