Nach ersten Analysen zur Bluttat von Brokstedt müssen nun Konsequenzen folgen.

Eine konsequente Videoüberwachung, ausreichend Sicherheitspersonal in Zügen und auf Bahnhöfen, Zugriff auf alle vorhandenen Daten für alle Behörden, ein konsequentes und betreuendes Übergangsmanagement bei Haftentlassungen, gezielte Hilfe für wohnungslose Straftäter, eine Beschleunigung behördlicher Prozesse – und die zügige Abschiebung von kriminellen Ausländern.

Der Forderungskatalog, mit dem die schleswig-holsteinischen Regierungsfraktionen auf den tödlichen Messerangriff in der Bahn von Kiel nach Hamburg reagieren, klingt wie eine Ansammlung von Selbstverständlichkeiten. Nur: In der Praxis sind die „Schlussfolgerungen“, wie Schwarz-Grün die Analyse nennt, alles andere als selbstverständlich.

Fall Ibrahim A.: Eine Reihe von Fehlern und Versäumnissen

Stattdessen ist gut eine Woche nach dem Messerangriff klar: Es hat gleich eine Reihe von Fehlern und Versäumnissen im Fall Ibrahim A. gegeben – in der Kommunikation zwischen den Länderbehörden und der Stadt Kiel sowie der Kommunikation zwischen Bundesländern und Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Fragen stellen sich auch zu einem Urteil in Hamburg, der Rolle der NRW-Behörden, dem Tempo beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und dem „Rückkehrmanagement“ des Bundes.

Gehen wir chronologisch vor, rückt zunächst Nordrhein-Westfalen in den Fokus. Hier ist Ibrahim A. 2014 aufgelaufen. Je länger er sich in NRW aufhielt, desto dicker wurde die Strafakte. Und was macht das Land, nachdem A. subsidiärer Schutz gewährt worden war – nichts weiter.

Statt die Taten dem BAMF zu melden, das den Schutzstatus hätte widerrufen können, behält NRW die Vorwürfe und Taten für sich. Vermutlich wäre jede Tat für sich genommen auch kein Grund gewesen, A. den Schutzstatus wieder zu entziehen – aber die Bündelung der Vorwürfe hätte das Bild gezeichnet eines Mannes, der immer wieder mit dem Gesetz in Konflikt geriet, statt sich zu integrieren.

Bluttat von Brokstedt: Die Fehler mit Ibrahim A.

Blicken wir dann aufs BAMF: Als die Kieler Stadtverwaltung als nächste zuständige Ausländerbehörde das Bundesamt über neue Vorwürfe gegen A. informiert, kommt Bewegung in den Fall. Nur braucht das BAMF erst Monate, und als es schließlich A. anhören will – das ist Voraussetzung, um den Schutzstatus überhaupt widerrufen zu können –, ist der verschwunden (in Haft in Hamburg). Übrigens: Bis heute, also seit der Einreise des Mannes Ende 2014, ist es dem BAMF nicht gelungen zu klären, ob A. wie behauptet ein staatenloser Palästinenser ist.

Blicken wir auf das Amtsgericht St. Georg: Nach einem Messerangriff im Januar 2022 an der Essensausgabe in einer Obdachlosenunterkunft lautet das Urteil: ein Jahr und ein paar Tage. Nicht nur die Opposition in Hamburg zeigt wenig Verständnis für dieses milde Urteil.

Blicken wir auf den Umgang mit A. in Haft – also auf einen möglicherweise schizophrenen Mann, der fremde Stimmen hört, wo keine sind, der mit der Ersatzdroge Methadon versorgt wird und der offenbar, wie sich auch in U-Haft zeigt, wenig Impulskontrolle hat und zur Gewalt neigt. Auch wenn hier alles juristisch korrekt abgelaufen ist: Bei der Entlassung fehlt A. jeder familiäre Hintergrund, der ihn hätte auffangen können.

Und zum Schluss blicken wir auf die gelebte Rechtspraxis. Ziemlich sicher wäre A., auch wenn alle anderen Versäumnisse nicht passiert wären, noch immer in Deutschland, weil Abschiebungen bei ungeklärter Herkunft kaum möglich sind. Es fehlen klare Regelungen, wie man Straf­täter schneller abschieben kann. Auch solche mit einem befristeten Schutzstatus.