Hamburg. Der Singer-Songwriter begeistert erstaunlich junges Publikum in Hamburg. Warum bei diesem Künstler keiner zwischendurch Bier trinken geht.

Noah Kahan beschert der Stadtparkbühne in Hamburg eines der Highlights der Saison – und das an einem Montagabend. Wer hätte gedacht, dass ein Singer-Songwriter aus Vermont ein junges Publikum mit seiner Folk-Musik so mitreißen kann, Kreischalarm inklusive? Doch die Fan-Gemeinde im ausverkauften Stadtpark-Rund singt textsicher jedes Lied mit. „Klingt wie christliche Musik, ist es aber nicht“, witzelt der 27-Jährige selbst. „Ich bin jüdisch.“

Nein, wie christliche Musik klingt Kahan fast nie. Den Folk verbindet er mit eingängigem Pop, jenseits der Klischees. Das Schlagzeug treibt an, Banjo und Geige schaffen bei manchen Stücken Country-Sound – kein Wunder bei einem Jungen, der auf einer Farm kurz vor der kanadischen Grenze aufgewachsen ist.

Noah Kahan macht Publikum im Hamburger Stadtpark schon beim ersten Stück freudetrunken

Seinen Erfolg verdankt der US-Amerikaner zu einem Teil den sozialen Medien. Nach seinem Debütalbum „Busyhead“ 2019 teilte er Ende 2020 einen Ausschnitt von „Stick Season“ auf TikTok, was ihm den kommerziellen Durchbruch und letztlich Doppel-Platin für das gleichnamige (dritte) Album, mehr als einer Milliarde Streams sowie eine Grammy-Nominierung einbrachte. Seither gilt er längst nicht mehr als vielversprechender Newcomer.

Im Stadtpark ist das Publikum schon beim ersten Stück „Dial Drunk“ freudetrunken. Kahan wechselt gefühlt ein Dutzend Mal die Gitarren, schraubt seine Stimme vom dunklen Bass in beeindruckende Höhen. Treibender Folkpop wechselt ab mit einem Mini-Set aus Akustik-Nummern, gespielt im Sitzen vor großen Fotos aus seiner Kindheit.

„Stick Season“: Das Beste kommt im Hamburger Stadtpark zum Schluss

Das Publikum feiert „All my Love“; jeder Titel erzählt eine Geschichte, die Texte sind sehr persönlich. „And now I lay myself down and hope I wake up young again“ („Jetzt lege ich mich hin und hoffe, wieder jung aufzuwachen“), heißt es in „False Confidence“. Kahan nimmt das Publikum mit auf eine Reise durch sein Leben. Mit „Northern Attitude“ trifft er den Nerv der Hamburger ohnehin: „Forgive my northern attitude. I was raised on little light.“

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Die Melancholie mancher seiner Songs passt gut zu dem Spätsommerabend im Stadtpark, an dem die tief stehende Sonne in den Baumwipfeln schon ein erstes Gefühl von Herbst vermittelt. Der Erfolg hat Kahan selbstbewusst gemacht: „Lange habe ich die Musik gemacht, von der ich dachte, dass man sie hören wollte“, sagt er. „Jetzt mache ich die Musik, die ich selbst spielen möchte.“ Wem das nicht gefalle, solle so lange eben ein Bier trinken gehen. Bier trinken geht niemand.

Auf seinen bekanntesten Song, „Stick Season“, muss das Publikum rund zwei Stunden bis zum Ende warten. Es ist die allerletzte Zugabe. Das Beste kommt zum Schluss.