In der Klimadebatte liegt eine gewaltige Chance für die deutsche Wirtschaft – aber auch eine große Gefahr.
Die Deutschen wähnen sich ja gern an der Spitze des Fortschritts. In welchem Land wurde die Energiewende erfunden? Wer hat Solar- und Windanlagen durch üppige Förderungen konkurrenzfähig gemacht? Wo endet nach der Atomkraft nun auch die Kohleverfeuerung? Und wo wogen Wutwellen höher als hierzulande? Wo fängt man sich wegen des Baus einer Zugsignalanlage Boykottaufrufe ein? Genau! In Deutschland.
Leider sind wir Bundesbürger vorerst nur Weltmeister im Moralisieren. Wenn es um grüne Anwendungen geht, hinken wir inzwischen eher hinterher. Warum rollt ein US-Anbieter wie Tesla den E-Automarkt auf? Hatten wir uns nicht schon vor neun Jahren für die Energiewende entschieden, und galt nicht die deutsche Automobilindustrie als führend? Heute freuen wir uns wie Bolle zu Pfingsten, wenn Tesla eine Fertigung in den märkischen Sand pflanzt.
Deutschlands ökonomisch-ökologische Bilanz ist traurig
Die Batterieherstellung war einstmals eine weitere Leuchtturmbranche in der Bundesrepublik – eine Batterie von Varta war Teil der ersten Mondmission. Um die Jahrtausendwende verkaufte das Unternehmen fast alle operativen Geschäftsbereiche ins Ausland und verabschiedete sich nach mehr als 100 Jahren aus dem Batteriegeschäft. Immerhin ist das Unternehmen mit seinen Mikrobatterien heute wieder Weltmarktführer.
Auch sonst ist die ökonomisch-ökologische Bilanz traurig. Was ist eigentlich aus dem großen Jobversprechen der Energiewende geworden? Hamburg wähnte sich da ganz vorn – und muss inzwischen die Trümmer zusammenkehren. Conergy, Pionier der Solarbranche und zwischenzeitlich Umsatzmilliardär, rutschte 2013 in die Insolvenz – fast die gesamtdeutsche Solarbranche folgte. Inzwischen ist auch der Hamburger Windanlagenpionier Senvion, um den 2007 ein internationaler Übernahmekampf entbrannt war, insolvent. Tausende Jobs in der Branche sind in Gefahr.
Die Bundesregierung hat die Windkraft ausgebremst
Ein Teil der Probleme geht auf die Politik zurück – so hat die Bundesregierung mit der Neuregelung für den Mindestabstand den Ausbau der Windkraft ausgebremst. Aber auch Klagen von Bürgern und Naturschutzverbänden, die natürlich alle die Energiewende wollen, nur eben nicht vor der eigenen Haustür, bedrohen die Branche.
Genehmigungsverfahren für Windräder dauern durchschnittlich 60 Monate – im kommenden Jahr könnten erstmals mehr Anlagen demontiert als installiert werden. So lassen sich weder das Klima noch die Branche retten. Wer auf dem wachsenden Weltmarkt Erfolg haben will, benötigt einen funktionierenden Heimatmarkt. Der aber ist faktisch zusammengebrochen.
Siemens und Fridays for Future – ein sehr deutscher Streit
Themen also, wie die Wirtschaft grüner werden kann und zugleich erfolgreich bleibt, gäbe es genug. Und Geld für Forschungs- und Infrastrukturprojekte ist auch reichlich vorhanden. Stattdessen diskutieren wir, ob Siemens eine Zugsignalanlage für ein steinzeitliches Kohleprojekt in Australien liefern darf.
Sicher hat sich Joe Kaeser maximal blamiert. Und doch ist dieser Streit typisch für Deutschland – als Weltmacht der Moral wird Siemens nun zum Feindbild mancher Öko-Krieger. Das Problem dabei: Australiens Politik ändert man damit kaum. Wie wäre denn ein Travel-and-work-Boykott der Generation Greta gegen Australien? Stattdessen rufen einige zum Siemens-Boykott auf. Wer aber aus Wut seine Waschmaschine von Siemens abbestellt, trifft nur das Unternehmen Bosch, dem die Markenrechte gehören. So rettet man nicht das Klima, aber beschädigt den ganzen Wirtschaftsstandort.
Rettet am Ende der Kapitalismus das Klima?
Wenn deutsche Firmen eine Führungsrolle beim ökologischen Umbau der Wirtschaft spielen sollen, sollte man sie im Wettbewerb nicht schwächen. Dummerweise meinen viele, das Weltklima ließe sich allein auf deutschem Boden retten. Auch Klimaschützerin Luisa Neubauer formuliert an Kaeser und andere Vorstände eine „freundliche Warnung“. „Wir werden euch die Zukunft nicht weiter zerstören lassen“, schrieb sie auf Instagram. Was will sie sonst tun? Die Firmen schwächen? Das wird chinesische Unternehmen aber freuen.
Nachhaltiger als Drohungen ist am Ende ein Umdenken bei den Erzkapitalisten: Blackrock-Chef Larry Fink als größter Vermögensverwalter will „Nachhaltigkeit zu einem wesentlichen Bestandteil unserer Portfoliokonstruktion und unseres Risikomanagements machen“. Rettet am Ende der Kapitalismus das Klima? Eine schöne Volte wär’s