Hamburg. Die jungen Regisseure Bruno Alexander und die Zwillinge Oskar und Emil Belton über den Erfolg von „Feinkost Kolinski“ auf Amazon Prime.
- „Die Discounter“ geht bei Amazon Prime Video in die 2. Staffel
- Mockumentary über „Feinkost Kolinski“ ist eine echte Erfolgsserie
- Die Hamburger Regisseure sprechen über ihr Konzept
- Bruno Alexander und die Zwillinge Emil und Oskar Belton im Interview
Blicke hinter die Kulissen können sehr amüsant und erhellend sein. Besonders, wenn die jungen Hamburger Oskar und Emil Belton sowie Bruno Alexander ihre Finger im Spiel haben. Nach etwas mühsamem Start sorgte im vergangenen Jahr ihre Prime-Video-Serie „Die Discounter“ für Furore, in der es um die Ereignisse in einem Supermarkt-Alltag geht. In diesem Sommer haben sie eine zweite Staffel gedreht. Wieder im Mockumentary-Stil und mit noch mehr Promi-Auftrieb als beim ersten Mal.
Die zehn neuen Folgen kann man jetzt bei Amazon Prime ansehen. Vieles wurde am Set improvisiert, das merkt man, soll man aber auch, denn genau das macht den Reiz der Serie und ihres anarchischen Humors aus.
Marc Hosemann und Klara Lange sind in größeren Rollen zu sehen, auch die Macher machen mit. Gastauftritte haben Catrin Striebeck, Frederick Lau, Adam Bousdoukos, Kida Khoda Ramadan und viele mehr. Gedreht wurde in einem sonst leer stehenden Supermarkt in Stellingen, der für die Filmarbeiten wieder aufgebrezelt wurde.
Lustig: Es kamen übrigens mehr und mehr Passanten vorbei, die dort tatsächlich einkaufen wollten. Aber in den Regalen von „Feinkost Kolinski“ hätten sie nur abgelaufene Waren, leere Packungen und altbackenes Brot gefunden.
Bringt Sie so eine Premiere noch in Wallung, oder ist das längst Routine?
Bruno Alexander: Das bringt einen in Wallung, vor allem, weil man ja alles selbst gemacht hat.
Wann haben Sie mit den Arbeiten für die Serie angefangen?
Oskar Belton: Im Januar.
Das ist aber sportlich.
Bruno Alexander: Wir haben nur einen Monat dazu gebraucht.
Oskar Belton: Meine Eltern haben einen Gutssitz auf dem Land in Mecklenburg-Vorpommern an der Müritz. Da haben wir uns ein Zimmer genommen und von morgens bis abends geschrieben.
Woher kennen Sie sich eigentlich?
Bruno Alexander: Vom Emilie-Wüstenfeld-Gymnasium. Wir haben uns in der fünften Klasse kennengelernt. Zuerst haben wir nur Quatsch gemacht und irgendwann Filme zusammen gedreht.
Wann wurde es ernst?
Bruno Alexander: Seit Christian Ulmen uns das Angebot für „Die Discounter“ gemacht hat. Wir haben vorher eine YouTube-Serie gedreht, amateurhaft, bei der wir selbst Ton und Kamera gehalten haben. Christian und Carsten Kelber haben dann angefragt, ob wir eine Serie nach einem holländischen Vorbild drehen wollten. Die Drehbücher, die schon existierten, haben wir komplett umgeschrieben.
Oskar Belton: Vorher haben wir schon mit „Intimate“ eine YouTube-Serie gemacht. Das war so halb ernst gemeint. Aber 2019 haben wir eine Folge mit dem Ziel gedreht, dass die Leute es gut finden, was wir machen.
Bruno Alexander: Zur letzten Folge von „Intimate“ haben wir eine Premierenparty im Abaton geschmissen. Das hatten wir richtig groß aufgezogen. Wir hatten Schiss, denn wir hatten auch Produzenten und Produktionsfirmen eingeladen. Wir hatten auch an Sender wie Joyn geschrieben. Wir haben wirklich alles versucht. Dass Christian uns gesehen hat, war natürlich auch Glück. Aber wir haben dafür gebrannt. Deshalb sind wir auch jetzt hier.
Hilft Christian Ulmen nur mit Geld oder auch mit guten Ratschlägen?
Oskar Belton: Beide haben uns gerade in der ersten Staffel sehr geholfen, denn da hatten wir eine Folge dabei, die nicht so gut funktioniert hat. Die Einführung in die Figuren war uns zu lang geraten. Beide haben damals gesagt: Werft die Zuschauer direkt ins kalte Wasser! Wir mussten unbedingt einen schnellen Sog schaffen, damit die Leute nicht zu Instagram oder TikTok wechseln. Das haben wir geschafft. Deshalb haben auch so viele Leute die Staffel „durchgebinged“ (alle Folgen hintereinander weggesehen).
Was hat sich zwischen der ersten und der zweiten Staffel von „Die Discounter“ getan?
Oskar Belton: Vorher hatten wir für die Rollen keine echten Menschen im Kopf. In der zweiten Staffel wussten wir genau, welche Verhaltensweise zu wem passt. Deshalb wurde es unserer Meinung nach ein besseres Drehbuch und eine bessere Staffel. Wir hatten auch viel mehr technische und dramaturgische Erfahrungen gesammelt. Wir wissen jetzt auch viel genauer, worüber die Leute eigentlich lachen.
Bruno Alexander: Außerdem haben wir uns auf ein paar Schlagworte geeinigt: Spezifität, Authentizität und irgendein drittes. Die kleinen Momente funktionieren im Mikrokosmos Supermarkt extrem gut. Wir wissen mittlerweile: Wann zieht ein Kamerablick. Technisch sind wir sehr präzise geworden.
Oskar Belton: Vor der ersten Staffel wussten wir noch gar nicht, dass wir den Stil einer Mockumentary nützen würden. Unsere Inszenierung war zuerst eher klassisch. Erst dann haben wir die Interviews hinzugefügt.
Gibt es in Ihren Drehbüchern viele Regieanweisungen?
Bruno Alexander: Ja. Man kann die Szenen genauso drehen, wie sie dort stehen. Das würde funktionieren. Es gibt aber keine Dialoge, sondern nur indirekte Rede. Am Set kann unser Cast dann etwas anbieten. So entstehen oft tausend Mal geilere Sachen als die, die wir geschrieben haben. Manchmal übernehmen wir aber auch die Ideen aus dem Drehbuch. Man weiß nie, was passiert.
Werden Sie manchmal von ihren Schauspielern überrascht?
Oskar Belton: Jeden Tag. Immer. Wir fangen oft an zu lachen.
Besetzen Sie freihändig oder machen Sie Castings?
Oskar Belton: Zuerst haben wir gedacht: Die sind so erfahren, da müssen wir kein Casting machen. Falsch. Jetzt machen wir mit jedem für jede Rolle ein Casting, egal, ob die schon einen Oscar gewonnen haben oder nicht. Das muss jeder durch. Impro ist eben sehr speziell. Es kommt darauf an, ob man sich noch fallenlassen kann. Laiendarsteller können das übrigens besonders gut.
Welcher Schritt war für Sie der schwierigste?
Bruno Alexander: Der Schnitt. Es war so viel. Wir haben so viel Schrott gedreht, aus dem wir die Perlen rausfischen mussten.
Oskar Belton: Wir haben ungefähr 500 Minuten pro Tag gedreht und mussten jeweils zwei Drittel davon wegwerfen.
Tränen einem da nicht manchmal die Augen?
Bruno Alexander, Oskar Belton: Oh ja.
Bruno Alexander: Der Anfang der Schreibphase ist aber auch schwer, wenn man nur ein weißes Blatt für sich hat.
Gibt es einen roten Faden durch alle Folgen?
Oskar Belton: Nein.
Netflix-Serie „1899“: Wie „Titanic“, aber noch ohne Eisberg
„The Crown“: Royaler Rosenkrieg in Staffel Fünf
Eine Doku wie ein Thriller: Hamburgs Rotlicht im Zwielicht
Wie geht es weiter? Genau so, ganz anders?
Oskar Belton: Wir haben gerade „Intimate“ noch einmal neu gedreht mit unserer eigenen Produktionsfirma Kleine Brüder. Da spielen wir alle selbst die Hauptrollen, Jungs aus Hamburg, die versuchen, als Trottel durchs Leben zu kommen, ein bisschen wie bei „Jerks“. Außerdem war es auch cool, mal aus dem Supermarkt rauszukommen.
Emil Belton (stößt zu uns, ein Zwilling kommt selten allein): Es war so toll, draußen zu drehen, jeden Tag draußen in der Sonne, frische Luft und so. Bei „Intimate“ haben wir an jedem geilen Spot in Hamburg gedreht. Der Sender (Joyn/ProSieben, die Red.) hat uns übrigens auch einfach machen lassen. Das war sehr geil.
Oskar Belton: Mit den neuen Folgen von „Intimate“ haben wir es übrigens auch bei der MOIN Filmförderung versucht.
Wie hat die reagiert?
Oskar Belton: Wir wurden dankend abgelehnt.
Welche Erfahrungen habt ihr mit dem Sender gemacht? Das kann ja manchmal ganz schön schwierig werden.
Oskar Belton: Bei Prime Video war das sehr entspannt, weil dort die Strukturen nicht festgefahren sind.
Bruno Alexander: Wir rechnen ihnen hoch an, dass sie uns haben machen lassen. Das ist schon etwas anderes als wenn man es mit Redakteuren zu tun hat, die dreimal so alt sind wie wir und dann versuchen, irgendwelche jugendlichen Storys zu erzählen. Viele junge Geschichten werden in Deutschland so von Redaktionen zerstört, weil da tausend Schleifen gedreht werden. Wir konnten unsere Ideen direkt umsetzen.
Oskar Belton: Wir drei, Emil, Bruno und ich, haben uns auf eine Vision geeinigt. Die gilt es zu beschützen. Wenn die immer weitergegeben wird, bleibt am Ende vielleicht gar nichts mehr davon übrig und keiner versteht es mehr.
„Die Discounter“ Amazon Prime Video