Hamburg. SPD, Grüne und CDU befürworten Forderung der Umwelt- und Naturschützer. FDP ist dagegen: Feuerwerk ziehe Touristen an. Die Debatte.

Feinstaubbelastung in der Luft, Stress für Tiere, viel Arbeit für Feuerwehr und Polizei: Umwelt- und Tierschützer haben ein Verbot der Silvesterböllerei gefordert. „Die Feinstaubwerte und andere giftige Luftschadstoffe erreichen in der Silvesternacht Spitzenwerte, sagt Paul Schmid vom Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) Hamburg. „Außerdem leidet die Natur aufgrund der flächendeckenden Vermüllung sowie des Lärms, der viele Tiere in Angst und Schrecken versetzt.“

Der Vorschlag der Naturschützer: Statt der privaten Knallerei soll es ein offizielles, professionelles Feuerwerk in Hamburg geben. Zuvor hatte die Deutsche Umwelthilfe knapp 100 Städte, darunter Hamburg, Hannover, Bremen und Kiel, aufgefordert, die Böllerei zu verbieten.

Auch SPD, CDU und Grüne in Hamburg machen sich stark für spezielle Bereiche, in denen es keine privaten Feuerwerke mehr geben soll. Dirk Kienscherf, Vorsitzender der SPD-Bürgerschaftsfraktion, sagte: „Ein Ansatz wäre, ein zentral organisiertes Feuerwerk und im Gegenzug die privaten Feuerwerke einzuschränken.“ Ähnlich stellen es sich die Grünen vor.

Verbot am Jungfernstieg denkbar

„Wir wollen niemandem den Spaß verderben. Aber ich finde es aus Sicherheitsgründen richtig, dass es an zentralen Orten der Stadt keine private Knallerei mehr gibt, sondern öffentliche Feuerwerke gezündet werden. Da käme zum Beispiel der Jungfernstieg infrage“, sagt Anjes Tjarks, Fraktionsvorsitzender der Grünen in der Bürgerschaft.

Ähnlich sieht das CDU-Fraktionschef André Trepoll. Er kann sich vorstellen, an Orten wie der Reeperbahn oder dem Jungfernstieg private Feuerwerke einzudämmen. „Verbotszonen für bestimmtes Feuerwerk und nur an besonderen Gefahrenschwerpunkten kann man diskutieren. Dabei muss dann aber auch klar sein, wie das durchgesetzt wird.“ Für die Polizeibeamten sei die Silvesternacht ohnehin schon eine Ausnahmesituation und stelle eine hohe Belastung dar. „Am Ende ist jeder Einzelne gefordert, verantwortungsvoll und vernünftig mit Feuerwerk umzugehen.“

Aus der zuständigen Umweltbehörde heißt es: „Aus dem Aspekt der Müllvermeidung, der sauberen Stadt und der Kosten für die Reinigung ist es grundsätzlich wünschenswert, das private Feuerwerk einzuschränken.“ Die FDP sieht ein mögliches Verbot kritisch: „Das Hamburger Feuerwerk zieht jährlich Touristen nach Hamburg, ist also auch ein Wirtschaftsfaktor“, sagt Fraktionschef Michael Kruse.

Hunde geraten in Panik

Doch für die Natur leidet laut der Umweltschützer unter der Knallerei – zumal schon Tage vor Silvester Böller und andere Feuerwerkskörper gezündet werden. Egal, ob in ruhigen Gegenden oder in der Stadt. Viele Hunde geraten in Panik, trauen sich gar nicht mehr raus.

„Vögel geraten durch Stress und Angst in Panik und versuchen zu fliehen. Dabei verlieren sie leicht die Orientierung und fliegen gegen Häuser oder Autos. Außerdem verlieren sie durch den ungewohnten Stress unnötig wichtige Energiereserven, die im Winter, vor allem bei Futtermangel und kalten Temperaturen, überlebensnotwendig sind“, sagt Jenifer Calvi von der Deutschen Wildtier Stiftung. Es könne Wochen dauern, bis sich die Tiere von dem Schock erholt haben. „Tiere in der Stadt, wie Igel, Eichhörnchen und Singvögel sind besonders betroffen und nach Silvester werden regelmäßig tote und verletzte Tiere gefunden.“

Der Deutsche Tierschutzbund fordert ein Ende der Silvesterknallerei und Rücksichtnahme auf Tiere. So sollte das Böllern in der Nähe von Waldrändern, auf Waldlichtungen, in Parkanlagen oder Höfen mit Tierhaltung tabu sein.

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Feinstaub kann zu Asthma oder Krebs führen

Der Hamburger Tierschutzverein warnt ebenfalls vor dem Lärm zu und vor Silvester: „Haustiere haben panische Angst, Hunde trauen sich kaum noch raus, Katzen können aus Panik durch gekippte Fenster springen. Wir wollen, dass vor allem die laute Knallerei aufhört“, sagt Sven Fraaß vom Hamburger Tierschutzverein.

Und nicht nur Tiere sind betroffen: „Feinstaub und andere giftige Schadstoffe gelangen in die Luft und erreichen in der Silvesternacht Spitzenwerte. Diese Staubpartikel, die für das menschliche Auge unsichtbar seien, enthielten giftige Schwermetalle, könnten zu Atemwegserkrankungen wie Asthma und sogar Krebs führen“, sagt Paul Schmid vom BUND in Hamburg.

Die Umweltschützer fordern ein offizielles Feuerwerk von Fachleuten. „Dies würde die Luft und Lärmbelastung enorm mindern und hätte im Vergleich zu der privaten Böllerei einen schönen Eventcharakter“, so Schmid. Weil die Bundesregierung für die Sprengstoffverordnung der Feuerwerksregelung zuständig ist, appelliert Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe an das Bundesumweltministerium, sich für eine Änderung der Verordnung einzusetzen.

Laser- und Lichtershow als saubere Alternative

Es gäbe Alternativen wie Licht- und Lasershows. So will man im bayerischen Landshut den Jahreswechsel mit einer Lasershow zu Musik feiern, und in Berlin gäbe es in diesem Jahr nach Angaben Reschs drei Verbotszonen. In Norderstedt hat ein CDU-Politiker einen Prüfauftrag an die Verwaltung formuliert: Im Rathaus solle ermittelt werden, ob Silvesterfeuerwerk im Stadtgebiet verboten werden kann. Und der Lübecker Hagebaumarkt verzichtet in diesem Jahr auf das traditionelle Probefeuerwerk vor dem offiziellen Verkauf, zu dem 1000 Besucher kommen. Im kommenden Jahr verzichtet Marktleiter Jens-Dieter Hass ganz auf den Verkauf von Feuerwerksartikeln. „Wir nehmen Rücksicht auf Tier und Umwelt, und auch viele Menschen mögen das nicht mehr.“

Hamburgs Politik versteht den Wunsch nach Verboten: „Unbestritten belasten die Feuerwerke und Böllerorgien Umwelt, Mensch und Tier in erheblichem Umfang. Daher begrüßen wir jede Maßnahme, die zu einer Reduktion des alljährlichen Geballers führt“, sagt Sabine Boeddinghaus, Fraktionschefin der Linken. Denkbar wäre die Ausweisung von Gebieten, in denen Feuerwerke wegen der hohen Feinstaubproduktion und der Lärmentwicklung nicht mehr erlaubt sind. „Dass das geht, zeigt ja das Verbot in den Vier- und Marschlanden aufgrund der vielen Reetdachhäuser dort vor Ort.“ Bis hin zu einer kompletten Einstellung aller Feuerwerke braucht es aus ihrer Sicht noch mehr Aufklärung und Überzeugungsarbeit.

Ein generelles Verbot kommt derzeit auch gar nicht infrage. „Feuerwerk zu Silvester hat eine lange Tradition und auch die Belastungen für die Luftqualität halten sich in Grenzen, wie eine Untersuchung der Umweltbehörde kürzlich ergeben hat. Daher sehe ich ein generelles Verbot kritisch“, sagt Dirk Kienscherf (SPD). Tatsächlich hat es nach Angaben der Umweltbehörde Überschreitungen von Feinstaub-Grenzwerten kaum gegeben: „Silvesterfeuerwerke erhöhen die Anzahl der Überschreitungstage maximal um zwei Tage. In anderen Jahren ist aufgrund der meteorologischen Situation keine Überschreitung zu verzeichnen“, so Sprecher Björn Marzahn. Ein Verbot aus Gründen der Luftreinhaltung und des Lärmschutzes werde als nicht verhältnismäßig angesehen.

Auf die Tradition von Silvesterfeuerwerken verweist die FDP: „Das Silvesterfeuerwerk ist eine gewachsene Tradition und eine große Freude für jüngere und ältere Menschen“, sagt Michael Kruse von den Liberalen. Ein Verbot sei der falsche Weg, um die Luftqualität in der Stadt nachhaltig zu verbessern, denn die Belastung ist nur temporär. AfD-Fraktionschef Dirk Nockemann: „Wir sind eine freie Gesellschaft und wollen das auch bleiben. Sollte jemand zu dem Entschluss gelangen, sein Geld nicht sinnloserweise mit Böllern in die Luft zu jagen, freue ich mich auch darüber.“