Joachim Löws Mannschaft spielt am Sonnabend gegen Weißrussland vor halb leeren Rängen. Viele Fans fühlen sich vom DFB abgezockt.

51.723 – das ist in dieser Saison die durchschnittliche Zuschauerzahl bei Fußballspielen im Borussia-Park von Mönchengladbach. An diesem Sonnabend wird dort wieder gekickt, doch bisher sind für das Spiel erst 30.000 Karten verkauft. Was ist da los? Ganz einfach, es spielt nicht Borussia Mönchengladbach, sondern nur die deutsche Nationalmannschaft. Nur? Wieso nur? Ist das nicht DIE Mannschaft überhaupt, das Team, hinter dem alle deutschen Fußballanhänger wie ein Mann stehen, ganz gleich, zu welchem Club sie sich sonst hingezogen fühlen?

Ganz offensichtlich ist genau das nicht mehr der Fall. Dass etliche Ränge leer bleiben, wenn die Nationalmannschaft in den hiesigen Stadien spielt, ist längst kein neues Phänomen mehr. Bisher traf dies vor allem bei Freundschaftsspielen zu, die sich nur allzu oft als Muster ohne Wert erwiesen und geprägt wurden durch eine Flut von Absagen von Spielern, die lieber ihre leichten Blessuren pflegen wollten. Zuletzt war dies beim Testmatch in Dortmund gegen Argentinien so, das alles andere als eine Revanche für das WM-Finale 2014 war.

EM-Qualifikation: Die Nationalelf kann kaum scheitern

Natürlich sind auch jetzt die Gegner der deutschen Mannschaft, Weißrussland und Nordirland, nicht gerade geeignet, um sich auf großartige Fußballunterhaltung zu freuen. Doch immerhin kann sich das deutsche Team ja in diesen Spielen für die Europameisterschaft qualifizieren. Aber auch das ist ja längst kein Anlass mehr, euphorisch zu werden.

In der jetzt in die Schlussphase gehenden Qualifikation bewerben sich 55 Nationalteams für 24 Endrunden-Plätze. Anders gesagt: 43,6 Prozent aller Teams werden im kommenden Juni dabei sein, wenn es um den Titel geht. Eine echte Auslese sieht anders aus. Doch die ist offenbar auch nicht gewollt. Das Scheitern prominenter Teams in der Qualifikation ist mit diesem Modus so gut wie ausgeschlossen.

Tickets für 80 Euro, ein Trikot für 150 Euro: Zockt der DFB die Fans ab?

Und doch gibt es zu denken, wenn die Fußballfans ihre Entscheidung, ein Länderspiel zu besuchen, vom Gegner abhängig machen und es nicht mehr reicht, dass die deutsche Mannschaft endlich einmal wieder in der eigenen Stadt auftritt. Bei Kartenpreisen von 60 bis 80 Euro und sogar noch 45 Euro für sichteingeschränkte Plätze werden Schmerzgrenzen nicht nur erreicht, sondern bei vielen überschritten. Dies ist genauso wenig volksnah wie die Trainingseinheiten unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Wenn der Deutsche Fußball-Bund (DFB) dann noch für sein neues Teamtrikot inklusive Spielernamen 149,95 Euro aufruft, darf sich keiner mehr über den Vorwurf der Abzocke wundern. Dass es von diesem Gewand dann auch noch eine minderwertige Fan-Variante gibt, die (mit Namen) „nur“ 109,95 Euro kostet, macht einen erst recht sprachlos.

Doch der DFB ist eben auf die Zahlungen seines Ausrüsters angewiesen und macht dessen fragwürdige Preispolitik mit. Denn längst stehen auch die Sponsoren nicht mehr Schlange. Nachdem der jahrzehntelang treue Partner Mercedes abgesprungen ist, hatte der Verband keine Scheu, das Logo des Dieselskandal-Konzerns VW auf seine Kleider und Werbebanden zu kleben.

Der DFB-Präsident geht lieber auf Tauchstation

Es ist mittlerweile auch schon wieder sieben Wochen her, dass Fritz Keller als großer Hoffnungsträger zum neuen Präsidenten des DFB gewählt wurde. Womit hat er sich in dieser Zeit profiliert? Welche Duftmarken hat er gesetzt, die in der breiten Öffentlichkeit auch wahrgenommen wurden?

Nun ja, es gab kürzlich immerhin einen Gastbeitrag in der „Welt“, in der Keller unter der Überschrift „Die gesamte deutsche Gesellschaft ist überfordert“ feststellte: „Die politische Polarisierung ist ein Problem für den Fußball.“ Welch eine Erkenntnis! Deshalb müsse der DFB jetzt ein Leitbild entwickeln. Das klingt so ganz nach dem Motto: Wenn ich nicht mehr weiterweiß, gründ’ ich einen Arbeitskreis.

Und sonst? Da geht Keller lieber auf Tauchstation, lässt Anfragen nach einer Stellungnahme wie etwa zu den Gesten von Emre Can und Ilkay Gündogan abwimmeln. Es scheint, als sage er lieber nichts als etwas, was ihm Kritik einbringen und ihn zwingen könnte, zurückzurudern. Da hat er offensichtlich aus Fehlern seines Vorgängers Reinhard Grindel gelernt. Sich jetzt ins andere Extrem zu flüchten, kann aber keine Lösung sein.