Endlich arbeitet der HSV so, wie es seiner Situation angemessen ist. Dazu muss aber auch gehören, Fehler nicht immer zu wiederholen. Die Transferpolitik ist nicht nachvollziehbar.
„Die Kritik ist gut, denn der ganze Verein war ein wenig eingeschlafen, die Mannschaft war eingeschlafen – diese Kritik ist ganz normal.“ Das hatte Bert van Marwijk vor der 0:3-Pleite in Hoffenheim selbstbewusst verkündet. Der Verein ist also eingeschlafen, die Mannschaft auch. Sich selbst, den Trainer, hat der Niederländer ausgespart. Schade, denn jetzt erst, nach der fünften Niederlage in Folge, scheint endlich auch der HSV-Coach aufgewacht zu sein. Plötzlich wird trainiert, wie es der prekären Situation eines Tabellenvorletzten angemessen sein sollte. Tägliches Training, dazu noch ein Kurz-Trainingslager – es geht doch! Besondere Situationen erfordern eben besondere Maßnahmen.
Zur Erinnerung: Vor dem 0:3 gegen Schalke durften die HSV-Profis noch daheim schlafen, statt wie sonst üblich, die Nacht vor dem Spiel im Hotel zu verbringen. Nun, da es fast schon zu spät ist, scheinen die letzten HSVer tatsächlich wach zu werden. Auch der Trainer.
Zuvor hatten alle tief und fest im Winterschlaf gelegen. Und so weitergemacht wie immer. Das zeigen auch die beiden Verpflichtungen des Jahres 2014. „Wir werden nur dann noch auf dem Transfermarkt tätig, wenn wir Spieler bekommen, die finanziell passen, und die Soforthilfe für uns sind“, hieß es zuvor. Ausgeliehen wurden – fast zum Nulltarif, wie zu hören war – Ola John und Ouasim Bouy. Einer von Juventus Turin, einer von Benfica Lissabon – wenn das nichts ist!
Beim 0:3-Debakel in Sinsheim wurden beide Spieler von Beginn an eingesetzt, aber auch wieder vorzeitig vom Platz geholt. Bert van Marwijk erklärte schonungslos offen: „Es war klar, dass die Spieler keine Spielpraxis haben, weil sie bei ihren Clubs ja kaum gespielt haben; und Spielpraxis gibt es eben nur, wenn man auch spielt.“
Gut erkannt. Aber ist das eine Soforthilfe? Wie viel Zeit werden Bouy und John noch benötigen, bis sie so viel Spielpraxis haben, dass sie ihrem Auftrag gerecht werden können: den HSV zu retten? Auch diese Verpflichtungen, in allerhöchster Not und in noch viel größerer Armut getätigt, bestätigen einmal mehr, dass der HSV seinem Motto treu bleibt: „Was stört mich mein Geschwätz von gestern?“
Der Club ist immer noch nicht bereit, aus seinen Fehlern zu lernen. Das lässt sich an vielen Dingen des täglichen Bundesliga-Lebens ablesen. Paradebeispiel sind die Innenverteidiger. In der Fink-Ära gab es mit Heiko Westermann, Jeffrey Bruma, Slobodan Rajkovic und Michael Mancienne schon vier, aber es musste unbedingt noch Paul Scharner geholt werden, als Nummer fünf. Und mit Jonathan Tah gab es einen hoffnungsvollen Nachwuchsmann – die Nummer sechs. Und dann gibt es ja noch Gojko Kacar, der auch Innenverteidiger spielen könnte, denn auf diesem Posten hatte er seine beste Zeit beim HSV. Aber der Serbe war ja beim Trainer ein wenig in Ungnade gefallen. Geld spielt anscheinend keine Rolle.
Als zu Beginn dieser Saison Bruma gehen musste und Scharner aussortiert war, da wurden noch Lasse Sobiech und Johan Djourou geholt. Unter sechs Innenverteidigern tut es der HSV also nicht, plus den weiterhin abseits stehenden Kacar. Merkt das eigentlich niemand? Wer schläft da eigentlich den Schlaf des (Selbst-)Gerechten? Was wird sich da Jahr für Jahr zurechtgekauft oder ausgeliehen? Eine solche Transferpolitik ist nicht nachvollziehbar und längst auch nicht mehr hinnehmbar. Es fehlt in diesem Club eindeutig an Experten, die den jeweiligen Verantwortlichen auf die Finger schauen oder, besser, auf die Füße treten. Und zwar ganz, ganz gewaltig!
Aber jetzt sollen ja angeblich alle hellwach sein. Wir werden es verfolgen. Die Fans, das heißt, ein kleiner Tross, waren immerhin schon am Mittwoch wach, bei ihrem Marsch Richtung Trainingsgelände im Volkspark. „Wir für euch, ihr für uns“ hieß das Motto. Sehr schön. Wenn die Situation jetzt dazu führen soll, dass es endlich ein Miteinander in diesem HSV gibt, dann, liebe HSV-Fans, hört endlich damit auf, jedes Jahr einen Buhmann ausfindig und anschließend niederzumachen. So wie einst die Herren Trochowski, Jarolim und Aogo quasi vom Hof gejagt wurden und wie es jetzt immer noch Westermann erdulden muss. So geht es nicht mehr, wenn der Karren aus dem Dreck gezogen werden muss. Gemeinsam.
Dieter Matz, Abendblatt-HSVExperte und Blog-Vater („Matz ab“), mit seiner aktuellen Freitags-Analyse