Hamburg. Wer will schon Badezimmer so klein wie früher Speisekammern. Obwohl: Was ist da los im neuen Townhouse meiner Freundin?

Einige schwören ja auf Altbauten. Hohe Decken, Stuck, alte Dielen – das hat ja so viel Charme. Wer will schon in einen gesichtslosen Neubaukomplex ziehen, wenn er eine Wohnung mit Charakter
haben kann?

Altbauwohnungen: Bröckelnde Fassade, marode Leitungen

Nach zwei Jahrzehnten in Altbauwohnungen kann ich nur sagen: Holt mich hier raus! Die prächtigen Jugendstilfassaden haben mittlerweile nicht nur leichte Risse bekommen, sie fangen massiv an zu bröckeln. Schlauchflure, Toiletten, in denen man sich kaum um die eigene Achse drehen kann, Räume, die schon vor der Energiekrise nie wirklich warm wurden, Schwamm, Schimmel, marode Leitungen. Von den alltagsuntauglichen Grundrissen ganz zu schweigen.

Das Hamburger Wohnzimmer ist nur so lange stilvoll, bis die Flügeltür dauerhaft geschlossen werden muss, um im Esszimmer ein Kinderzimmer unterzubringen. Auf der anderen Seite bleibt ein verstümmelter Wohnraum, in dem sich Sofa und Esstisch gegenseitig auffressen möchten und man ab 19.30 Uhr nur noch flüstern kann, um das hinter der undichten Schiebetür schlafende Kind nicht zu wecken.

Zu alt für Altbauwohnungen?

Und wie oft man die charmanten Dielen gerne dem Holzbock zum Fraß vorgeworfen hätte, wenn die dreiviertelstündige Einschlafbegleitung des Babys beim Rausschleichen mal wieder durch den Tritt auf ein knarzendes Brett zunichtegemacht wurde! Überhaupt, diese Holzbalkendecken. Was man aus den Wohnungen über und unter einem alles hört, so gern kann man seine Nachbarn gar nicht haben.

Ich bin zu alt für Altbau. Allein schon das Wort Fußbodenheizung ist Musik in meinen Ohren. Offene Wohn-Essbereiche, Badezimmer, die größer sind als ausgebaute Speisekammern, gerade Wände, viel Beton. Zu allen Seiten. Für mich einmal Neubau mit alles, bitte! Schön clean, wie es heute heißt, ohne dunkle Ecken und böse Überraschungen.

Reparatur am Townhouse: Wer ist zuständig?

Das wollte meine Freundin auch. Doch schon ein paar Wochen nach dem Einzug ins frisch hochgezogene Townhouse fing es im Kinderzimmer an zu müffeln. Reichlich lüften half nicht, der Geruch wurde penetranter. Dann tauchten Flecken an der Zimmerdecke auf. Offensichtliche Diagnose: Die darüberliegende Dachterrasse ist undicht. So etwas lässt sich ja aber schnell beheben. Es muss nur einer machen. Nur wer?

Darüber streiten Bauträger und weitere Gewerke. Denn wie es so ist mit baugleichen Häusern: Natürlich haben das Problem zahlreiche Bewohner der Siedlung. Kleiner Schaden mit großer Auswirkung, und keiner will’s gewesen sein. Da strahlt nur der Schimmel.

Auch Neubauten bieten Probleme

Eine andere Freundin guckt aus ihren dreifachverglasten Fenstern derweil auf einen drei Meter tiefen Graben an ihrer Hauswand. In ihrer Neubausiedlung kommt das Wasser von unten. Und landet im Keller. Darum muss alles neu verschalt werden. Die gerade einen Sommer angewachsenen Hecken, Blumen und der Rasen, tja. Und damit die Baugruben während der Arbeiten nicht geflutet werden, läuft seit Wochen eine Pumpe, Tag und Nacht.

Zum Glück gibt es in Neubauten Lüftungsanlagen, da muss man die Fenster quasi gar nicht mehr öffnen. Dafür hat eine Bekannte einfach mal die Klappen zur Lüftung geöffnet. Soll man ja ab und an reinigen, heißt es. Doch auf diesen Anblick war sie nicht gefasst: In der Anlage wimmelte es von kleinen schwarzen Fliegen. Eimerweise hat sie die dort rausgeholt. Bei jeder Fliege, die seitdem durchs Haus schwirrt, schüttelt es sie.

Charme des Neubaus: Doch nur ein Traum?

Dabei schwirrt es draußen auch fleißig. Denn für besagte Lüftungsanlagen gibt es entsprechende Schlitze in der Häuserfassade, sogenannte Stoßfugen, die nicht nur Luft durchlassen, sondern eine geradezu perfekte Behausung für Wespen darstellen. Der örtliche Kammerjäger ist in der Siedlung ein oft gesehener Gast.

Überhaupt wundert sich keiner der Nachbarn über das ständig hohe Aufkommen an Kastenwagen von Handwerkern aller Art. Bei einer Anwohnerin mussten erst drei unterschiedliche Techniker vorfahren, um herauszufinden, warum es in der nagelneuen Heizungsanlage ständig knallte. „Zu viel Dampf auf dem Kessel“, lautete das Urteil des Fachmanns.

Der Charme des Neubaus, so schnell verpufft er.