Das Stadthaus im Herzen von Hamburg ist mittlerweile eine Einkaufsmeile. Bemühungen für Erinnerungsort dauern zu lange.
Es ist beschämend. Nein, es ist sehr beschämend und skandalös! Auch 78 Jahre nach dem Ende der NS-Herrschaft ist es der Stadt nicht gelungen, einen würdigen Gedenk- und Erinnerungsort dort zu schaffen, wo Tausende Männer und Frauen von der Gestapo und ihren Schergen gefoltert wurden und viele starben.
Das Stadthaus mit seinen Nebengebäuden, im Herzen der City gelegen, ist heute ein Einkaufszentrum und in „Stadthöfe“ umbenannt worden. An das Grauen des Nazi-Terrors, unter dem zum Beispiel der „Bertinis“-Autor Ralph Giordano gelitten hat, erinnert derzeit immer noch kaum etwas.
Stadthaus: Beschämend und skandalös – Gedenkort für NS-Verbrechen fehlt
Nach Jahrzehnten des weitgehenden Ignorierens ist in den vergangenen Jahren immerhin eine sehr lebhafte Diskussion über die angemessene Form der Erinnerung in Gang gekommen. Doch die ersten Ergebnisse sind von Rückschlägen und Halbherzigkeiten gekennzeichnet.
Das 2019 spektakulär geplante Kunstwerk „Stigma“, das auf dem Pflaster der Straße Stadthausbrücke wie eine Blutspur auf das Leiden der NS-Opfer hinweisen sollte, ist auf die Hälfte der Fläche geschrumpft. Auch ein halbes Jahr nach der Fertigstellung fehlt jeder Hinweis auf den Sinn dieses Mahnmals. Auch wenn eine Beschilderung und Erläuterung geplant ist: Warum ist dafür nicht gleichzeitig mit der Einweihung gesorgt worden?
NS-Geschichte: Kunstwerk fehlt Anbindung an Ausstellung
Und ganz entscheidend: Dem Kunstwerk fehlt die optische Anbindung an den Raum mit der kleinen Ausstellung zur Dokumentation der NS-Geschichte etwa in der Mitte des Gebäudes. Seit dem Aus der Buchhandlung mit dem Café ist die Ausstellung nicht mehr öffentlich zugänglich. Immerhin: Die Stiftung Hamburger Gedenkstätten und Lernorte zur Erinnerung an die Opfer der NS-Verbrechen hat die Trägerschaft übernommen und will, finanziell von der Bürgerschaft unterstützt, bis zum Sommer nach Umbauten dort den Geschichtsort Stadthaus eröffnen.
Die aktuellen Bemühungen um ein würdiges Gedenken an die Opfer der NS-Verbrechen sind anzuerkennen, aber es dauert alles viel zu lange. Es gibt heute kaum noch Zeitzeugen, umso wichtiger ist es, zeitgemäße Formen der Erinnerung und des Gedenkens zu schaffen. Andere Städte – Stuttgart, Frankfurt und erst recht Berlin mit der Topografie des Terrors – sind da deutlich weiter.
Gedenken an NS-Zeit: Warum schafft ausgerechnet Hamburg es nicht?
Nimmt man das jahrelange vergebliche Ringen um eine angemessene Erinnerung an das Konzentrationslager Fuhlsbüttel auf dem Gelände der Haftanstalt hinzu, wird die Frage noch drängender: Warum schafft ausgerechnet Hamburg – die Stadt, die sich so viel auf ihre Liberalität und ihre Weltoffenheit zugutehält – es nicht, das Gedenken an die NS-Verbrechen in das Stadtbild sichtbar einzufügen?
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Ja, die Stadt ist nicht mehr Eigentümerin des Stadthauses, der Stadthöfe, seit der CDU-geführte Senat den Gebäudekomplex 2009 an einen Investor verkaufte. Jede Veränderung muss mit den heutigen Eigentümern abgesprochen werden, das stimmt. Aber als Entschuldigung taugt der Hinweis nicht. Die SPD blieb während der 44 Jahre, als sie im Rathaus regierte und das Gebäude noch im Besitz der Stadt war, in Sachen Gedenkort untätig.
Stadthaus: Geschichtsort braucht überzeugende Lösung
Kultursenator Carsten Brosda (SPD) ist der gute Wille nicht abzusprechen, ebenso wenig das Bewusstsein für die erinnerungspolitische Bedeutung des Ortes. Es ist zu hoffen, dass die Stiftung Hamburger Gedenkstätten, die in Neuengamme sehr gute Arbeit leistet, trotz der relativ kleinen Fläche mit dem Geschichtsort Stadthaus endlich eine überzeugende, öffentlich zugängliche Lösung anbietet. Das kann aber nur der Anfang sein.