Mit der Zahl der Senioren steigt die der kriminellen Profiteure. Jeder Einzelne muss vorsorgen.

Wenn man in politischen Diskussionen ein garantiertes Gähnen provozieren will, dann sagt man: „Die Deutschen werden immer älter.“ Das stimmt zwar. Aber wer will das schon hören? Und: Ist ja längst bekannt. Außerdem: Was geht mich das an?

Doch das Revolutionäre, die Gesellschaft völlig Umkrempelnde an diesem Satz muss uns allen bewusst werden. Es ist ein Universum von Unwägbarkeiten. Da ist die Rente. Die Arbeitnehmer und ihre Arbeitgeber finanzieren die Ruheständler. So galt es bis jetzt. In Zukunft kommen immer mehr Rentner hinzu, und sie beziehen ihre verdienten Ruhegelder deutlich länger als unsere Vorfahren.

Es wird zudem erheblich mehr Pflegefälle geben, und die Zahl der Menschen, die sie betreuen wollen und können, wird nicht entsprechend zunehmen. Denn es ist ein Knochenjob. Die Kosten für Rente, Gesundheit und Pflege werden weiter steigen. Das lastet auf uns allen. Und so, wie die Regierung das Problem trotz Großer Koalition und der Möglichkeit zu verfassungsrechtlich großen Würfen anpackt, liegt eine Schlussfolgerung nahe: Die Politik denkt nicht, wie es nötig wäre, in Generationen, sondern in Legislaturperioden.

1992 gab es eine Demografie-Kommission im Bundestag, die zu einer generationengerechten Politik mahnte. Sie brauchte kaum zehn Jahre für ihren Abschlussbericht. Zuletzt setzte die damalige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen vor fünf Jahren einen Rentendialog an und eine Demografie-Expertengruppe ein. Herausgekommen ist: nichts Verwertbares. „Wenn du nicht mehr weiter weißt, gründe einen Arbeitskreis“, ist eine zynische, aber wahre Formel im politischen Berlin.

Dabei führte von der Leyen selbst vor, wie arg es um Deutschlands Alte im schlimmsten Fall stehen kann. Ihr inzwischen verstorbener Vater Ernst Albrecht war gerade an Demenz erkrankt, da wurde er beinahe Opfer von Betrügern und Geschäftemachern, wie die Ministerin im Abendblatt klagte.

Mit der Zahl der Senioren steigt mindestens proportional die der kriminellen Profiteure. Auch wenn es nur schwarze Schafe sind – betrogen wird bei Gesundheitsleistungen für ältere Menschen, in der Pflege und leider auch bei gesetzlichen Betreuungen. Es sind Ausnahmen. Die Betreuer müssen oft gegen geringes Entgelt für Dutzende von Menschen Leben und Überleben managen. Doch wenn es zu Unregelmäßigkeiten kommt, sind die Fälle so krass, dass es einen schaudert.

Im Dickicht von Betreuern, Angehörigen, mutmaßlichen Erben und zeitlich überforderten Richtern lauert der niedere Instinkt der menschlichen Gier. Was sich hier abspielt, ist unserer Gesellschaft, die an anderen Stellen Nächstenliebe und große Gebebereitschaft praktiziert, nicht würdig.

Man kann es beklagen, aber es ist so: Die vormaligen familiären Strukturen haben sich aufgelöst. Angehörige fühlen sich zerrissen und aufgerieben im Anspruch ubiquitärer Verfügbarkeit in der Arbeitswelt und der moralischen Verpflichtung zu Hilfe und Pflege im Mikrokosmos Familie. Und ist es nicht gleichsam verständlich zu sagen: Ich möchte auch noch leben!

So bleibt nur ein Rat: Solange man sich selbst für entscheidungsfähig hält, sollte man alles einmal durchdeklinieren. Was, wenn ich zu krank bin, um für mich zu sorgen? Wer soll was erben? Was, wenn ich an der Schwelle zum Tod stehe? Und vor allem: Was, wenn ich mich partnerschaftlich neu orientiere?

Betreuungsvollmacht, Testament, Patientenverfügung – schwer verdauliche Themen. Aber besser, man denkt klaren Kopfes daran, bevor andere einem diese Aufgabe abnehmen.