Berlin. Zur Sterbehilfe in die Schweiz: In „Toni und Helene“ reisen zwei Seniorinnen im Jaguar nach Zürich – und lernen dabei fürs Leben.
Sie fahren in einem schicken dunklen Jaguar durch die schönste Berglandschaft. Wildbäche rauschen, zackige Felsen und dunkle Tannen bieten die schönsten Panoramen.
„Toni und Helene“ wie „Thelma & Louise“
Und wenn man die beiden älteren Damen da sieht, wie sie lachen, als sie von einer Tankstelle mit einem abgerissenen Zapfhahn an der Tanköffnung fliehen, könnte man meinen, dass man in einer älteren österreichischen Version von „Thelma & Louise“ gelandet ist, dem unbeschwerten weiblichen Buddy-Movie schlechthin. Doch der erste Blick täuscht.
„Wir sind beide Simulantinnen“, weiß die lebenslustige ehemalige Krankenpflegerin Toni (Margarethe Tiesel), die sich der Bequemlichkeit wegen nach einem eher harmlosen Sturz gleich zur kurzen Kur in eine schicke Seniorenresidenz begibt, wo die elegante Ex-Schauspielerin Helene (Christine Ostermayer) ihre Zimmernachbarin ist.
Die eröffnet ihrem Neffen, einem eitlen Politiker, dass sie zur Sterbehilfe in die Schweiz fahren wird. Der aber fürchtet um seine Karriere ob des heiklen Themas und verweigert ihr die Todesfahrt nach Zürich.
Weswegen die zupackende Toni die Chance ergreift und sich als Fahrerin anbietet. Womit sich eine zunächst aus gegenseitiger Abneigung bestehende Beziehung zu einer Zweckgemeinschaft und dann Freundschaft zweier unterschiedlicher Temperamente entwickelt: Die Lebensmüde geht mit der Lebensfrohen auf ihre letzte Reise.
„Toni und Helene“: Zwischen Komik und Tragik
Tod, Sterbehilfe und die Würde des Alterns. Das sind eigentlich gar keine Themen für eine Komödie, doch Gerhard Ertl und Sabine Hiebler verstehen es in ihrem herzergreifenden Film „Toni und Helene“ außerordentlich gut, die Balance zwischen Komik und Tragik zu halten.
Das liegt vor allen an den wunderbaren Hauptdarstellerinnen, die in ihrer Unterschiedlichkeit glänzend harmonieren. Margarethe Tiesel ist mit Trainingsanzug, Zigaretten und Schnapsgelagen in ihrer ganzen Körperlichkeit die personifizierte Freude, die die perfektionistische, vom Alltag liegengelassene Ex-Diva ins Leben zurückholt.
Und die große Christine Ostermayer, im selben Alter wie ihre Figur, spielt als Helene quasi sich selbst, zurückhaltend, etwas elitär, immer bei sich, aber zunehmend offen zu jedem und für alles – vom Ententanz im Hotel bis zur Flucht über die Grenze. Was sie – und das ist ein interessanter Twist – am Ende von ihrer Freundin unterscheiden wird.
„Toni und Helene“: Verfolgungsfahrten in schöner Landschaft
Dabei bedient der Film alle Werkzeuge eines Roadmovies. Turbulente Verfolgungsfahrten in schöner Landschaft, tiefgreifende Gespräche in ruhigen Momenten, und mit jedem Kilometer die Erkenntnis, dass die Person neben einem ihre eigene Würde und ihr eigenes Geheimnis hat, was den Blick auf das eigene Leben noch einmal schärft.
Doch das Schöne an dem Film ist, dass die stets allzu sehr vorhersehbare Dramaturgie eines Roadmovies sich nicht zu sehr in den Vordergrund spielt.
Dazu sind die Dialoge zu pointiert, das Spiel der Darstellerinnen zu präzise, kommen die Wendungen vom puren Klamauk zum großen Krankendrama jeweils zu unerwartet. Dazu gehört, dass der Film mit einer Überraschung endet – für Helene wie für die Kinozuschauer. Der erste Blick, er täuscht auch hier.
Tragikomödie Ö/D 2024, 95 min., von Gerhard Ertl und Sabine Hiebler, mit Christine Ostermayer, Margarethe Tiesel, Julia Koschitz