Hamburg. Als Reaktion auf die Kontroversen in den Landesfunkhäusern Hamburg und Kiel soll der ehemalige Diakonie-Chef Hamburgs vermitteln.

Irgendwann in diesem Gespräch sagt Joachim Knuth, dass man doch journalistisch erfolgreich wie selten sei. Aber sein Gesichtsausdruck will nicht dazu passen. Dem NDR-Intendanten sind die Mühen der vergangenen Wochen anzusehen, die er selbst „bewegt“ nennt. Die immer neuen Verdachtsmomente, interne Beschwerden über ein „Klima der Angst“. Das Gewicht der Fragen, die auf Knuth lasten: Wie vergiftet ist die Stimmung im NDR wirklich? Warum reagierte die Intendanz nicht früher? Und wie will er sich aus zwei Affären in den Landesfunkhäusern in Hamburg und Kiel befreien?

Knuth geht an diesem Donnerstag in die Offensive. „Ich will keinen verdrucksten NDR“, sagt Knuth am Nachmittag in einem Pressegespräch. Er kündigt eine transparente Aufarbeitung an. Nicht nur der Vorwürfe auf Vetternwirtschaft durch die inzwischen beurlaubte Hamburger Landesfunkhauschefin Sabine Rossbach, sondern der gesamten Unternehmenskultur. „Wir müssen alle in den Spiegel sehen“, sagt Knuth. Das betreffe auch ihn.

NDR: Stephan Reimers will Mitarbeitende befragen

Der Intendant setzt dazu auf einen vertrauenswürdigen Aufklärer: Stephan Reimers, evangelischer Theologe und ehemaliger Leiter der Diakonie, dazu rundfunkerfahren. Reimers erhält laut Knuth eine „Aufwandsentschädigung im sehr geringen fünfstelligen Bereich“, um in den kommenden drei Monaten das komplette Betriebsklima zu durchleuchten. Er will Mitarbeitende befragen, aber auch eine Anlaufstelle bieten. Völlig ohne Vorgaben oder sogar Einschränkungen durch den Intendanten. „Unabhängigkeit war in meinem ganzen Leben für mich ein sehr hoher Wert“, sagt der 78-jährige Reimers, den Knuth persönlich um die Aufgabe bat.

Es gibt viel zu tun, das gibt auch Joachim Knuth unumwunden zu. Er spricht von „erheblichen atmosphärischen Pro­blemen“, mangelndem Vertrauen. Er selbst sei durch das Ausmaß der Konflikte überrascht worden. Auf die Frage eines Journalisten, ob er denn bislang auf einem anderen Planeten als seine eigenen Mitarbeitenden gelebt habe, verweist Knuth auf Corona: Seit seinem Amtsantritt 2020 habe er „nicht annähernd“ so viele persönliche Gespräche vor Ort führen können, wie er das selbst für nötig gehalten hätte.

Compliance-Prüfung noch nicht abgeschlossen

In der Affäre im Hamburger Landesfunkhaus steht aber gerade jene Frage nach der internen Kommunikation im Fokus. Wie das Abendblatt enthüllt hatte, war der mögliche Interessenkonflikt der Funkhauschefin Rossbach intern bereits seit 2017 bekannt. Damals stellte ein Redakteur der „Mopo“ eine Anfrage zu Vorwürfen, Rossbach bringe die Themen der PR-Agentur ihrer Tochter bevorzugt im Programm des „Hamburg Journals“ im NDR Fernsehen unter. Das war nun auch der Grund für Rossbachs Rückzug – damals sah allerdings offenbar niemand im NDR einen Anlass, den Fall an die Anti-Korruptions-Beauftragte zu übergeben oder Rossbach aufzufordern, sich zurückzunehmen.

Auf Nachfrage verweist Knuth auf die dazu noch laufende Compliance-Prüfung. Voraussichtlich Mitte Oktober würden Ergebnisse feststehen. Er selbst habe erst jetzt von dem möglichen Interessenkonflikt erfahren. Dabei war die persönliche Verbindung zu der PR-Agentur nicht nur beim „Hamburg Journal“ ein offenes Geheimnis. Rossbach selbst streitet die Vorwürfe, Beiträge in das Programm gedrückt zu haben, entschieden ab.

Dass die nun beurlaubte Funkhauschefin auch „rustikal“ mit Mitarbeitenden umgegangen sei, sei ihm bekannt gewesen, räumt Knuth ein. Nach Bekanntwerden der Vorwürfe war aber zuweilen von einem regelrechten Schreckensregime unter Rossbach berichtet worden. Auch Mitarbeitende, die die Affäre journalistisch-neutral sehen wollen, sprechen aber von möglichen persönlichen Motiven hinter den Vorwürfen. Es würden „auch alte persönliche Rechnungen beglichen“, da der öffentlich-rechtliche Rundfunk bundesweit im Fokus von Kritik steht.

Bericht über die Mängel lag seit Längerem vor

Auf Nachfrage des Abendblatts, ob diese Gemengelage die Aufklärung erschwere, entgegnete Knuth: „Das macht sie vor allem nötiger.“ Positiv sei, dass sich die Vorwürfe auf politische Einflussnahme im Landesfunkhaus Kiel nicht erhärtet hätten. Wegen des ebenfalls schlechten Betriebsklimas wurden zuletzt aber zwei redaktionelle Führungskräfte versetzt. Im Rückblick sagte Knuth, dass er sich hätte früher einschalten müssen. „Das war nicht gut.“ Ein Bericht über die Mängel lag auch Knuth seit Längerem vor.

Die Aufarbeitung der beiden Affären laufe unabhängig von der Generalprüfung durch Stephan Reimers weiter. Es gebe keine weiteren Hinweise auf Compliance-Verstöße, betont Knuth. Auch das Kon­trollsystem scheine insgesamt zu funktionieren. Bis die Mängel in der Kultur des NDR behoben seien, könne es gleichwohl noch Jahre dauern.

NDR: „Ich will wissen, wo wir stehen“

Stephan Reimers will mit intensiven Gesprächen beginnen. „Alle, die etwas beizutragen haben, sollen zu Wort kommen.“ Joachim Knuth kann die Frage nach einem Ausmaß der Probleme noch nicht benennen – aber sie würden nun angepackt: „Ich will wissen, wo wir stehen.“