Eine Welle politischer Appelle und einmal heile Schlagerwelt
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Berlin/Hamburg. Helene Fischer ist zu Tränen gerührt, kommt aber nicht wie von Udo Lindenberg erhofft zu Wort. Barbara Schöneberger wird abgeknutscht.
Nein, sie hat es nicht getan. Dafür hat er etwas getan. Während Helene Fischer bei der Bambi-Verleihung am Donnerstagabend (4,47 Millionen Zuschauer in der ARD/16,0 Prozent Marktanteil) – anders als noch bei ihrer Moderation vor drei Jahren – diesmal so gut wie nicht zu Wort kam, hat Florian Silbereisen seinen großen Auftritt für eine noch größere Geste genutzt.
"Ich sehe heute nur wunderschöne Frauen im Saal. Verzeihen Sie mir aber, wenn ich sage, dass ich sehr glücklich und sehr stolz bin, dass die Allerschönste heute an meiner Seite ist", sprach der in der Kategorie "Fernsehen" ausgezeichnete Entertainer und verpasste damit seiner Liebsten im Publikum nicht nur einen dicken Kloß im Hals, sondern auch feuchte Augen. Wie rührend!
Helene Fischer hat nur einen kurzen Auftritt
Silbereisens Liebeserklärung an die Fischer war das Heile-Welt-Tüpfelchen auf einer Gala, die andere zuvor dazu genutzt hatten, auf eine gar nicht so heile Welt hinzuweisen. Helene Fischer erhielt dazu keine Gelegenheit, die Übergabe des Integrations-Bambis an Bundestrainer Joachim Löw blieb der einzige kurze Bühnenauftritt der als Schlagerkönigin verehrten 32-Jährigen.
Dabei erhofft sich wohl nicht nur Udo Lindenberg, der im Berliner Stage Theater am Potsdamer Platz der Sängerin das Burda-Reh in der Kategorie "Musik National" wegschnappte, von Fischer eine klare Positionierung in Zeiten von Flüchtlingskrise und einem immer bedrohlicher wirkenden gesellschaftlichen Rechtsruck. Das hatte der Panikrocker jüngst von seiner Kollegin jedenfalls eingefordert.
Löw appelliert an die Nation
Statt Fischer sprachen also andere – und wie. Löw nutzte seine Dankesrede für einen flammenden Appell an seine Landsleute. "Lassen Sie uns alle zu einer deutschen Integrationsmannschaft werden", sagte der Weltmeister-Macher der Fußball-Nationalmannschaft. Für seine Worte erhielt der Trainer ebenso großen Applaus wie etliche Redner vor ihm.
Allen voran Oliver Masucci. Er ist der Hauptdarsteller aus der prämierten Hitler-Satire "Er ist wieder da“. "Der Film ist heute aktueller denn je“, sagte Masucci. "Diese braune Soße, die sich durch Europa ergießt, die macht mir Sorgen." Regisseur David Wnendt lässt in seinem Kinofilm "Er ist wieder da" nach dem gleichnamigen Roman den Nazi-Diktator Adolf Hitler im heutigen Deutschland wieder auferstehen.
Bilder der Bambi-Gala:
Diese Stars feiern bei Bambi-Verleihung
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Altbundespräsident ehrt Franziskus
Selbst Comedy-Preisträger Bülent Ceylan wurde ernst und ging in seiner Dankesrede auch auf die gegenwärtige Stimmung in Deutschland ein. "Wir dürfen uns von diesen Terroristen niemals das Lachen nehmen lassen und auch nicht die Lust auf solche Veranstaltungen hier", sagte der Mannheimer mit türkischen Wurzeln.
Bewegende Worte fand auch Altbundespräsident Horst Köhler in seiner Laudatio auf Papst Franziskus (Millenium-Bambi), in der er wiederholt die "provozierende Menschlichkeit" des katholischen Kirchenoberhaupts über Religionsgrenzen hinweg als Gegenentwurf zum nicht nur in Europa um sich greifenden Hasses skizzierte.
Die Bambi-Preisträger 2016
Ehrenpreis der Jury
Bastian Schweinsteiger
Schauspieler National
Devid Striesow („Ich bin dann mal weg“)
Schauspielerin National
Anna Maria Mühe („Die Täter - heute ist nicht alle Tage“)
Film National
"Er ist wieder da“ von David Wnendt
Entertainment
Felix Jaehn
Comedy
Bülent Ceylan
Musik National
Udo Lindenberg
Musik International
Robbie Williams
Lebenswerk
Mario Adorf
Sport
Angelique Kerber
Integration
Joachim Löw
Fernsehen
Florian Silbereisen
Millennium
Papst Franziskus
Stille Helden
Yusra und Sarah Mardini
Publikumsbambi „Unsere Olympiahelden“
Andreas Toba
Unsere Erde
Saba Douglas-Hamilton und Frank Pope für die Tierschutzorganisation „Save the Elephants“
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Schöneberger von Williams abgeschlabbert
Franziskus hatte unter anderem mit der Fußwaschung von Muslimen und der spontanen Aufnahme syrischer Flüchtlinge Zeichen gesetzt. Aus Syrien kommen auch Yusra und Sarah Mardini, die als "stille Helden“ ausgezeichnet wurden. Die Schwestern hatten ein kenterndes Flüchtlingsboot schwimmend sicher an Land gebracht und damit 18 Menschen das Leben gerettet.
"Schämen Sie sich nicht, wenn bei dieser Geschichte Ihre Augen schwimmen", sagte Laudatorin Anja Reschke an das Publikum gerichtet. Während Helene Fischer zu diesem Zeitpunkt längst Pipi in den Augen hatte, war Barbara Schönebergers Gesicht schon wieder getrocknet. Gleich zu Beginn war die Gastgeberin auf der Bühne von Popstar-Comebacker Robbie Williams umfangreich abgeschlabbert worden.
Schwamm drüber, die besseren, weil ernsthafteren Botschaften sendeten an diesem Abend ohnehin Köhler, Masucci, Ceylan oder Integrations-Prediger Löw. "Wenn wir da alle etwas besser werden, ist dieser Preis, den ich entgegennehmen darf, ein Preis für uns alle", schloss der DFB-Trainer.
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