Berlin. Regisseurin Maria Schrader und Hauptdarstellerin Maren Eggert über ihre Liebeskomödie mit einem Roboter: „Ich bin dein Mensch“.

Derzeit läuft die Sommer-Berlinale und an diesem Sonnabend wird dort „Ich bin dein Mensch“, der neue Film von Maria Schrader Premiere haben. Für ihre Regiearbeiten ist sie bisher immer ins Ausland gereist: nach Israel („Liebesleben“), Portugal („Vor der Morgenröte) und ins jüdisch-orthodoxe Viertel von New York (für die Netflix-Serie „Unorthodox“).

Nun überrascht sie mit ihrem ersten Berlin-Film, der an so illustren Orten wie dem Pergamonmuseum und dem Futurium gedreht wurde. Es ist auch ihre erste Komödie, jedoch philosophisch unterfüttert, weil hier eine Anthropologin einen männlichen Liebesroboter ausprobieren soll. Hauptdarstellerin Maren Eggert wurde dafür im März zum ersten Mal der gender-neutrale Silberne Bär fürs beste Schauspiel zugesprochen, am Sonntag wird sie ihn entgegennehmen.

Hamburger Abendblatt: Wie war das, diesen Film auf der Berlinale vorzustellen, die ja im März erst mal nur digital stattfand? Ohne Festivalkribbeln, ohne Applaus …

Maria Schrader: Natürlich haben wir uns erst mal gefreut, dass die Berlinale überhaupt stattfinden konnte. Wir sind ja alle schon Pandemie-Veteranen. Ich war mit meiner Serie „Unorthodox“ im März 2020 auf einem französischen Festival eingeladen. Der Koffer war schon gepackt. Und die Festivalleitung hoffte bis zuletzt. Aber dann wurde es doch abgesagt. Das war für mich eine große Enttäuschung. Aber seither haben wir alle lernen müssen, damit umzugehen.

Maren Eggert: Wir haben bei der ersten Berlinale im März ja auch eine Pressekonferenz für unseren Film gemacht, auch wenn es sonst keine gab. Und saßen dafür auch im Zoo Palast. Das war einerseits total schön, andererseits hat der leere Saal auch deutlich gemacht, was alles fehlt. Das hat schon wehgetan.

Wie ist das, wenn nun erst Monate später die eigentliche Premiere erfolgt? Freut man sich noch wie beim ersten Mal? Nimmt man den Preis genauso froh entgegen, auch wenn man seit März weiß, dass man ihn kriegt?

Eggert: Ich hoffe doch! Vielleicht ist das sogar schöner, weil der Druck raus ist. Das ist was anderes, als wenn man live im Saal sitzt und gleich was sagen muss.

Schrader: Es wäre natürlich schön, wenn wieder mehr Gäste kommen können. Das ist ein großer Verlust, dass es diese Form der internationalen Begegnungen nicht gibt. Die Berlinale ist ein schönes Forum für Austausch, Verabredungen, auch Zufälligkeiten. Das ist unersetzbar.

„Ich bin dein Mensch“ handelt von Liebe in Zeiten von Algorithmen und künstlicher Intelligenz. Wie futuristisch ist das angesichts all der Dating-Apps und Paarsuche-Portale?

Schrader: Die Dating-App ist ein Instrument, um die Liebe nicht ganz dem Zufall oder dem Schicksal zu überlassen. Aber am Ende stehen sich doch zwei Menschen gegenüber, die nichts voneinander wissen.

Eggert: Da kann man ja auch böse Erfahrungen machen. Wir zeigen dagegen einen künstlichen Menschen, der ganz auf einen programmiert ist.

Schrader: Tom ist ein Wesen aus der Zukunft, so einen perfekten Roboter gibt es noch lange nicht. Wir haben die Geschichte aber in unserem heutigen Berlin angesiedelt. Ich glaube, wir alle fragen uns: Wo geht das in Zukunft hin? Wann werden wir transhuman? Werden wir uns den Brockhaus eines Tages per Bluetooth ins Gehirn laden? Aber werden wir dann das emotionale Erlebnis beim Lesen vermissen? Wie wird die Liebe in der Zukunft? Diese Frage stellt unser Film.

Jahrhundertelang gab es immer den Blick auf die Frau. Ist das jetzt die späte Rache, das einmal andersrum zu erzählen? Die besten Männer sind – Roboter?

Eggert: Das hat großen Spaß gemacht. Weil hier mal der Mann das Objekt ist. Aber wir haben jetzt nicht den Spieß umgedreht. Das sollte ja nur eine leichte Komödie sein. Oder, Maria?

Maren Eggert und der Liebesroboter (Dan Stevens).
Maren Eggert und der Liebesroboter (Dan Stevens). © Majestic Filmverleih Christine Fenzl | Unbekannt

Schrader: Wir erheben keinen Anspruch darauf, Pioniere zu sein. Aber wir haben schon gespürt, dass das nicht unbedingt den Sehgewohnheiten entspricht. Wir sind einen solchen Blick eher auf Frauen gewohnt. Das einmal umzudrehen, ist doch schön. Man fügt neue Bilder hinzu, die man so noch nicht oft gesehen hat.

Hand aufs Herz: Wenn die Technik so weit wäre, würden Sie so einen Liebesroboter auch mal ausprobieren?

Schrader: Ich glaube, ich wäre neugierig. Ich würde etwas weniger zögern als die Alma in unserem Film.

Eggert: Ich würde eher noch etwas mehr zögern. Ich bin da doch sehr skeptisch.

In der heutigen Welt muss immer alles perfekt sein. Die Ehe, der Job, die Kinder. Inwieweit muss man dieses Spiel mitmachen?

Eggert: Die Schauspielerei ist ja ein Beruf, in dem man immer eine perfekte Illusion erschaffen will. Im Privatleben genieße ich es da eher, einfach mal nicht perfekt zu sein.

Schrader: Wir haben alle einen großen Anspruch an uns selbst, in unseren verschiedenen Funktionen und Rollen. Das gibt aber auch die Leistungsgesellschaft vor, in der wir ,funktionieren‘ sollen. Das ist ein Spannungsverhältnis, mit dem wir sehr unterschiedlich umgehen. Ich persönlich genieße deshalb wochenlange Dreharbeiten, denn für die Zeit liegt alles andere brach. Diese Konzentration auf eine Sache verschafft mir Entspannung.

Bei Ihnen geht es um den Algorithmus der Liebe. Algorithmen bestimmen unseren Alltag aber längst auf andere Weise. Streamingportale schlagen uns etwa vor, welche Filme uns gefallen könnten. Wie stehen Sie als Filmschaffende dazu?

Eggert: Das ist schon schwierig. Netflix meint, das könnte dir gefallen. Und du guckst, ob es stimmt. Das ist ja der Trick, da fällt man gern rein. Aber es gibt immer die Freiheit, auszuschalten. Ich habe schon das Gefühl, frei zu entscheiden.

Schrader: Ich habe mit „Unorthodox“ die aufregende Erfahrung gemacht, was passieren kann, wenn Netflix eine Serie vorschlägt, die User überrascht. Sehr viele Menschen haben die Serie gesehen, die dafür wahrscheinlich nicht ins Kino gegangen wären. Das war ein fundamentales Erlebnis. Andererseits bin ich froh, dass „Ich bin dein Mensch“ nun in die Kinos kommt. Das ist wichtig, gerade in dieser Zeit, in der das Kino nicht nur durch die Streamingdienste gefährdet ist, sondern jetzt auch durch Corona.

Die Kinos sind seit Monaten geschlossen, während Streamingdienste boomen. Könnte das gar das Ende des klassischen Kinos sein?

Schrader: Das glaube ich nicht. Das letzte Kinowochenende vor dem zweiten Lockdown war das besucherstärkste des Jahres. Da kann man doch sehen, welche Sehnsucht es danach gibt. Kino ist ein sozialer Ort. Und solange er sich als Ort des Dialogs und der Begegnung begreift, wird er durch nichts zu ersetzen sein.

Eggert: Das sehe ich übrigens genauso für die Bühne. Ich könnte mir eine Welt ohne Theater nicht vorstellen.

Lesen Sie auch:

Sie konnten den Film drehen, durften aber in all der Zeit kein Theater spielen. Fühlt man sich da ein wenig vergessen von der Politik?

Eggert: Es ist keine schöne Erfahrung, nicht systemrelevant zu sein. So sehr man Einschränkungen nachvollziehen kann, fühlt man sich doch zurückgesetzt. Okay, da kann man jetzt diskutieren, ob das Eitelkeit ist. Aber es hat auch was mit Identität zu tun, die infrage gestellt wird. Es greift etwas in dir an. Und nicht nur, weil du auf der Bühne stehen willst. Sondern weil du dich fragst: Wer bin ich denn für die Gesellschaft? Ist Theater etwas, das man nur konsumiert, wenn alles andere stimmt? Oder ist der kulturelle Austausch doch lebenswichtig? Im Moment wird ja leider eher suggeriert, dass es nicht existenziell ist.

Schrader: Es gab ja bislang nicht einen nachweisbaren Fall, wo jemand sich im Theater oder Kino angesteckt hätte. Das ist viel kontrollierbarer als jeder Supermarkt. Aber klar, auf dem Weg dahin könnten sich die Leute infizieren, das ist weniger kontrollierbar. Ich verstehe die Maßnahmen schon. Und doch frage ich mich, warum in unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen mit zweierlei Maß gemessen wird. Wie kann es sein, dass Flugzeuge nach Mallorca starten? Die Kultur ist auch ein Wirtschaftszweig.

Hat der Film durch Corona noch mal eine andere Relevanz bekommen, ist er dadurch womöglich noch aktueller geworden?

Eggert: Der Film hat für mich total mit Corona zu tun. Weil er komplett unter diesen Bedingungen entstand. Das steckt in allen Ecken und Kanten drin. Ob man das im Ergebnis sieht, weiß ich nicht. Aber für mich ist das nicht zu trennen.

Schrader: Ich finde schon, dass die derzeitige Veränderung der Welt noch mal ein besonderes Echo hat in unserem Film. Womit wir ja nicht rechnen konnten. Mit dem Drehbuch haben wir schon 2019 begonnen. Ein Grundthema des Films ist die menschliche Einsamkeit, die ist schon vor Corona stetig gewachsen. Die Pandemie hat sie nur verstärkt.

„Ich bin dein Mensch“ soll am 1. Juli in die Kinos kommen