Berlin. Diesel-Pkw dürfen bald in Hamburg nicht mehr alle Straßen befahren. Für Experten ist das erst der Anfang. Weitere Städte werden folgen.

Als erste deutsche Großstadt verhängt Hamburg Fahrverbote für Diesel-Pkw und -Lkw auf bestimmten innerstädtischen Straßen. Experten erwarten, dass bald weitere Städte dem Beispiel folgen werden. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Warum kommt das Fahrverbot?

Mit Fahrverboten wollen vor allem Großstädte versuchen, die Stickoxidbelastungen der Luft zu senken. An den Messstellen darf ein Wert von 40 Mikrogramm im Jahresmittel nicht überschritten werden.

Das Kraftfahrtbundesamt schätzt, dass Diesel-Pkw gut 70 Prozent der Stickoxide in der Luft an Straßen ausstoßen. Die Gase gelten im Übermaß als giftig. Die EU hat vergangene Woche ein Verfahren gegen Deutschland eingeleitet, weil die Bundesregierung bisher nicht genug getan hat, um die Luft sauberer zu machen.

Warum ist Hamburg die erste Stadt, die Fahrverbote erlässt?

Hamburg hat bereits im Juni 2017 Fahrverbote für bestimmte, stark befahrene Straßen geplant. Die Max-Brauer-Allee wird vom 31. Mai an auf 570 Metern für ältere Diesel-Pkw und -Lkw gesperrt, die Stresemannstraße, die Verbindung von der Autobahn 7 zur Innenstadt, nur für ältere Diesel-Lkw.

Welche Fahrzeuge sind betroffen?

In Hamburg sind alle Diesel-Pkw betroffen, die nicht der neuesten EU-Abgasnorm Euro 6 entsprechen. Die Norm gilt seit September 2015. Wer nicht genau weiß, welche Norm das eigene Auto erfüllt: Sie steht im Zulassungsschein im Feld 14.

Wie wird kontrolliert und welche Strafen drohen?

In Hamburg muss die Polizei Fahrzeuge stoppen und die Fahrzeugscheine kontrollieren. Verstöße kosten laut Bußgeldkatalog mit dem Pkw 20 bis 25 Euro, mit Fahrzeugen ab 3,5 Tonnen 75 Euro.

Was bringt das Fahrverbot?

Hamburg und andere Städte hoffen, dass die Luft sauberer wird. Der Deutsche Städte- und Gemeindebund allerdings fürchtet sogar steigende Schadstoff-Belastungen. „Ein solches Verbot führt unweigerlich zu Ausweichverkehr auf anderen Straßen und kann dazu führen, dass die Belastung nicht sinkt, sondern in der Gesamtheit möglicherweise sogar steigt“, sagt Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg.

Auch Ferdinand Dudenhöffer, Autoexperte von der Universität Duisburg-Essen, zweifelt: „Werden einzelne Straßen gesperrt, fahren die Menschen drumherum. Das verschiebt das Problem nur in andere Gebiete.“

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    Welche Alternativen gibt es?

    „Es darf nicht sein, dass Städte die Gesundheit ihrer Bürger nur noch mit Fahrverboten für alte Diesel schützen können“, sagt Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD). Deshalb fördere der Bund den Umbau der städtischen Verkehrssysteme mit mehr Elektrobussen, mehr Platz für Radverkehr und einer besseren ÖPNV-Vernetzung. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) schlägt noch flächendeckende Parkraumbewirtschaftung und weniger Flächen für Autos vor. „Alles Dinge, die eine Kommune beeinflussen kann.“

    Der Bund für Umwelt und Naturschutz fordert eine Umweltzone im Hamburger Zentrum und eine blaue Plakette für saubere Diesel. Damit ließe sich auch einfacher kontrollieren, wer einfahren darf.

    Der Städte- und Gemeindebund hält nichts von Verboten. Damit seien die Probleme nicht zu lösen, sagt Hauptgeschäftsführer Landsberg. So werde der Anschein einer Lösung erweckt und der Blick auf eine zukunftsgerichtete, konstruktive Debatte über eine nachhaltige Verkehrswende verstellt. Notwendig sei, „eine Strategie zur dauerhaften Verbesserung der Luftqualität in den Kommunen zu verfolgen, zu der auch die Autoindustrie als Verursacher entschieden beitragen muss“.

    Die will auch Bundesumweltministerin Schulze einbinden: „Komplett verhindern können wir Fahrverbote aber nur mit wirksamen Software-Updates und Hardware-Nachrüstungen. Hier steht die Autobranche in der Pflicht.“

    Wie lautet die rechtliche Grundlage für das Verbot?

    Im Februar erklärte das Bundesverwaltungsgericht Fahrverbote grundsätzlich für zulässig. Es ging um zwei Verfahren der DUH gegen Düsseldorf und Stuttgart. Fahrverbote für einzelne Strecken sind danach zulässig, Fahrverbote für ganze Bereiche müssten in einzelnen Schritten eingeführt werden. Großflächige Sperrungen etwa für Diesel-Pkw mit Euro-5-Norm wären nicht vor 1. September 2019 möglich.

    Wie wahrscheinlich sind Fahrverbote in anderen Städten?

    Für Dudenhöffer ist klar: „Hamburg ist nur der Beginn der Fahrverbote. Düsseldorf, Stuttgart, Kiel, Köln, München werden mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Verboten für einzelne Straßen folgen. Die Liste ist aber noch länger.“

    Die Deutsche Umwelthilfe klagt derzeit gegen 28 Städte, darunter Berlin, Düsseldorf, Köln, München und Stuttgart, weil die Grenzwerte für Stickoxide 2016 dauerhaft überschritten wurden. Gegen Hamburg allerdings klagt sie nicht. Sollte die DUH Erfolg haben, müssten die Städte reagieren. Wie lange die Verfahren dauern, ist nicht abzusehen. Für die DUH ist aber klar: „Schön, dass jemand anfängt.“

    Lassen sich Diesel nachrüsten?

    Grundsätzlich schon. „Bei der Nachrüstung eines Dieselautos mit Euro-4-Norm ist die Frage, wie hoch der Restwert des Fahrzeugs ist“, heißt es bei der DUH. „Eine teure Nachrüstung lohnt sich wahrscheinlich nur noch bei Fahrzeugen mit besonderen Aufbauten, etwa von Handwerkern.“

    Lohnt es sich, jetzt noch einen Diesel zu kaufen?

    Zahlreiche Autohersteller werben mit Prämien, um Käufer zu locken. Doch nicht jeder neue Diesel ist ein guter Diesel. Branchenexperte Dudenhöffer sagt: „Wer heute einen Diesel kauft, sollte die Pkw mit Euro-6-Norm mit äußerst spitzen Fingern anfassen. Mit dem neuen Euro-6d ist man auf der sicheren Seite. Diese Fahrzeuge erfüllen auch die Umweltvorgaben im echten Fahrbetrieb.“

    Kann die Bundesregierung Fahrverbote noch verhindern?

    Nein, denn darüber dürfen nur die Länder und Kommunen entscheiden. Aber warnen kann sie: „Generelle Fahrverbote sind keine akzeptable Lösung“, sagt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU). „Fakt ist, dass wir in den letzten Jahren den Schadstoffausstoß im Verkehr schon um bis zu 70 Prozent gesenkt haben.“ Er verspricht: „Das wollen wir deutlich ausbauen.“

    Für Dudenhöffer ist das Augenwischerei: „Hätte die Bundesregierung vor drei Jahren Druck gemacht, hätten wir heute Hardware-Nachrüstungen für dreckige Diesel. Damit hätten sich Fahrverbote erledigt. Auch eine blaue Plakette würde helfen.“ Letztere muss die Bundesregierung beschließen.

    Das es gehe, zeigten die Lkw. „Die fahren seit fünf Jahren sauber. Es gibt ordentliche Tests und es wird ordentliche Technik eingebaut“, sagt Dudenhöffer. Sein Fazit: „Die Bundesregierung und die CSU-Verkehrsminister der vergangenen Jahre haben zehn Jahre nichts getan, obwohl das Problem bekannt war. Das Rumgedoktore macht jetzt alles noch schlimmer.“