Hamburg/Kiel. Medienmagazin “Zapp“ zeigt, wie man beim NDR mit den Vorwürfen umgeht. Landgericht Hamburg fällt Entscheidung.
Der NDR hat einen juristischen Teilerfolg im Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Vorgänge in den Landesfunkhäusern Schleswig-Holstein und Hamburg erreicht. Wie der Sender am Mittwoch mitteilte, habe das Landgericht Hamburg entschieden, dass Teile der Berichterstattung des "Business Insider" und der "Bild" (beide Axel Springer SE) sowie des "Stern" (Gruner+Jahr) inhaltlich falsch seien.
Beide Verlage hätten nicht "den nötigen Mindestbestand an Beweisen für die erhobenen Verdächtigungen" vorlegen können. Entsprechend habe das Gericht im Rahmen von einstweiligen Verfügungen entschieden, dass die Verlage die entsprechenden Passagen der Berichterstattungen entfernen müssen. Darüber hinaus zeigte das NDR Fernsehen am Mittwochabend eine Sonderausgabe des Medienmagazins "Zapp", die sich ausführlich mit den Vorwürfen gegen den NDR in Schleswig-Holstein befasste, die Politikchefin Julia Stein und Fernsehchef Norbert Lorentzen den Job kostete
NDR-Vorwürfe: Interner Bericht findet "deutliche Defizite"
Im "Stern" war unter anderem behauptet worden, ein Bericht über den Missbrauch von sogenannten Verschickungskindern sei zurückgehalten worden, Journalisten hätten einen "Maulkorb" bekommen. Die Autorinnen des tatsächlich nicht gesendeten Berichts kommen in der "Zapp"-Sendung ebenso zu Wort wie Stein und Lorentzen. Auch aus dem internen Bericht, der die Vorwürfe aufklären sollte, wird zitiert. Laut diesem seien beim Umgang mit dem Bericht über zwar keine "elementaren journalistischen Prinzipien" verletzt worden – die mit der Aufarbeitung beauftragten NDR-Journalisten kommen aber zu dem Schluss, dass es "deutliche Defizite bei der redaktionellen Steuerung" gegeben habe.
Julia Schumacher und Janina Harder, die Autorinnen des Berichts über die Kinderheime des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), betonen bei "Zapp", sie seien nicht diejenigen gewesen, die "einen Vorwurf erhoben" hätten. Sie hätten seinerzeit beschlossen, "dass wir das auf sich beruhen lassen", so Schumacher. "Wir hatten die Sorge, dass wir uns damit selber eventuell schaden könnten." Und auch nach dem "Stern"-Bericht äußerten sie sich nicht. Denn arbeitsrechtliche Konsequenzen, wenn sie sich an der Aufarbeitung der Vorwürfe beteiligen würden, hatte der NDR bislang nicht ausgeschlossen. Das passierte erst auf Nachfrage von "Zapp".
Chefredakteur griff in geplanten Bericht über DRK ein
Zum Ablauf erklären sie, dass Lorentzen eingegriffen habe, als ihr Film nahezu fertig gestellt gewesen sei und bereits einen Sendetermin hatte. Er habe in seiner Funktion als Chefredakteur erneut Fragen an das DRK gestellt. Zudem habe er explizit auf eine persönliche Verbindung des DRK zum Landesrundfunkrat hingewiesen (die Lebensgefährtin der DRK-Vorstandsvorsitzenden Anette Langner war zu dieser Zeit laut Medienberichten die damalige Vorsitzende des Landesrundfunkrates Jutta Schümann): "Das haben wir als Eingriff in unsere sonstige Arbeitsweise empfunden", sagt Schumacher. Lorentzen verteidigt sein Vorgehen gegenüber "Zapp": Es sei seine Aufgabe, "das so zu steuern, dass es für die Autoren optimal abläuft".
Statt "optimaler Abläufe", zu diesem Schluss kommt auch der interne Bericht, habe in Kiel "in Teilen eine Kultur geherrscht, die nicht akzeptabel ist, die mit meinen Prinzipien nicht vereinbar ist und gegen die ich hätte früher vorgehen müssen". Das hatte Landesfunkhausdirektor Volker Thormählen vergangene Woche festgestellt und einen "unverzüglichen" Neuanfang angekündigt. Unabhängig davon soll die Wirtschaftskanzlei Deloitte im Auftrag des Landesrundfunkrats die Vorwürfe noch einmal extern überprüfen.
NDR-Kritiker nennt Scheinreferenden in der Ukraine "demokratisch"
Einer derjenigen, der die härteste Kritik an der Redaktion im Landesfunkhaus Kiel geübt hatte und der dem "Business Insider" als – da noch anonymisierter – Protagonist diente, ist der Journalist Patrik Baab. Diesem widmet "Zapp" rund ein Drittel seiner Sondersendung und zeigt, dass der Investigativjournalist bereits zum Zeitpunkt des Streits mit den Führungskräften im Landesfunkhaus unter anderem bei dem inzwischen vom Verfassungsschutz beobachteten ehemaligen Journalisten Ken Jebsen ("KenFM") zu Gast war.
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Zudem mache sich Baab in seinen letzten Veröffentlichungen mindestens das Vokabular von Verschwörungsideologen zu eigen, spricht von Deutschland als bloßer "Fassadendemokratie". Zuletzt machte Baab von sich reden, als er zusammen mit einem prorussischen Blogger bei den Scheinreferenden in der Ostukraine auftauchte und diese als "frei, demokratisch und geheim" einschätzte. Das kostete ihn unter anderem seinen Lehrauftrag an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft.
NDR: "Stern", "Bild" und "Business Insider" wehren sich
Bei Gruner+Jahr stellt man auf Abendblatt-Anfrage fest, dass "die kritische 'Stern'-Berichterstattung der vergangenen Wochen durch den internen NDR-Prüfbericht nicht widerlegt wurde. Im Gegenteil, in wesentlichen Punkten stützen die Untersuchungen der Journalisten Berbner und Löding die Recherchen des Stern. Die zentralen Stern-Recherchen haben bis heute weiter Bestand", so eine "Stern"-Sprecherin. Die einstweilige Verfügung läge mit Stand Donnerstag noch nicht vor: "Sollte eine Verfügung ergangen sein und eine Zustellung erfolgen, werden wir diese prüfen und ggf. reagieren."
Auch die Axel Springer SE sieht den Gerichtsentscheid nicht als Umkehrpunkt in der Affäre. Von der "Bild" heißt es auf Anfrage des Abendblatts: "Unsere freiwillige Unterlassungserklärung erfolgte allein zur Vermeidung unnötiger Weiterungen und selbstverständlich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage." Die Angaben zu den Gründen der Personalentscheidung gegen Stein und Lorentzen habe man "nachträglich und freiwillig bei Bild.de als 'Hintergrund' präzisiert.
Auch beim 'Business Insider' gibt man sich selbstbewusst. Derzeit prüfe man Rechtsmittel gegen die Unterlassung. "Business Insider" habe bisher in "gut einem halben Dutzend Artikeln über Missstände in unterschiedlichen Landesfunkhäusern des NDR berichtet. Die noch nicht rechtskräftige Einstweilige Verfügung bezieht sich lediglich auf anderthalb Sätze in einem dieser Artikel", so eine Sprecherin des Wirtschaftsportals.
Tatsächlich hat "Business Insider" aktuell nachgelegt und berichtet nun über Verbindungen zwischen der stellvertretenden NDR-Intendantin Andrea Lütke und einer Produktionsfirma aus Hannover. NDR-Intendant Joachim Knuth hatte erst vergangene Woche erklärt, dass das Haus seine "gesamte Unternehmenskultur" extern überprüfen lassen wolle: Der ehemalige Vorsitzende der Diakonie Stephan Reimers wurde mit der Überprüfung der, wie Knuth sie nennt, "erhebllichen atmosphärischen Probleme" beauftragt.