Westerland. 221 Millionen Eurostehen für Ausbau der Strecke Niebüll–Klanxbüll bereit. Wird Autoverladung verlegt?


„Geschafft!“, postete Achim Bonnichsen von der Sylter Pendlerinitiative am Dienstagmittag. Rund zwei Stunden zuvor hatte Bundesverkehrsminister An­dreas Scheuer (CSU) verkündet, was die Initiative, was die Insulaner und viele Politiker seit Langem fordern: Die Bahnstrecke zwischen Niebüll und Klanxbüll soll tatsächlich zweigleisig ausgebaut werden. „Zum ersten Mal in der Geschichte hat der Bund anerkannt, dass dort etwas geschehen muss“, formulierte Schleswig-Holsteins Verkehrsminister Bernd Buchholz (FDP).

221 Millionen Euro will der Bund ausgeben, um Sylts Nabelschnur endlich leistungsfähiger zu machen. Mit dem zweiten Gleis zwischen Klanxbüll und Niebüll wäre die Strecke stärker nutzbar, mehr Züge könnten verkehren, die Gefahr von Ausfällen würde sich verringern. Mit anderen Worten: Die vom Tourismus lebende Nordseeinsel wäre ihre Verkehrssorgen los. „Es ist sehr, sehr positiv, dass uns der Bundesverkehrsminister in den vordringlichen Bedarf des Bundesverkehrswegeplans aufgenommen hat“, sagte deshalb Moritz Luft, Chef des Sylt Marketing.

Wichtige Projekte erhalten Stempel „vordringlicher Bedarf“

Dass es dazu gekommen ist, gleicht einem kleinen Wunder. Der Bundesverkehrswegeplan, kurz BVWP, verzeichnet alle Verkehrsprojekte, für die der Bund in den kommenden 15 Jahren Geld bereitstellt. Kommunal-, Landes- und Bundespolitiker tun alles, um mit ihren regionalen Bauvorhaben in den BVWP hineinzukommen. Allerdings hat der Plan einen Haken. Die wirklich wichtigen Projekte werden in die Kategorie „vordringlicher Bedarf“ einsortiert, alle anderen aber bekommen das Etikett „potenzieller Bedarf“ – und haben schon allein damit nahezu keine Chance auf Verwirklichung in dem genannten Zeitraum von 15 Jahren.

Der zweigleisige Ausbau der rund zwölf Kilometer langen Bahnstrecke Niebüll–Klanxbüll war aus Sicht des Bundesverkehrsministeriums lange kein wirklich wichtiges Vorhaben. Deshalb landete es 2016, als der bis 2030 reichende neue BVWP aufgestellt wurde, nur im potenziellen Bedarf. Motto: Wenn wir das Geld hätten, würden wir es machen.

Und dann kam auch noch Glück hinzu

Dann geschah zweierlei. Die Bahn AG hatte immer größere Schwierigkeiten, auf dem Hindenburgdamm einen auch nur einigermaßen zuverlässigen Verkehr aufrechtzuerhalten. Ein Autozug-Konkurrent erschwerte die Fahrplan-gestaltung und -einhaltung, die neuen Loks erwiesen sich als unzuverlässig, die neuen Waggons mussten nach einem Kupplungsschaden allesamt für lange Zeit in die Werkstatt, am Gleiskörper war lange nichts mehr gemacht worden, hinzu kam ein allgemeiner Lokführermangel.

Das alles rief zweitens einen immer stärker werdenden Protest hervor. Die Pendler beschwerten sich, die Sylter Politik schloss sich an, die Tourismuswirtschaft bangte um den Ruf der Insel, Medien berichteten über das Verkehrschaos auf dem Hindenburgdamm, die Landesregierung, allen voran Verkehrsminister Bernd Buchholz, machte Druck in Berlin.

221 Millionen stehen für Niebüll–Klanxbüll bereit

Und dann kam auch noch Glück hinzu. Weil die Steuereinnahmen Jahr für Jahr stiegen, beschloss der Bundestag, den BVWP mit mehr Geld auszustatten. Was dazu führte, dass der Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer am Dienstag stolz verkünden konnte: Von den 44 Vorhaben der Kategorie „potenzieller Bedarf“ rücken 38 in den „vordringlichen Bedarf“ auf.

221 Millionen stehen für Niebüll–Klanxbüll nun bereit. Wobei der Bund mit diesem Geld nicht nur ein weiteres Gleis verlegen will, sondern auch den kurzen, auf der Insel selbst liegenden Abschnitt zwischen Morsum und Tinnum ausbauen und auch an der Autoverladung in Westerland etwas ändern will. Was genau, blieb am Dienstag unklar. Möglicherweise läuft es auf eine Verlegung der Verladerampe in Richtung Hindenburgdamm hinaus. Landesverkehrsminister Bernd Buchholz sagte: „Ob Westerland der perfekte Standort für die Autoverladung ist, sollte geprüft werden.“

„Planen, bis wir Baureife haben“

Die Landespolitiker zeigten sich am Dienstag erfreut über die Entscheidung des Bundes. Der CDU-Landtagsabgeordnete Hans-Jörn Arp sagte: „Damit ist der Bundesverkehrsminister den Forderungen der Jamaika-Koalitionspartner gefolgt und stellt folgerichtig die Weichen für eine längst überfällige deutliche Verbesserung der Situation auf der Marschbahn und sorgt für eine deutliche Stärkung der Westküste.“ Sein Kollege Kay Richert von der FDP ergänzte: „Neben dem Ausbau der Strecke Brunsbüttel–Wilster inklusive Elektrifizierung und der vierten Bahnsteigkante in Elmshorn wurde auch endlich der zweigleisige Ausbau zwischen Niebüll und Klanxbüll in den vordringlichen Bedarf hochgestuft. Das ist eine erfreuliche Nachricht für das ganze Land.“

Andreas Tietze von den Grünen lenkte den Blick gleich auf die nächsten Schritte. „Jetzt gilt: nicht kleckern, sondern klotzen“, sagte er. „Wir wollen, dass es auf der Marschbahn schnell vorangeht.“

Wie schnell in Niebüll das zweite Gleis in Angriff genommen werden kann, vermochte gestern niemand zu sagen. Minister Buchholz sagte: „Das nächste Ziel lautet: planen, bis wir Baureife haben.“ Und weiter: „Niebüll–Klanxbüll lässt sich schnell anpacken.“