Wenn es um die Willkommenskultur für Flüchtlinge in Deutschland und insbesondere in Hamburg geht, ist oft von einer großen Welle der Hilfsbereitschaft die Rede. Der Begriff ist zutreffend, er verweist aber auch auf ein Problem, das früher oder später auf alle von den Flüchtlingsströmen betroffenen Gemeinwesen zukommen wird.
Denn wie jede Welle wird die Welle der Hilfsbereitschaft irgendwann abnehmen. Das ist ganz normal, das kennen wir von anderen Not- und Katastrophensituationen genauso wie von extrem positiven Ereignissen. Ab einem bestimmten Punkt richtet sich das Interesse der Menschen wieder auf andere Themen, werden euphorisch aufgeladene Momente, wie wir sie im Moment so oft bei der Begrüßung von Flüchtlingen sehen, vom Alltag geschluckt. Das Gefährliche an so einer Entwicklung, die wie gesagt zutiefst menschlich ist: Mit der Hilfsbereitschaft verschwinden oder verringern sich in der Regel nicht die Probleme, die eine Gesellschaft schultern muss. Im konkreten Fall wird es eher ganz anders sein: Die Flüchtlingsfrage dürfte Deutschland und Hamburg über Jahre beschäftigen.
Und dann? Wenn die Tausenden freiwilligen Helfer erschöpft sind oder schlicht nicht mehr die Zeit haben, sich wie in den vergangenen Wochen und Monaten um die Flüchtlinge zu kümmern? Dann wird es wieder und viel, viel stärker als jetzt auf den Staat und die Gesellschaft als Ganzes ankommen, wobei auch dieser Begriff wörtlich zu nehmen ist. Es nutzt angesichts der historischen Aufgabe, vor die die Flüchtlingsströme Deutschland stellen, nichts, wenn sich das Land darüber zerstreitet – es wäre sogar die nächste Katastrophe. Schon jetzt stellt man in Gesprächen mit Bekannten fest, wie stark die Meinungen über das richtige Verhalten in dieser Ausnahmesituation auseinandergehen. Für einige Freundschaften ist das Thema sogar eine echte Belastung, weil der eine so und der andere (auf einmal) ganz anders denkt. Doch genau das muss so sein.
Natürlich sollten wir uns vor extremen Meinungen hüten, übrigens in beiden Richtungen. Gefährlich und falsch wäre es aber, die vielen Menschen, denen die Flüchtlingsströme Angst machen, nicht ernst zu nehmen oder gar in eine bestimmte Ecke zu drängen. Die Sorgen sind mal sehr persönlich, mal eher gesellschaftspolitisch. Sie lassen diejenigen, die sie haben, nicht automatisch zu einem Ausländerfeind oder Rechtsradikalen werden; genauso wenig, wie der Teilnehmer an einer Spendenaktion von heute auf morgen zum Gutmenschen wird.
Uns allen muss klar sein, dass wir, wie bei der deutschen Einheit, die nächste Integrationsmaßnahme nur gemeinsam meistern können, als ein Volk. Wir müssen auch akzeptieren, dass die teilweise euphorische Stimmung, die uns über die schwierige Lage in den Sommermonaten geholfen hat, in den nächsten Wochen, bestenfalls Monaten verschwinden wird. Solange, wie die Flüchtlingskrise anhalten wird, dauert sie auf keinen Fall. Darauf sollten wir, sollten sich die vielen Freiwilligen, denen man auch als Land nicht genug danken kann, jetzt schon einstellen. Zum Glück tun sie es auch.
Was wir in der nahen Zukunft brauchen werden, sind verlässliche, vor allem hauptamtlich getragene Strukturen, eine Akzeptanz für Grenzen (der Belastbarkeit) und, auch wenn es furchtbar klingt, ein Stück deutsche Spießigkeit. Die hat uns zumindest auf dem Weg zur deutschen Einheit nach dem Abklingen der ersten Glücksgefühle sehr geholfen.