Wegen Pyrotechnik: Die Partie zwischen St. Pauli und dem HSV stand vor dem Abbruch. Was man daraus lernen sollte.

Es war klar, was passieren würde, sollte jetzt noch ein Rauchtopf oder ein Bengalo gezündet werden. Ein Spielabbruch stand kurz bevor. Wenige Minuten zuvor hatte der ruhig leitende Schiedsrichter Felix Brych beide Mannschaften bereits für einige Minuten vom Rasen geschickt – eine allerletzte Warnung. Und dann das: Als Douglas Santos in der 88. Minute sogar noch das 4:0 für den HSV im Millerntor-Stadion erzielt hatte, flackerte es im Block der Rothosen erneut auf.

Nach kurzem, hektischen Treiben wurde der Bengalo schnell auf den Boden geworden. Kurz vor Spielende noch den eigenen, triumphalen Sieg gefährden? Wenn es noch eines Belegs bedurft hätte, wie viel Leere im Kopf eines Fußballfans herrschen kann: voilà!

Die "Pyrotechniker" interessiert der Schaden nicht

Die Geschehnisse rund um das Hamburger Derby in beiden Fanlagern ließen erneut ernsthaft daran zweifeln, ob es sich für die Vereine überhaupt lohnt, eine argumentative Auseinandersetzung über den (Nicht-)Einsatz von Pyrotechnik zu führen. Die Täter interessiert es offenbar nicht, ob sie ihrem Club finanziellen Schaden zufügen.

Wahrscheinlich finden sie es sogar noch toll, wenn sie, die Minderheit, von den anderen eigenen Anhängern ausgepfiffen und beschimpft werden. Wie die Ultras des FC St. Pauli auf der Südtribüne, die sich von der Gegengeraden wütende „Ihr seid scheiße, wie der HSV“-Rufe anhören mussten.

So wird der Zauber des Fußballs zerstört

Das Abendblatt hat im Februar ausführlich über den Vorstoß des HSV berichtet, Pyrotechnik als Teil der Fankultur zu akzeptieren und mit den Ultras nach gemeinsamen Wegen zu suchen. Nun ist es grundsätzlich immer besser, den Dialog zu suchen, statt nur mit strikten Sanktionen die Gegenseite neu herauszufordern und den Reiz des Verbotenen noch zu steigern. Aber dies gilt nur dann, wenn beide Seiten wirklich an einer Lösung interessiert sind.

Die Frage, die sich prinzipiell stellt, lautet, warum es heutzutage noch einer kleinen Gruppe problemlos gelingt, den Zauber eines Fußballspiels fast zu zerstören und sich wie am Sonntag als Derbyverderber zu betätigen. Denn warum strömen die meisten Zuschauer in die modernen Stadien? Um spannenden, möglichst hochklassigen Sport zu sehen und nicht Wettbewerbe zwischen großen Kindern um das größte und bunteste Feuerwerk.

Und das, um das noch mal festzuhalten, hat nun rein gar nichts mit einer kulturellen Tätigkeit zu tun, sondern ist albern und gefährdet die Sicherheit der Stadionbesucher.

HSV braucht mehr solcher Auftritte

Eines der Kernprobleme ist sicher, dass sich die Ultras in Deutschland über die Jahre eine mächtige Stellung erarbeitet haben und sich die Vereine deshalb selten trauen, mit harten Bandagen gegen diese Gruppe vorzugehen, sie notfalls auszustoßen und dieses auch konsequent umzusetzen. Womöglich müssen auch die Verbände Hilfestellung geben, selbst Punktabzüge dürfen kein Tabu in der Diskussion sein.

Ach so, um Fußball ging es ja auch an diesem Wochenende. Das 2019-Derby wird als eines der bittersten Duelle für den FC St. Pauli in die Geschichte eingehen. Auf dem Nachhauseweg sprachen einige Fans in der U-Bahn davon, dass nur noch das 1:8 gegen den FC Bayern aus der Saison 2010/11 ähnlich schmachvoll gewesen sei. Mut, Leidenschaft, Wille – alle diese Attribute vermissten die Anhänger bei ihrer Mannschaft. So konnte man niemals gegen einen spielerisch deutlich besseren HSV bestehen.

Für die zuletzt formschwache Elf von Hannes Wolf könnte der Derbysieg das erhoffte Signal zum Aufbruch sein. Mehr ist es aber auch nicht. Um den direkten Aufstieg zu erreichen – und nichts anderes muss das Ziel sein – braucht es noch mehr solcher starker Auftritte wie am Millerntor.