Lokstedt. Neue Ansprache: Chefredakteur Kai Gniffke will eine internet-affine Tagesschau. Die eigentliche Nachricht versteckte er in seinem Blog.
Bleibt alles anders bei der Tagesschau: Getreu dem Song von Herbert Grönemeyer will die alte Dame des deutschen TV-Nachrichtenjournalismus sich mal wieder neu erfinden und doch das Gewohnte bieten. Das neue Fernsehstudio in Hamburg-Lokstedt, die Babypausen der Sprecherinnen, mal ein Gedicht des charmanten Chefvorlesers Jan Hofer und mal ein beachtenswertes und würdiges Stand-in von Caren Miosga bei den Tagesthemen zum Tode von Robin Williams ("Club der toten Dichter") – da geht ja tatsächlich noch was beim Team der Tagesschau.
Denn überraschend muss sie trotz aller Routine sein, wissen ihre Köpfe. Das hat jetzt auch der Chefredakteur von ARD-aktuell, Kai Gniffke, mal wieder eingeräumt. Im Tagesschau-Blog wurde er grundsätzlich und versteckte hinter seinen Überlegungen die eigentliche Nachricht. Der 54-Jährige hat seinen Vertrag gerade um fünf Jahre verlängert.
Tagesschau: Hier bloggt der Chef
Seit nunmehr zwölf Jahren sei er Chefredakteur, seit 2006 Erster unter quasi Gleichen, wie es in Lokstedt heißt. „Und nun hat mir die ARD die Chance gegeben, fünf weitere Jahre dranzuhängen. Ein großer Vertrauensvorschuss, eine Ehre und eine Gelegenheit, den Blick mal in Richtung 2020 zu richten“, bloggte Gniffke. NDR-Intendant Lutz Marmor hat offenbar eine Vertragsverlängerung mit Gniffke vorgeschlagen.
Man wolle, schrieb Gniffke jetzt, ein Nachrichtenangebot machen für die, "die nicht um 20 Uhr auf dem Sofa sitzen" Das heißt: für die Smartphone-Süchtigen, die TV-Ignoranten und Zeitlosen. "Dazu müssen wir neue Video-Angebote machen, die eine Ästhetik und Ansprache haben, die der jeweiligen Plattform angemessen ist. Und dazu werden wir uns trauen, unter der Marke Tagesschau auch mal etwas auszuprobieren und uns der Kritik der Nutzerinnen und Nutzer aussetzen."
Mehr Erklärstücke, weniger Nachrichten in der Tagesschau
Man habe schließlich die "Aufgabe, uns das Vertrauen auch der Menschen zu erarbeiten, die nicht mit dem 20-Uhr-Gong groß geworden sind". Das werden immer mehr in Deutschland, allerdings werden die, die mit dem Gong groß wurden, nicht so schnell weniger. Bedeutet: Wird Gniffke mit seiner wandelbaren Tagesschau die alten Zuschauer vergraulen?
Er will offenbar ein Experiment wagen. Die sich ändernde Mediengesellschaft zwingt ihn dazu. Doch er scheint offen für Neues. Der Fotojournalismus, ausgerechnet, habe eine viel größere Bedeutung bekommen, auch und gerade für das Fernsehen: "Wir setzen auf die Kraft von Fotos, in den TV-Sendungen wie mittlerweile auch bei unserem Facebook-Auftritt. Wir wollen mehr zeigen, als Sprecher hinter einem Tisch mit kleinen Abbildungen im Hintergrund. Tagesschau-Zuschauer sollen quasi das ganze Bild bekommen."
Die Tagesschau um 20 Uhr soll mehr "Erklärstücke" und Hintergrundbeiträge enthalten. Das könne sich auf die Gesamtzahl der Nachrichten innerhalb einer Sendung auswirken.