Hertha BSC geht den HSV-Weg und zeigt, dass das Hamburger Beispiel mit Klaus-Michael Kühne nicht Warnung genug war.

Lars Windhorst war anzumerken, dass er sich auf dem Podium des Presseraums von Hertha BSC nicht so wirklich wohlfühlte. Dabei referiert der Unternehmer aus Ostwestfalen mit Wohnsitz in London normalerweise in ganz anderen Räumlichkeiten.

Windhorst wollte schon im Alter von acht Jahren in die Wirtschaft. Mit 16 gründete er seine erste Firma. Über seine Investmentgruppe Tennor Holding hat er im November 2019 seine Anteile an der Hertha BSC GmbH Co. KGaA auf 49,9 Prozent erhöht und ist nun mit 225 Millionen Euro am Bundesligisten aus Berlin beteiligt.

Windhorst erklärt Rücktritt von Klinsmann

Windhorst ist der Prototyp eines Unternehmers. Am Donnerstag aber sitzt er vor zahlreichen Sportjournalisten und erklärt den Rücktritt seines Vertrauten Jürgen Klinsmann als Trainer der Hertha. Windhorst wirkt wie ein Sprechroboter. Er redet von Mittelklasse, vom oberen Segment, von Kapitalmaßnahmen, Dividenden und Cashflow-Investment. Und dann sagt er den Satz, an dem sich er und die Hertha noch häufig werden messen lassen: „In diesem Jahr geht es um den Klassenerhalt.

Im nächsten Jahr muss das Ziel Europa sein“, sagte Windhorst nur wenige Tage nach einer 1:3-Heimniederlage gegen Mainz 05 und der peinlichen Posse um Klinsmanns Facebook-Rücktritt. Und dann sagte er das, was man als Unternehmer eben so sagt: „Wir müssen uns hohe Ziele setzen“, so Windhorst. „Anders kann man als Unternehmen nicht arbeiten.“

Erfolg auf Knopfdruck – funktioniert im Fußball nicht

Was Windhorst offenbar noch nicht weiß: Ganz so einfach funktioniert das Fußballgeschäft nicht. Erfolg auf Knopfdruck durch die entsprechende Zutat, nennen wir sie Geld, kann in der freien Wirtschaft zielführend sein. Im Fußball ist sie das nicht. Zumindest nicht auf die Schnelle. Und die 76 Tage von Weltmeister Jürgen Klinsmann als Hertha-Trainer sind dafür ein Paradebeispiel.

Der frühere Bundestrainer hatte in den vergangenen Wochen immer wieder von der Champions League gesprochen. Er durfte 76 Millionen Euro ausgeben, um den Kader zu verstärken. Und ging dann mitten im Abstiegskampf beim ersten Widerstand durch die Hintertür.

Einzug von Investoren hat Auswirkungen

Klinsmanns Aus mag nicht die Schuld von Windhorst sein. Der Vorgang zeigt aber mal wieder deutlich, was der Einzug von Investoren im Fußball auslösen kann. Drittligist 1860 München hat es mit dem Jordanier Hasan Ismaik leidvoll erfahren. Beim KFC Uerdingen feuert Geldgeber Mikhail Ponomarev die Trainer im Dreimonatstakt.

Und beim HSV sorgte die Kaderaufrüstung durch das Finanzierungsmodell mit Investor Klaus-Michael Kühne nicht für die erhoffte Qualifikation zur Europa League, sondern im zweiten Versuch zum Abstieg aus der Bundesliga. Alle Vereine haben in diesem Prozess viel Glaubwürdigkeit bei den Fans verloren.​

Neue Identität dank regionaler Unterstützer

Wie sehr muss es derzeit Spaß machen, Fan von Zweitligist Arminia Bielefeld zu sein. Der Traditionsverein hat mithilfe einer Gruppe regionaler Unternehmen eine neue Identität aufgebaut, die auf dem alten Bielefelder Fußballkern basiert und gleichzeitig die wirtschaftlichen Pro­bleme des Clubs gelöst hat.

Bielefeld steht heute auf Augenhöhe mit dem HSV. Dort dürfte die Transferoffensive aus dem Sommer 2016 mit den Kühne-Millionen am Beispiel Filip Kostic exemplarisch aufzeigen, dass das Fußballfeld mit der Börse nicht vergleichbar ist. Fußballprofis sind zwar heutzutage Aktien, aber sie sind vor allem Menschen.

Kostic blüht in Frankfurt auf

Während der sensible Kostic mit seiner Rolle als Rekordtransfer beim HSV nie zurechtkam und nach nur zwei Jahren mit einem Transferminus von acht Millionen Euro verkauft wurde, blüht er bei Eintracht Frankfurt in einem Wohlfühl-umfeld wieder auf und hat seinen Marktwert auf 38 Millionen Euro hochgeschraubt. Und die Eintracht erhöhte ihren Gesamtmarktwert in den vergangenen fünf Jahren von 60 auf 216 Millionen Euro. Ohne Investor, nur durch Aktivitäten auf dem Transfermarkt.

Ein Weg, den auch der HSV gehen will. Doch dieser Weg erfordert viel Geduld, viel Arbeit und viele gute Entscheidungen. Wenn die Hamburger das nächste Mal darüber nachdenken, ob sie möglicherweise wieder einen Deal mit Investor Kühne eingehen, sollten sie sich das aktuelle Beispiel Hertha BSC ganz genau anschauen. Oder sich einfach an die eigene Vergangenheit erinnern. So lange liegt die nämlich nicht zurück. ​