Die “Letzte Generation“ erregt Aufsehen. Klima-Kampf muss genau das. Die Klima-Aktivisten stören und sie stören zu Recht.
Im fortgeschrittenen Alter können einen nicht ganz unerhebliche Dinge wie Lebenserfahrung und damit verbundenes Urteilsvermögen leicht dazu verleiten, das Ungestüm der Jüngeren, ihre Drastik und ihr Drängen, als gewohnten, im Zweifel irrationalen Überschwang zu betrachten. Sicher nicht immer zu Unrecht. Die Jungen sollten den Alten, Rebellionsphasen zum Trotz, übrigens gerne auch zuhören: Man könnte ja tatsächlich was lernen.
Den Klimaaktivisten der Letzten Generation sei dagegen and dieser Stelle zugerufen: Hört auch weiterhin nicht zu, zumindest bis auf weiteres. Hört nicht auf Frauen wie die Theologin Margot Käßmann, für die sich in den kontrovers diskutierten Aktionen „eine furchtbar traurige Verzagtheit von jungen Leuten“ zeigt. Hört auch nicht auf Wissenschaftler wie Kai Niebert, der als nur vorübergehend Letzter einer ganzen Reihe von Kritikern erklärte, die Diskussionen über Aktionen und Vorgehensweisen lenkten vom eigentlichen Problem ab.
Die Klimaaktivisten der Letzten Generation stören zu Recht
Mit dem eigentlichen Problem meint er dasselbe wie die Aktivistengruppe: den Klimawandel. Man wirft der Letzten Generation vor, die jetzt auch in der Elbphilharmonie einen ihrer Klebe-Einsätze hatte und den Beginn eines Konzerts verzögerte, sie verbreite Weltuntergangsstimmung und kille den durchaus vorhandenen guten Willen vieler Bürger.
Als bei einer Straßenblockade ein Rettungsfahrzeug im Stau stand, war dies ein willkommener Umstand, verbal in die Vollen zu gehen. Nun wird auch schon vor dem Entstehen einer „Klima-RAF“ gewarnt. Selbst Grünen-Politiker sprechen davon, dass etwa von der Letzten Generation ausgesprochene Ultimaten mit Demokratie nicht mehr viel zu tun hätten.
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Dabei ist es – und irritierenderweise scheinen wir, die wir doch alle mehr oder weniger Umwelt-Heuchler sind, dies immer noch nicht zu verstehen – die Natur, die uns schon vor langer Zeit ein Ultimatum gestellt hat. Die Menschheit tut, das bewies die gerade zu Ende gegangene Klimakonferenz, weiterhin sehr, sehr wenig, um die Erderwärmung aufzuhalten. Man kann das alles ignorieren, unverdrossen weiter ins Auto steigen und in den Flieger – hört man letztere nicht längst wieder in Hamburg genauso oft wie vor Corona?
Man kann wütend werden; man kann etwas riskieren
Man kann in Lethargie, Tatenlosigkeit und Klimadepression versinken: Bringt doch alles eh nix, wenn die Chinesen weiter alles in die Atmosphäre rausblasen, was ihre maßlose Industrie hergibt.
Man kann aber auch wütend werden; man kann etwas riskieren. Man kann sich festnehmen lassen, statt in die Uni oder ins Büro zu gehen. Man kann sich von der zornigen Autofahrermehrheit beschimpfen lassen. Man kann versuchen, gesellschaftlich und generationenübergreifend zu denken anstatt egoistisch.
Jede Aktion des zivilen Ungehorsams ist Notwehr
Jede Aktion des zivilen Ungehorsams ist angesichts des Verderbens, in das der ungebremste westliche Lebensstil unweigerlich führen muss, Notwehr. Manche der Forderungen der Letzten Generation sind in ihrer Radikalität nicht umsetzbar, aber ohne die Lautstärke, mit der die Aktivisten agieren, scheint es nicht zu gehen.
Es sind junge, schöne und ernste Menschen, die mit Wucht, Pathos und Mut auf die Straßen, in die Museen und Konzerthäuser gehen. Menschen, die ganz sicher nicht „verzagt“ sind, denen man abnimmt, dass sie auf Plastik und Auto verzichten, und das nicht nur theoretisch für eine gute Idee halten.
Sie sind von Verantwortung und Moral und einer sehr gerechten Wut getrieben. Sie stören. Sie stören zu Recht, und sie wissen, wofür sie mediale Aufmerksamkeit brauchen.