Der Luftverkehr auf Deutschlands Flughäfen wird massiv beeinträchtigt. Ein Pro und Contra aus der Redaktion des Hamburger Abendblatts.
Pro Streik
Oliver Schade: „Der neidische Blick auf die Piloten ist absurd“
Wie hoch darf das Gehalt eines Lufthansa-Piloten sein? Darf er 100.000 Euro, 200.000 Euro oder gar noch mehr im Jahr verdienen? Und sind mehrere Hundert oder Tausend Euro Betriebsrente zu viel, zu wenig oder möglicherweise doch akzeptabel? Deutschland diskutiert hitzig. Nicht wenige halten Lufthansa-Piloten selbstverständlich für überbezahlt. Und nun wollen die Herren der Lüfte auch noch streiken!? Das Heer der Neider ist sich einig: Das ist inakzeptabel. Dabei ist das Streikrecht nicht nur im Grundgesetz verankert. Die Neiddebatte gegen die Beschäftigten im Lufthansa-Cockpit ist auch abseits von Paragrafen mehr als absurd.
Denn schaut man nur auf die Arbeitsleistung, die aus der eigenen Tasche bezahlte teure Ausbildung und die Verantwortung für Menschenleben, dann muss ein Lufthansa-Pilot sicherlich mehr Geld erhalten als zum Beispiel das Gros der derzeit für den HSV kickenden Fußballprofis. Bekommt er aber nicht. Eine gerechte Entlohnung kann es nicht geben. Denn wer soll bestimmen, was gerecht ist und was ungerecht? Vielleicht eine Ethikkommission, die sich alle drei Monate am Stammtisch trifft?
In Deutschland existiert ein weltweit anerkanntes Tarifrecht, an das sich Unternehmen und Beschäftigte zu halten haben. Und es gibt darüber hinaus das Recht auf die freie Ausgestaltung von Arbeitsverträgen. Auf diesen beiden Pfeilern der deutschen Lohnpolitik fußt auch die Bezahlung der Lufthansa-Piloten. Das Unternehmen hat mit dem Cockpitpersonal Verträge über Löhne und Betriebsrenten geschlossen, die großzügiger ausfielen als bei vielen anderen Fluggesellschaften. Weil die Lufthansa die besten der Besten haben wollte. Weil sie weltweit mit dem Slogan der sichersten Airline werben und Geld verdienen wollte. Nun hat der Konzern überraschend die Vereinbarungen zur Altersvorsorge aufgekündigt – und bei Lohnerhöhungen gibt es keinerlei Bewegung. Dagegen gehen die Piloten nun mit guten Argumenten vor. Der Streik wäre nicht notwendig gewesen, hätte die Lufthansa sich ein wenig kompromissbereiter gezeigt. Welcher Arbeitnehmer würde sich nicht wehren, wenn es an den eigenen Geldbeutel geht?
Zudem zählt die Lufthansa derzeit nicht wirklich zu den darbenden Konzernen in Deutschland. Der operative Gewinn ist 2013 ohne Sondereffekte um 62 Prozent auf fast eine Milliarde Euro gestiegen. Die Aktionäre bekommen sogar wieder eine Dividende. Und der Vorstand hat bereits angekündigt, dass dieses Ergebnis bis 2015 auf 2,65 Milliarden Euro steigen soll.
Der Autor leitet das Wirtschaftsressort beim Hamburger Abendblatt
Contra Streik
Peter Wenig: „Die Herren der Lüfte kleben an ihren Privilegien“
Die Platte wird wieder und wieder aufgelegt, aber dadurch nicht besser. Gebetsmühlenartig tragen die Vertreter der Pilotengewerkschaft Cockpit in diesen Tagen ihre Argumente für den großen Lufthansa-Streik vor. Ein Eingriff in ihre Besitzstände, insbesondere bei der Altersvorsorgung, sei untragbar. Ein hohes Lohnplus müsse nach Jahren der Zurückhaltung nun einmal sein. Schließlich seien sie als Piloten ja verantwortlich für Hunderte von Menschenleben und bis zu 250 Millionen Euro teure Flugzeuge. Außerdem würden andere ja noch viel mehr verdienen. Topmanager zum Beispiel. Gern wird dies untermalt mit Klagen über den ach so großen deutschen Neid.
Die aktuelle Diskussion zeigt vor allem eins: Die Herren der Lüfte haben die Zeichen der Zeit noch immer nicht erkannt. Während ihr Arbeitgeber mit dem Sparprogramm Score gegen die Attacken von Billig-Airlines kämpft, kleben sie an ihren Privilegien, etwa an einer überaus luxuriösen Altersversorgung, die ihnen einen freiwilligen Abschied mit 55 Jahren mit 60 Prozent ihrer Bezüge versüßt, sowie späteren Betriebsrenten von bis zu 3800 Euro im Monat. Ausgerechnet eine Berufsgruppe mit Salären von bis zu 250.000 Euro im Jahr ist nicht bereit, sich selbst eine entsprechende Altersvorsorge aufzubauen.
Wohlgemerkt: Streikrecht ist ein Grundrecht in Deutschland. Und auch wenn jeder verpasste Geschäftstermin oder Urlaubstag bitter ist, muss ein freies Land einen solchen Arbeitskampf aushalten können. Aber bitte nicht mit dem peinlichen Verweis auf die große Verantwortung – jede Krankenschwester, jeder Busfahrer, jeder Lokomotivführer, die allesamt nur einen Bruchteil verdienen, setzt mit Fehlern Menschenleben aufs Spiel. Und bitte auch nicht mit dem heuchlerischen Vergleich zu den Gehältern von DAX-Vorständen oder Fußballprofis. Ja, VW-Chef Martin Winterkorn oder Bayern-Superstar Franck Ribéry kassieren ein Vielfaches. Aber ihnen würde nicht im Traum einfallen, sich einen gewerkschaftlichen „Streik“-Button ans Revers oder Trikot zu heften, um ein noch höheres Salär oder den Erhalt ihrer Altersversorgung herauszuschlagen.
Nein, mit Neid hat die aktuelle Debatte überhaupt nichts zu tun. Gäbe es wirklich Missgunst gegenüber Piloten, wäre ihr Ansehen gerade in Deutschland nicht so groß. Und selbstverständlich dürfen sie auch streiken, gar keine Frage. Aber dann sollen sie ehrlich sagen, worum es ihnen geht. Um die Verteidigung ihrer Besitzstände, ihrer Pfründe. Und um nichts anderes.
Der Autor leitet die Sportredaktion beim Hamburger Abendblatt