Die Publikumslieblinge Nora Tschirner und Christian Ulmen ermitteln zum zweiten Mal in einem irren Fall. Ist dieser Tatort aus Weimar sehenswert? Jedenfalls kurzweilig.
Weimar. Das neue Jahr fängt im „Ersten“ unterhaltsam an – mit Christian Ulmen und Nora Tschirner in einem kurzweiligen Twist-„Tatort“, einem Film voller wirrer Wendungen. Wer am Ende des zweiten ARD-Event-Krimis am 1.1.2015 aus Weimar problemlos die Geschichte nacherzählen kann, verdient geradezu Bewunderung.
Tschirner hat einen guten Grund parat, warum man den MDR-Film „Der Irre Iwan“ am Neujahrstag um 20.15 Uhr – womöglich mit Silvesterkater – einschalten sollte: „Weil es die einzige Gelegenheit im Jahr ist, den „Tatort“ während des Frühstücks zu sehen.“
Der Weimar-„Tatort“ mit dem Ermittler-Team Lessing und Kira Dorn läuft im traditionellen Neujahrs-Fernsehduell mit dem „Traumschiff“. Bei seiner Premiere am zweiten Weihnachtstag 2013 hatte das Duo Ulmen/Tschirner mit dem wurstigen Fall „Die Fette Hoppe“ ebenfalls das ZDF-Unterhaltungsflaggschiff als Gegner – und im Quotenkampf gesiegt.
Und darum geht es im zweiten Weimar-„Tatort“: Die bekanntlich liierten Ermittler Lessing und Dorn (haben jetzt auch ein gemeinsames Baby) sind nach einem Raubüberfall mit dem skurrilen Mord an der Sekretärin des Stadtkämmerers Iwan Windisch konfrontiert.
Vom Swinger-Club in‘s Tattoo-Studio: Ist das noch „Tatort“?
Schnell stellt sich heraus, dass die Sekretärin ein Verhältnis mit Iwan hatte. Hat er den Mord in Auftrag gegeben? Welche Rolle spielt seine eifersüchtige Frau? Was haben Rita Eisenheim und deren Ehemann Josef, die Betreiber einer Geisterbahn auf dem Rummel in Rudolstadt, damit zu tun? Führte Iwan ein Doppelleben. Und wenn ja, wie viele?
Das Autorenduo Andreas Pflüger und Murmel Clausen hat ein Buch mit knackigen Dialogen („Die dachte, Outlook wäre ein Teil von Australien“) und manchem Kalauer („Herr Windisch, seien Sie nicht kindisch!“) geschrieben. Regie führte Richard Huber.
Die Handlung führt unter anderem in einen FKK- und Swinger-Club und in ein Tattoo-Studio voller Rocker. Ziemlich überfrachtet könnte einem diese Krimikomödie deshalb vorkommen. Ist das überhaupt noch ein „Tatort“?
Wenn man beim Zuschauen Zeit hätte zum Nachdenken, könnten einen vielleicht auch einige Geschlechterklischees nerven: herrische Frauen, dämliche Männer, Frauen als eifersüchtige Furien, Männerfiguren als alberne Hallodris.
Dreh des dritten Weimar-„Tatorts“ im Laufe des Jahres
Ulmen widerspricht heftig: „Soweit ich das gesehen habe, gibt es im Film einen einzigen Mann, den man einen Hallodri nennen könnte, wenn man diesen Begriff ernsthaft verwenden will. Und es gibt den Moment, als Kira sich das Poster eines durchtrainierten Sportlerkörpers ansieht, worauf ihr Partner Lessing eifersüchtig fragt „Muss ich mal wieder Sport machen?“. Im Klischee wäre das doch eine Frauen-Reaktion. Wenn wir dann wenig später sehen, dass eine Frau eifersüchtig ist, weil ihr Mann sie eventuell betrügt, dann finde ich nicht, dass auch nur ansatzweise irgendein Geschlechterklischee einseitig gezeigt wurde. Wir haben beides gesehen: Es gibt eifersüchtige Frauen, es gibt eifersüchtige Männer.“
Schauspielerisch ist der Krimi top besetzt, etwa mit Sophie Rois, die mit ihrer rauen Stimme die Geisterbahnbetreiberin gibt und einen sehenswerten Showdown mit Knarre auf der Kirmes liefert. Am Ende spielt dann noch die Band Element Of Crime auf. Ein Gefallen für Christian Ulmen, der einst „Herr Lehmann“ in der Verfilmung des gleichnamigen Bestsellers von Frontmann Sven Regener war?
Ein dritter Weimar-„Tatort“ soll im Laufe des Jahres gedreht werden und voraussichtlich 2016 zu sehen sein. Während die ersten zwei an Feiertagen gesendet wurden, bekommt der dritte wohl einen normalen Sonntagssendeplatz. Auch danach geht es wahrscheinlich weiter.
Im Interview sagte Ulmen: „Die Verabredung ist: Nach jedem „Tatort“ schauen wir uns alle in die Augen. Unsere Augen in die des MDR, die des MDR in die Augen der Autoren, die Autoren-Augen starren Nora an, Nora sieht mich lieb an – und wenn alle Augen leuchten, dann, und nur dann, machen wir weiter.“