Hamburg. Die Hamburger Ticket-Affäre endet mit einem richtigen Signal – aber auch Fragen an die Justiz. Ein Kommentar.

Wer hätte ahnen können, wie falsch Mick Jagger lag: dass dieses Konzert der Stones vor 1673 Tagen im Stadtpark zumindest für die Justiz eben nicht nur Rock and Roll war – und neben Hamburger Musikgeschichte auch eine einmalige politische Affäre schrieb. Dass 103 Strafverfahren folgen würden, viereinhalb Jahre der Ermittlungen, Anklagen, Geldstrafen und Fragen, die vielleicht nie geklärt werden. Dass Beteiligte von dunklen „Machenschaften“ im Bezirksamt Nord sprachen und jetzt erst das Urteil gegen dessen damaligen Chef Harald Rösler folgte. Und dass es nach alledem so wenig überwältigend ausfiel.

Keine Freiheitsstrafe, nur eine Zahlung von 21.600 Euro. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Harald Rösler ohne die nötige Genehmigung Freikarten für das Konzert verteilte. Aber ein größeres Komplott, ein klares Quidproquo mit dem Veranstalter, sah das Strafgericht eben nicht. War es den langen, mühevollen Weg zu dieser Erkenntnis wert?

Ja, sagten gestern Ermittler – und das ist wenigstens in der Theorie richtig. Bei den „Indianern“, niederen und mittleren öffentlichen Bediensteten in der Verwaltung oder Unternehmen wie der Stadtreinigung, zeigt die Justiz wenig Gnade. Wer Geschenke annimmt, die über absolute Kleinigkeiten hinausgehen, wird verfolgt und bestraft. Bei den Häuptlingen aber ist die Lage häufig anders. Will man hier mögliche Vergehen bis ins Detail aufklären, muss man komplexe Zusammenhänge durchdringen. Zeit und Ressourcen investieren. Von beidem haben das Dezernat Interne Ermittlungen wie die Staatsanwaltschaft chronisch zu wenig.

Rolling-Stones-Affäre: Justiz zeigt Zähne

In diesem Fall hat die Justiz – recht sicher auch wegen des öffentlichen Drucks – dagegen die Zähne gezeigt. Das setzt trotz des Urteils gegen Rösler ein Signal, das nachhallt. Wie schon der Bundesgerichtshof festgestellt hat, dürfen Amtsträger eben nicht überall kostenlos in der ersten Reihe sitzen, solange sie nur vage auf „Repräsentationsaufgaben“ verweisen können. Die Stones-Affäre hatte auch Folgen über das Gerichtsverfahren hinaus. Für die Kontrolle der Ticketvergabe bei Kulturveranstaltungen, unter anderem auch in der Alsterdorfer Sporthalle. Für das Bewusstsein, dass besonders große Ereignisse auch eine besondere Möglichkeit für Schmu und Selbstbereicherung bieten können.

Und doch ist dieser Ausgang für die Staatsanwaltschaft eine Niederlage. Mit zunehmender Dauer der Ermittlungen hat sich die Staatsanwaltschaft in der Affäre auch verrannt. Es gab zwar rückdatierte Schreiben und Versuche, die verschenkten Tickets als „Arbeitskarten“ schönzureden. Vom wesentlichen Grund der aufwendigen Strafverfolgung – dem Vorwurf der Bestechlichkeit gegen Rösler – musste die Staatsanwaltschaft schon vor dem Urteil abrücken, ehe das Gericht nun auch beim Strafmaß noch weit unter der Forderung der Staatsanwälte blieb.

Die Stones-Affäre gesellt sich damit in eine Reihe von Verfahren wie dem Fall Bakery Jatta, in denen die Staatsanwaltschaft einem großen Verdacht nachrannte, ihr langer Atem sie aber nicht über die Ziellinie brachte. Auch zur Stones-Affäre sind aus dem Apparat Zweifel zu hören, ob die Ermittlungen mit genügend Personal unterlegt waren. Und wieder muss sich die Staatsanwaltschaft auch fragen lassen, ob sie angesichts knapper Ressourcen die richtigen Prioritäten setzt.

Ohne ihm zu nahe zu treten: Mick Jagger wird den Ausgang dieser Affäre nicht verfolgt haben. Es bleibt zu hoffen, dass auch der Stadt das Konzert in stärkerer Erinnerung bleibt als sein Nachspiel. Denn es ist richtig, in Hamburg noch stärker auf das Gebaren der Verwaltung zu achten. Aber auch, besondere Ereignisse möglich zu machen.