„Newtopia“, die vom Sender als Gesellschaftsexperiment verkaufte Weiterentwicklung der Container-Show, läuft seit Montag bei Sat.1.
Mit Kleinigkeiten hat man es nicht so bei Sat.1. Zumindest nicht, wenn es um die am Montagabend gestartete Show „Newtopia“geht: Laut Vorspann hat man es mit nichts weniger als dem „größten TV-Experiment aller Zeiten“ zu tun, ein Countdown zählt die letzten Sekunden bis zum Beginn herunter. „Der Wunsch nach einer besseren Welt, wird er hier zur Realität?“, fragt eine Stimme aus dem Off. Bedeutungsschwanger, die Musik hanszimmert dramatisch, was der Bass nur hergibt.
Im etwas weniger glanzvollen Licht der Realität betrachtet, handelt es sich bei „Newtopia“ dann aber doch nicht um die Neuerfindung des TV-Unterhaltungs-Rads. Sondern nur um eine konsequente Weiterentwicklung der „Big Brother“-Idee, die genau wie „Newtopia“ von John de Mol stammt: Statt des Wohncontainers gibt es eine fast leere Scheune mit zwei Hektar Land, ein paar Hühnern, Kühen und Forellen.
Und statt sinnfreie Aufgaben zu lösen müssen die Kandidaten ihren Alltag auf die Beine stellen. Außerdem verabschieden sie sich nicht für ein paar Wochen, sondern gleich für ein Jahr aus ihrem echten Leben. Nur einmal im Monat wird jemand „Newtopia“ verlassen müssen. Betten, Toiletten und andere Annehmlichkeiten des modernen Alltags sind vom Sender in weiser Vorausschau nicht eingebaut worden in die neue Heimat der Kandidaten – man will ja auch was zu lachen haben als Zuschauer.
Der Hartz-IV-Empfänger trifft auf die Buchhalterin, das Model auf den Landwirt
Und falls die existenziellen Nöte nicht ausreichen sollten, um das Publikum mehr als nur kurzfristig zu binden, haben die 15 Menschen, die Sat.1 als „Pioniere“ bezeichnet, möglichst vielfältige (lies: konfliktträchtige) Hintergründe. Der „Key Account Manager“ trifft in der brandenburgischen Pampa auf den ewigen Studenten ohne festen Wohnsitz und mit klaren Ansichten in Richtung Polygamie. Der Hartz-IV-Empfänger trifft auf die Buchhalterin mit Leitungsanspruch und das Model auf den Landwirt. Man ahnt schnell, wo das alles hinführen soll und wird.
Bevor die Kandidaten und ihre ganz unterschiedlichen Ansichten aber dauerhaft aufeinander losgelassen werden, dürfen sie noch einmal nach Hause fahren und eine Kiste mit dem packen, was sie für notwendig erachten – natürlich unter Zeitdruck. Bis dann alle mit den von einem freundlichen Autobauer zur Verfügung gestellten Geländewagen wieder zurück in der Scheune sind, ist die erste Folge auch schon so gut wie zu Ende.
Das Gelände wird 24 Stunden am Tag gefilmt
Ein Toiletten-Provisorium bleibt schließlich das einzig Konstruktive, das die Gemeinschaft am ersten Tag herstellt. Wo Duschen und Betten, wo Trinkwasser, Nahrung und anderes herkommen werden, bleibt zunächst ungeklärt. Aber keine Sorge: Das ganze Gelände wird 24 Stunden am Tag von einem dichten Netzwerk aus Kameras und Mikrofonen überwacht.
Folge eins ist also nicht viel mehr als ein Vorgeschmack, der neugierig auf die folgenden 52 Wochen machen soll. Montags bis freitags werden die Highlights des Tages ab 19 Uhr bei Sat.1 gezeigt. Im Internet kann man das Treiben der Realitätsaus- und Reality-TV-Einsteiger derweil rund um die Uhr live verfolgen – der Vollzugriff kostet natürlich.
Das eigentlich Neue an „Newtopia“ sind aber nicht die lückenlose Überwachung, der Komfortentzug oder die genüsslich inszenierten Konflikte. Das alles kennt man alles zur Genüge aus „Big Brother“ und dem „Dschungelcamp“: Es ist vielmehr die Großspurigkeit, mit der Sat.1 die freiwillig eingegangene Zwangsgemeinschaft als Brutkasten für eine neue Gesellschaftsordnung verkauft.
Im Rückgriff bis auf Thomas Morus und sein Buch „Utopia“ von 1516 wird das Format mit aller Macht zu etwas Höherem, Edlerem verbrämt. So ehrlich wie die RTL-Dschungelcamper, die nichts anderes sein wollen als eine Unterhaltungsshow, die auf den Voyeurismus ihrer Zuschauer zählt, ist man bei Sat.1 leider nicht.
„Newtopia“, Mo-Fr, 19.00 Uhr, Sat.1