Hamburg. Hierzulande scheitert die Verständigung schon an besonderen Codes. Dabei benötigen wir gerade jetzt eine Sprache für alle.
Am Dienstag habe ich mich bei einer Pressekonferenz beim Simultanübersetzen ertappt. Das Seltsame dabei: Die Veranstaltung fand in deutscher Sprache statt – oder das, was heutzutage manche dafür halten mögen. Bei dem neuen Immobilienprojekt Melting Port – ein denglisches Kunstwort aus Melting Pot und Port – in der HafenCity flogen die aufgepumpten Begriffe nur so durchs Kesselhaus, es ging um Smart Houses in der Smart City mit Big Data für Facility Manager und Property Manager.
Die Studentenwohnungen heißen SMARTments, und das neue Lifestyle-Hotel hört auf den Namen House of Beats mit seiner hippen Rooftop-Bar für die HafenCity. Am Ende schwirrte auch dem bodenständigen Oberbaudirektor Franz-Josef Höing der Kopf, der vielleicht angesichts des aufgeblasenen Immobiliensprechs anmerkte: „Häuser stehen immer noch auf der Erde, Bauen ist immer noch eine analoge Sache.“ Es war nach einer halben Stunde der erste Satz ohne Anglizismen.
Abgehobenes Kauderwelsch in der Immobilienbranche
So darf man mit internationalen Investoren reden, aber sollte man so auf einer Pressekonferenz sprechen? Geht es nicht um Stadtentwicklung und darum, die Bürger mitzunehmen? Stattdessen benutzt die Immobilienbranche ein Kauderwelsch, das ähnlich abgehoben ist wie ihre Preise.
Was bedeutet es für eine Gesellschaft, wenn jede Blase ihre eigene Sprache, ihren eigenen Code benutzt? Nun gibt es das schon länger: Rechtsanwälte etwa gehören nicht unbedingt zu den allergrößten Sprachvirtuosen, wenn es um das Verfassen juristischer Traktate geht. Und Behörden haben sich in der Vergangenheit selten um die deutsche Sprache verdient gemacht. Aber abends beim Bier wechselten sie dann doch alle zu einem allgemeinverständlichen Hochdeutsch.
An der Uni befindet sich Deutsch längst auf dem Rückzug
An der Universität befindet sich Deutsch längst auf dem Rückzug. Keiner bei Verstand wird internationale Forschergruppen auf ein „Man spricht Deutsch“ verpflichten. Aber warum streifen einige ihre Muttersprache ab, als sei sie ein lästiger, kratzender Pullover?
Der Blick in das Verzeichnis der öffentlichen Vorlesungen der Universität Hamburg macht sprachlos: Da halten deutsche Muttersprachler für interessierte Bürger Vorträge wie „Vanished from the Pages: The Female Scribe in the Codex Telleriano-Remensis and the Transformation of Mexican Manuscript Cultures in the Early Colonial Period“ oder „Female Contributions to Islamic Text Production and Circulation“ beziehungsweise „Scores as Status Marker. On the Quantification of the Social“.
Besonders gern sprechen deutsche Soziologen und Genderforscher Englisch – drolligerweise genau die Leute, die sonst am liebsten die Sprache mit Gendersternen, Unterstrichen und Doppelpunkten dekonstruieren.
Wie wollen wir Zuwanderer zum Erlernen der deutschen Sprache motivieren?
Nur ein Gedanke noch dazu: Wie wollen wir Zuwanderer eigentlich zum Erlernen der deutschen Sprache motivieren, wenn sich die Elite längst sprachlich vom Acker gemacht hat? Und da wir gerade beim Gendern sind: Jeder darf im Gespräch mit Freunden so reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist und Glottis schlagen, bis der Arzt kommt. Aber zum besseren Verständnis sollten sich Verwaltung, Schulen und öffentlich-rechtlicher Rundfunk an die Regeln des Rats für deutsche Rechtschreibung halten.
Diese gelten grenzüberschreitend und folgen nicht dem Zeitgeist einiger Volkserzieher. Wenn Hamburger Behörden gendern, ist das kein Zeichen einer besonderen Moderne, sondern eher ein Rückfall in finstere Zeiten: Es waren Nazis und Stalinisten, die das Neusprech bemühten, was wollen wir Demokraten damit? Bei allen guten Absichten macht das Gendern Sprache unverständlicher und schwieriger. Es zählt nicht mehr, was gesagt wird, sondern nur noch, wie es gesagt wird.
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Inzwischen drängt sich der Eindruck auf, jede Blase führe nur noch Selbstgespräche. Parallel zum Zerfall der Gesellschaft legen sich viele eine Privatsprache zu, in der es wichtiger ist, Haltung auszudrücken als Gedanken, in denen es nicht darum geht, verstanden zu werden, sondern nur noch darum, gehört zu werden. Sie wird Mittel der Selbstinszenierung und Abgrenzung.
Wir sind aber an einem Punkt angekommen, wo es weniger um das Ich und mehr um das Wir gehen muss. Vor einem Winter der Zumutungen müssen alle zu einer Sprache zurückfinden, die verstanden wird. Und deshalb sollte ein jeder so reden, dass alle ihn verstehen.