Hamburg. Der ÖPNV ist auch ein entscheidender Hebel im Kampf gegen den Klimawandel.

Der Zusammenhang zwischen einem S-Bahn-Übergang irgendwo zwischen Neugraben und Stade und dem „Earth Overshoot Day“ erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Aber es gibt ihn.

Dieser „Erdüberlastungstag“ oder auch „Ressourcenerschöpfungstag“ war gestern, am 29. Juli. Umweltexperten zufolge markierte er das Datum, an dem die Menschheit die Ressourcen verbraucht hat, die die Erde innerhalb eines Jahres reproduzieren kann. Mit anderen Worten: Alles, was wir ab heute noch an Wasser, Roh- und Nährstoffen verbrauchen, beraubt uns langfristig unserer Lebensgrundlagen – wobei „wir“ die gesamte Menschheit meint. In Deutschland war der Ressourcenerschöpfungstag bereits am 3. Mai, und wenn alle konsumieren würden wie die US-Amerikaner, brauchte es fünf Erden.

Greta Thunberg und ein Youtuber veränderten die öffentliche Wahrnehmung

Das an sich klingt schon dramatisch. Viel dramatischer ist aber, dass das bis vor Kurzem kaum jemanden interessiert hat. Es mussten erst ein wütendes schwedisches Mädchen namens Greta Thunberg und ein schriller deutscher YouTuber auftauchen, die sich ihrer Zukunft beraubt sehen, damit die breite Öffentlichkeit der Realität ins Auge sieht: Wenn unsere Flüsse im Sommer kaum noch schiffbar sind, wenn um uns herum die Wälder sterben, wenn sogar das gut „belüftete“ Hamburg regelmäßig unter unerträglicher Hitze stöhnt und sich die Asiatische Tigermücke bei uns heimisch zu fühlen beginnt – dann läuft ganz offensichtlich etwas mächtig aus dem Ruder.

Damit wären wir bei der S-Bahn. Mit 750.000 Fahrgästen pro Tag ist sie das Rückgrat des öffentlichen Nahverkehrs im Großraum Hamburg, noch vor U-Bahnen und Bussen. Dieser ÖPNV ist der entscheidende Hebel, um die Menschen dazu zu bringen, weniger Auto zu fahren.

Und die Reduzierung des „motorisierten Individualverkehrs“ wiederum ist einer der einfachsten und wirkungsvollsten Ansätze, wenn es darum geht, das Ruder herumzureißen, damit dieser wunderbare Planet auch für unsere Kinder noch lebenswert ist. Nebenbei lassen sich auf diese Art auch Probleme mit Staus, Lärm- und Luftbelastung reduzieren.

S-Bahnausfälle – gefühlt ist immer etwas kaputt

Doch umsteigen werden die Menschen nur, wenn die Alternative sie überzeugt – und da hapert es bei der S-Bahn gewaltig. An diesem Montag versagte eine Signalanlage an einem Bahnübergang zwischen Neugraben und Stade ihren Dienst, sodass im morgendlichen Berufsverkehr 20 S-Bahnen nicht oder nur verspätet fuhren. Leider kein Einzelfall: Ob Schienen, Weichen, Stellwerke oder Brücken – gefühlt ist immer irgendetwas kaputt. Das Erscheinungsbild vieler Bahnhöfe ist auch nicht gerade einladend, und dass die Bahnen nicht klimatisiert sind, ist bei 35 Grad Außentemperatur eine Zumutung – da muss man sich nicht wundern, wenn viele Menschen lieber wohltemperiert im Stau stehen.

Kurzum: Die S-Bahn ist derzeit wenig attraktiv, und das muss sich schnellstens ändern. Der Senat hat das erkannt, macht inzwischen klare Ansagen, und zumindest der Kapazitätsausbau ist auf den Weg gebracht – gut so. Beim Tempo der Umsetzung ist aber noch viel Luft nach oben. Das liegt auch daran, dass der entscheidende Akteur sich bislang kaum bewegt hat: der Bund. Vor allem auf den Eigentümer der Deutschen Bahn, die wiederum die S-Bahn Hamburg betreibt, muss der Druck erhöht werden, mehr Geld für die Sanierung der maroden In­frastruktur zur Verfügung zu stellen.

Erste Vorschläge liegen inzwischen vor – etwa der von Grünen-Chef Robert Habeck, die Steuern auf Inlandsflüge zu erhöhen und im Gegenzug die Bahn attraktiver zu machen. Ein guter Ansatz, auch weil er schnell umsetzbar ist. Denn der stetig vorrückende Earth Overshoot Day führt uns vor Augen: Viel Zeit zum Umsteuern haben wir nicht mehr.