Hansestadt gibt den Vorreiter bei Fahrverboten. Dabei geraten die Fakten aus dem Blick

    Politik ist ein ernstes Geschäft, kommt aber ohne Showeinlagen hier und da nicht aus. Warum auch? Ein bisschen Show unterhält, macht sperrige Themen populär und nebenbei auch den einen oder anderen Politiker bekannt. Hamburg setzt in diesen Tagen Maßstäbe in der Disziplin Show- und Symbolpolitik: Mit den Fahrverboten für Dieselfahrzeuge in der Max-Brauer-Allee und der Stresemannstraße ist die Hansestadt die erste Kommune, die auf das Urteil des Bundesverwaltungs­gerichts reagiert. Die Richter hatten Ende Februar entschieden, dass Fahrverbote prinzipiell erlaubt sind. Die Grünen feiern sich nun als „Vorreiter für Fahrverbote“, und die SPD überrascht mit der Aussage, man habe „keine Fahrverbote, sondern Durchfahrtsbeschränkungen“. Toll, was man mit Sprache alles machen kann.

    Vielleicht aber sollen die metaphorischen Nebelkerzen auch die eigenen Versprechen verschleiern – und die eigene Politik. Wie sagte Olaf Scholz? „Es wird keine Fahrverbote geben. Das wird der Hamburger Senat nicht beschließen, die Hamburger Bürgerschaft auch nicht.“ Die Dieselfahrzeuge, die nun die beiden Straßen nicht mehr passieren dürfen, galten noch vor fünf Jahren als ökologische Weltretter – die Grünen fuhren 2013 mit einer Dieselflotte durch den Wahlkampf, der Gesetzgeber förderte den Selbstzünder mit üppigen Vorteilen.

    Das alles hat VW mit seinem Dieselskandal zerstört. Doch gerade weil das Vorgehen der Wolfsburger so dreist wie töricht war, hat sich die übertriebene Dieselförderung in ein wahres Diesel-Bashing verkehrt.

    Seitdem schlägt die Stunde der Schaufensterpolitik – und Fakten geraten aus dem Blick. Die Stickoxid-Belastung ist seit Jahren in Deutschland rückläufig, seit 1990 hat sie sich mehr als halbiert. Das will aber kaum einer hören. In den vergangenen Jahrzehnten ist die Luft deutlich sauberer geworden. Mittlerweile wird in Deutschland kein europaweiter Grenzwert für Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid, Benzol und Blei mehr überschritten.

    Gerade deshalb kämpfen Verbände wie die Deutsche Umwelthilfe so verbissen gegen das Stickoxid. Hier wird noch an mehr als jeder zweiten Messstation in Deutschland der Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter gerissen. Damit lässt sich wunderbar Politik machen. Das Problem dabei: Die Höhe des Grenzwerts ist mehr als umstritten. In den USA liegt er bei 103 Mikrogramm, an deutschen Industriearbeitsplätzen sind 950 Mikrogramm erlaubt, in der Schweiz sogar 6000 Mikrogramm. Trotzdem wird mit un­seriösen Hochrechnungen Stimmung gemacht, wonach durch Stickoxide jährlich 12.000 vorzeitige Todesfälle verursacht werden. Wer mit solchen Horrorzahlen agiert, braucht sonst keine Argumente mehr.

    Dabei ist wirksamer Umweltschutz das Gegenteil von Schaufensterpolitik. Er analysiert Interaktionen, sucht nüchtern nach Lösungen. Feinstaub- und Stickoxidbelastung etwa hängen eng zusammen. Wer das eine über höhere Motortemperaturen reduziert, erhöht den Ausstoß des anderen. Und durch die derzeit populäre Dieselaustreibung wächst wieder der Ausstoß des Kohlendioxids. Der Klimakiller aber schreckt derzeit kaum, weil nun Stickoxide in Mode sind. So kommen auch halbgare bis widersinnige Ideen zur Umsetzung, die dann noch als „Pioniertat“ geadelt werden: Bald werden dreckige Dieselfahrzeuge in Hamburg Umwege fahren müssen, mehr Abgase ausstoßen und mehr Anwohner reizen. Wer das Umweltschutz nennt, hält die Erde vermutlich für eine Scheibe.