Die Große Koalition muss Verkehrsinvestitionen auch rechtlich absichern. Viele Klagen bedrohen wichtige Projekte.

Lamellenbruch auf der A 7, wieder einmal. Gestern kurz vor 17 Uhr kam die Meldung herein. Bis das repariert ist, wird es ein paar Tage lang Staus vorm Elbtunnel geben. Die Autobahn ist eben auch schon ganz schön alt.

Mit den meisten Straßen in Deutschland ist das so. Gäbe es einen TÜV für Straßen, würden viele vermutlich durchfallen. Ab in die Werkstatt,  einen neuen Termin holen. Bei den Schienenverbindungen sieht es nicht besser aus. Insofern ist es höchste Zeit, dass nun etwas passiert.

Ein Erfolg für die Große Koalition

Allerdings sollten wir uns damit nicht zufriedengeben. Und auch für den Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) gibt es keinen Grund, sich zurückzulehnen. Ja, bislang fehlte es oft  am politischen Willen, die Infrastruktur in Ordnung zu bringen. Das scheint jetzt besser zu werden. Und das ist vielleicht sogar ein Erfolg der viel gescholtenen Großen Koalition.

Aber die Sache ist viel zu verfahren, als dass allein der Wille zur Investition reichen würde, um die Infrastruktur zu reparieren und dem zunehmenden Verkehr anzupassen. Denn wir können heute nicht mehr so bauen wie in den 70er-Jahren, als die meisten Straßen, Brücken und Schienen entstanden, die wir heute noch benutzen.

Klagen behindern Verkehrsprojekte

Und auch dies ist eine Meldung von gestern: Vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig klagen zwei Naturschutzverbände gegen den Weiterbau der Autobahn 20 in Schleswig-Holstein. Ist das Wasserrecht bei den Planungen beachtet worden? Wurde der  Naturschutz ausreichend gewürdigt?  Hat man Flora und Fauna ausreichend kartiert?

Es ist interessant zu beobachten, mit welch hoher Erfolgsquote solche Klagen mittlerweile betrieben werden. Dabei sind es oft Kleinigkeiten, die einen Planungsprozess stoppen oder erheblich verzögern. Beim geplanten Elbtunnel nahe Glückstadt war es unlängst eine gerade erlassene Wasserrahmenrichtlinie, die der Bund nach Auffassung des Gerichts einzuarbeiten hatte. Dass im Laufe eines langen Planungsprozesses neue Regelungen hinzukommen, ist nicht verwunderlich. Je länger er dauert, desto öfter wird das der Fall sein. Sie jedes Mal einzuarbeiten, macht Planung allerdings  unmöglich.

Der Wille, Schienen und Straßen zu bauen, ist deshalb wahrscheinlich heutzutage  weniger denn je in der deutschen Geschichte gleichzusetzen mit der tatsächlichen Realisierung. Denn die Machtverhältnisse haben sich verkehrt. Früher konnte der allmächtige Staat ganze  Wohnblocks plattmachen lassen, um Autobahnen oder Schnellstraßen zu bauen.  Viele Schneisen, die durch lebendige Stadtviertel geschlagen wurden, zeugen davon.

Es geht nicht darum, zu diesem Zustand zurückkehren zu wollen. Aber in Deutschland ist in den letzten Jahren etwas aus dem Lot geraten. Straßenplanung  gerät zunehmend in die Defensive – moralisch wie juristisch. Die Naturschutzverbände sind übermächtig geworden. Sie sind materiell gut ausgestattet, verfügen über hervorragend geschulte Mitarbeiter und sind den Planern in den Straßenbauabteilungen teilweise fachlich deutlich überlegen. Sie finden jeden noch so kleinen Fehler, der vor Gericht womöglich alles zu Fall bringen kann.

Verkehrsminister Andreas Scheuer müsste deshalb alles daransetzen, um die Kräfte wieder ins Gleichgewicht zu rücken: Fristen verändern, Klagewege verkürzen, vielleicht das Naturschutzrecht novellieren. Die Große Koalition könnte das jedenfalls viel eher erreichen als eine von vielen herbeigesehnte Koalition mit Robert Habecks Grünen als bestimmende Kraft.