Hamburg. Aktivisten wollen die Gesellschaft zum Besseren verändern – und erreichen nur das Gegenteil

Es tauchen immer häufiger seltsame Fragen auf, im Zwiegespräch oder Zeitungsartikeln. „Darf man das noch sagen?“ In Redaktionen, dem Schulunterricht oder Universitätsseminar fragen sich immer mehr junge Leute ratlos: „Darf man das noch schreiben?“ Und angesichts einer immer schrilleren Diskussion müssen Eltern sich schon bei Kinderbüchern wie Jim Knopf, Pippi Langstrumpf oder Winnetou kritisch überprüfen: „Darf man das noch lesen?“

Wer diese Fragen für normal hält, hält Freiheit offenbar nicht mehr für normal. Jede dieser Fragen ist ein Alarmruf.

Ist diese Gesellchaft auf die falsche Bahn gekommen?

Denn Meinungsfreiheit, Pressefreiheit oder Kunstfreiheit setzen geradezu voraus, dass man ganz viel darf. Und dieses kleine Wort noch ist geradezu verräterisch – offenbar ist diese Gesellschaft auf einer ziemlich schiefen Bahn angekommen, in der die Freiheit Richtung Abgrund saust.

Was gestern noch ging, geht heute gar nicht mehr. Und morgen wird es verboten. Es soll hier nicht um eine Verteidigung von Bösartigkeiten gehen, von Sexismus, Homophobie oder Ausländerfeindlichkeit. Hass und Hetze waren schon immer indiskutabel. Es wird aber dann gefährlich, wenn eine Gesinnungspolizei beginnt, frank und frei zu entscheiden, wo die Grenzen des Sagbaren, Denkbaren und Lesbaren verlaufen.

Dann wird aus Freiheit rasch Unfreiheit und aus einer demokratischen bald eine autoritäre Gesellschaft. Es ist ein schlechter Treppenwitz der Geschichte, dass diese Gefahr derzeit vor allem von Menschen ausgeht, die unter dem Banner des Guten unterwegs sind. Gerade eine doktrinäre Linke beginnt immer unverhohlener, die Rede- und Meinungsfreiheit zu unterhöhlen.

Meinungsfreiheit als gefährliche Idee

Wer daran zweifelt, sollte das klügste Buch seit Langem lesen. Geschrieben hat es der „Spiegel“-USA-Korrespondent René Pfister, und es heißt „Ein falsches Wort“. Eindrücklich wie verstörend beschreibt er die Situation in den USA, die uns bei dieser Entwicklung noch um einige Jahre voraus sind: Pfister veranschaulicht, wie Aktivisten im Namen von Antirassismus, Gleichberechtigung und des Schutzes von Minderheiten versuchen, demokratische Prinzipien zu untergraben: „die Rede- und Meinungsfreiheit; die Idee, dass jeder vor dem Gesetz gleich ist; den Grundsatz, dass niemand wegen seiner Hautfarbe oder seines Geschlechtes benachteiligt werden soll“.

Es ist eine Entwicklung, die alte Kämpfer für Gleichberechtigung geradezu verstört – dass die großen Erfolge der parlamentarischen Linken von einer doktrinären Linken nun ad absurdum geführt werden. Da gilt Meinungsfreiheit plötzlich als gefährliche Idee, die Machtverhältnisse zementiert, und Weißsein als „bösartiger, parasitenartiger Zustand“.

In Werbespots, beim Kino: Deutschland wird rassistisch dargestellt

Dieses Denken ist längst auch in Deutschland angekommen – da reicht ein Blick ins politische Berlin. Gerade die Grünen treiben hierzulande die sogenannte Identitätspolitik mit Verve voran, mit immer neuen Berufungen für Beauftragte und noch mehr Geld. Allein eine Milliarde Euro, so rechnet der Islamismus-Experte Ahmad Mansour vor, floss seit dem Anschlag von Hanau 2020 in die Bekämpfung von Rassismus.

Die Aktivistin Ferda Ataman wurde auf grünen Vorschlag hin „unabhängige Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung“ – dass sie Deutsche gern als Kartoffeln bezeichnet, war dabei kein Problem. Die CDU-geführte Staatskanzlei in Kiel erstellt nun dem grünen Partner zuliebe „einen Leitfaden für rassismuskritische Sprache“.

Die Geschwindigkeit des Umbaus beschleunigt sich – in Werbespots, beim Kinobesuch, im Buchladen –, überall wird das Narrativ verbreitet, Deutschland sei ein zutiefst rassistisches und minderheitenfeindliches Land. Ausgerechnet der Staat, der großzügiger als alle seine Nachbarn Flüchtlinge aufgenommen hat, gerät unter Generalverdacht. Und deshalb muss noch mehr bekehrt und belehrt, neu gedacht und neu gesprochen werden.

"Alte weiße Männer" als Running Gag

2019 machte sich die Republik lustig, weil Hannover als erste Großstadt das Gendern eingeführt hatte. Nach nicht einmal vier Jahren wird diese Kunstsprache von oben durchgedrückt – wer dagegen ist, gilt schnell als „ewiggestrig“ oder einfach als „alter weißer Mann“. Diese Diskriminierung nach Alter, Geschlecht und Hautfarbe ist ein Running Gag unter den Kämpfern gegen Diskriminierung. Getreu dem Motto: Das wird man doch noch sagen dürfen. Damit die anderen schweigen.